Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.den Zunftbechers bedienten. Jedes Collegium hatte gewöhnlich seine gemeinsame Grabstätte, bei denen sie auch kleine Tempel (aediculas) errichteten, die Opfergebräuche begingen und die Leichenschmäuse hielten. Arme Mitglieder liessen sie auf Kosten der Gesellschaft beerdigen1) und verdienstvolle ehrten sie durch Grabdenkmale, jährliche Gedächtnissfeiern u. s. f. Auch mehrere deutsche Zünfte waren darnach Begräbnissgesellschaften und unterhielten gemeinsame Begräbnisskapellen. Die Grabmäler wurden mit Rosen und Lilien geschmückt; auch pflegten die Gräber sorgfältig gereinigt und unterhalten zu werden, so dass die Collegien sich in jeder Richtung durch ihren Todtencultus auszeichneten oder bis nach dem Tode die collegialischste Treue und Liebe bewahrten. Ebenso eigenthümlich war den Römern wie den Griechen der Geniendienst.2) Nach Plutarch war das gleichschenkelige Dreieck das Symbol des Genius, wie das gleichseitige Gottes und das ungleichseitige des Menschen. Auch Krause, S. 172, und Heldmann, S. 72, erblickten schon in dem: funde merum genio, ein Ueberbleibsel des römischen Geniendienstes. Dem Genius musste in weissem Gewande geopfert werden. Krause S. 174 vermuthet, dass die geheimen Namen der Genien als Losungsworte gedient haben und daher die maurerischen Losungsworte abzuleiten seien. Nach einer Seite hin waren die römischen Collegien gleich den noch heute bestehenden religiösen Brüder- und Schwesterschaften der katholischen Kirche, z. B. der heiligen Maria 1) Ueber die ähnlichen Verpflichtungen der deutschen Handwerksinnungen vergl. Fallou, die Mysterien der Freimaurer, S. 15. Das Gildestatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden vom Jahr 1266, Art. 25 (bei Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, S, 150), macht es zur Pflicht, sterbende und todte Brüder zu besuchen. 2) Krause, S. 171, Anm. d.; Fr. A. Ukert, über dieDämonen, Heroen und Genien, in den Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, I. (Leipzig 1850). S. 137 ff. Bei Orelli Inscr. Nr. 941 und 1705 erscheint ein Genius collegii, anderwärts ein Genius nautarum, ein Genius vexillariorum et imaginiferum, ein Genius beneficiariorum (erster Jahresbericht des historischen Vereins der Pfalz, Speyer 1842, 39).
den Zunftbechers bedienten. Jedes Collegium hatte gewöhnlich seine gemeinsame Grabstätte, bei denen sie auch kleine Tempel (aediculas) errichteten, die Opfergebräuche begingen und die Leichenschmäuse hielten. Arme Mitglieder liessen sie auf Kosten der Gesellschaft beerdigen1) und verdienstvolle ehrten sie durch Grabdenkmale, jährliche Gedächtnissfeiern u. s. f. Auch mehrere deutsche Zünfte waren darnach Begräbnissgesellschaften und unterhielten gemeinsame Begräbnisskapellen. Die Grabmäler wurden mit Rosen und Lilien geschmückt; auch pflegten die Gräber sorgfältig gereinigt und unterhalten zu werden, so dass die Collegien sich in jeder Richtung durch ihren Todtencultus auszeichneten oder bis nach dem Tode die collegialischste Treue und Liebe bewahrten. Ebenso eigenthümlich war den Römern wie den Griechen der Geniendienst.2) Nach Plutarch war das gleichschenkelige Dreieck das Symbol des Genius, wie das gleichseitige Gottes und das ungleichseitige des Menschen. Auch Krause, S. 172, und Heldmann, S. 72, erblickten schon in dem: funde merum genio, ein Ueberbleibsel des römischen Geniendienstes. Dem Genius musste in weissem Gewande geopfert werden. Krause S. 174 vermuthet, dass die geheimen Namen der Genien als Losungsworte gedient haben und daher die maurerischen Losungsworte abzuleiten seien. Nach einer Seite hin waren die römischen Collegien gleich den noch heute bestehenden religiösen Brüder- und Schwesterschaften der katholischen Kirche, z. B. der heiligen Maria 1) Ueber die ähnlichen Verpflichtungen der deutschen Handwerksinnungen vergl. Fallou, die Mysterien der Freimaurer, S. 15. Das Gildestatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden vom Jahr 1266, Art. 25 (bei Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, S, 150), macht es zur Pflicht, sterbende und todte Brüder zu besuchen. 2) Krause, S. 171, Anm. d.; Fr. A. Ukert, über dieDämonen, Heroen und Genien, in den Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, I. (Leipzig 1850). S. 137 ff. Bei Orelli Inscr. Nr. 941 und 1705 erscheint ein Genius collegii, anderwärts ein Genius nautarum, ein Genius vexillariorum et imaginiferum, ein Genius beneficiariorum (erster Jahresbericht des historischen Vereins der Pfalz, Speyer 1842, 39).
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den Zunftbechers bedienten. Jedes Collegium hatte gewöhnlich seine gemeinsame Grabstätte, bei denen sie auch kleine Tempel (aediculas) errichteten, die Opfergebräuche begingen und die Leichenschmäuse hielten. Arme Mitglieder liessen sie auf Kosten der Gesellschaft beerdigen 1) und verdienstvolle ehrten sie durch Grabdenkmale, jährliche Gedächtnissfeiern u. s. f. Auch mehrere deutsche Zünfte waren darnach Begräbnissgesellschaften und unterhielten gemeinsame Begräbnisskapellen. Die Grabmäler wurden mit Rosen und Lilien geschmückt; auch pflegten die Gräber sorgfältig gereinigt und unterhalten zu werden, so dass die Collegien sich in jeder Richtung durch ihren Todtencultus auszeichneten oder bis nach dem Tode die collegialischste Treue und Liebe bewahrten. Ebenso eigenthümlich war den Römern wie den Griechen der Geniendienst. 2) Nach Plutarch war das gleichschenkelige Dreieck das Symbol des Genius, wie das gleichseitige Gottes und das ungleichseitige des Menschen. Auch Krause, S. 172, und Heldmann, S. 72, erblickten schon in dem: funde merum genio, ein Ueberbleibsel des römischen Geniendienstes. Dem Genius musste in weissem Gewande geopfert werden. Krause S. 174 vermuthet, dass die geheimen Namen der Genien als Losungsworte gedient haben und daher die maurerischen Losungsworte abzuleiten seien. Nach einer Seite hin waren die römischen Collegien gleich den noch heute bestehenden religiösen Brüder- und Schwesterschaften der katholischen Kirche, z. B. der heiligen Maria
1) Ueber die ähnlichen Verpflichtungen der deutschen Handwerksinnungen vergl. Fallou, die Mysterien der Freimaurer, S. 15. Das Gildestatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden vom Jahr 1266, Art. 25 (bei Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, S, 150), macht es zur Pflicht, sterbende und todte Brüder zu besuchen.
2) Krause, S. 171, Anm. d.; Fr. A. Ukert, über dieDämonen, Heroen und Genien, in den Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der k. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, I. (Leipzig 1850). S. 137 ff. Bei Orelli Inscr. Nr. 941 und 1705 erscheint ein Genius collegii, anderwärts ein Genius nautarum, ein Genius vexillariorum et imaginiferum, ein Genius beneficiariorum (erster Jahresbericht des historischen Vereins der Pfalz, Speyer 1842, 39).
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/268>, abgerufen am 16.06.2024. |