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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Bauhütte ist eine theoretisch-praktische Bauschule, eine Kunstschule, welche alle Bauschüler und Bauleute von dem jüngsten Lehrlinge bis zum ältesten und erfahrensten Meister durch ein brüderliches Band, durch den zu vollendenden grossen Bau umschlingt und vereint. Die Bauzunft als solche hat keine Lehrlinge und Gesellen, sondern blos die einzelnen Zünfter, jedoch kann an die politische Zunft die Bauhütte angelehnt und namentlich der Zunft die Baupolizei, die Aufsicht über das Gesellen- und Lehrlingswesen, besonders über die Gesellenvereine übertragen werden. Ebenso können die Zünfter mit den Gesellen und Lehrlingen, mit ihren Frauen und Töchtern zu gemeinsamen Versammlungen und Festen aller Zunftgenossen im weitern Sinne in dem Zunfthause zusammentreten und dieselben Zunftgenossen können zugleich eine besondere geistliche Brüderschaft, eine Laienbrüderschaft mit eigenen Kirchenheiligen und Kirchenfesten, - Altären, Kapellen und selbst Kirchen, - Kirchenfahnen und Geistlichen, - Krankenhäusern, Sterbe- und Wittwenkassen, Begräbnissplätzen u. s. w. bilden,1) so dass hier ein ausserordentlich vielgestaltiges und reiches genossenschaftliches Leben sich entfaltete und wirklich lange bestand, oder auch theilweise noch besteht. Das Wandern des Gesellen, des entlassenen und ausgelernten Bauhütten-, Steinmetzenlehrlings ist nichts Wesentliches, obwohl ein Gewöhnliches. Auch ist die Bedingung der freien Geburt des Lehrlings, des aufzunehmenden Bruders bei den Römern, wie bei den Germanen keine ursprüngliche, indem bei ihnen Freie und Unfreie, Sklaven, Freigelassene, Leibeigene, Hörige zu den handwerklichen Genossenschaften, Verbindungen und Innungen gehörten, namentlich bei den Deutschen aus den bischöflichen Grundhörigen, Unfreien sich hauptsächlich in langen und schweren Kämpfen die freien städtischen Handwerker mit den (freien) Städten selbst entwickelt haben. Die Handwerkszünfte, besonders aber die Genossenschaft der Bauleute und Steinmetzen, sind auch nicht aus den alten Gilden und Bruderschaften

1) Vergl. Besoldi, thesaurus practicus, I. und II. unter Brüderschaft (confraternitas).

Bauhütte ist eine theoretisch-praktische Bauschule, eine Kunstschule, welche alle Bauschüler und Bauleute von dem jüngsten Lehrlinge bis zum ältesten und erfahrensten Meister durch ein brüderliches Band, durch den zu vollendenden grossen Bau umschlingt und vereint. Die Bauzunft als solche hat keine Lehrlinge und Gesellen, sondern blos die einzelnen Zünfter, jedoch kann an die politische Zunft die Bauhütte angelehnt und namentlich der Zunft die Baupolizei, die Aufsicht über das Gesellen- und Lehrlingswesen, besonders über die Gesellenvereine übertragen werden. Ebenso können die Zünfter mit den Gesellen und Lehrlingen, mit ihren Frauen und Töchtern zu gemeinsamen Versammlungen und Festen aller Zunftgenossen im weitern Sinne in dem Zunfthause zusammentreten und dieselben Zunftgenossen können zugleich eine besondere geistliche Brüderschaft, eine Laienbrüderschaft mit eigenen Kirchenheiligen und Kirchenfesten, – Altären, Kapellen und selbst Kirchen, – Kirchenfahnen und Geistlichen, – Krankenhäusern, Sterbe- und Wittwenkassen, Begräbnissplätzen u. s. w. bilden,1) so dass hier ein ausserordentlich vielgestaltiges und reiches genossenschaftliches Leben sich entfaltete und wirklich lange bestand, oder auch theilweise noch besteht. Das Wandern des Gesellen, des entlassenen und ausgelernten Bauhütten-, Steinmetzenlehrlings ist nichts Wesentliches, obwohl ein Gewöhnliches. Auch ist die Bedingung der freien Geburt des Lehrlings, des aufzunehmenden Bruders bei den Römern, wie bei den Germanen keine ursprüngliche, indem bei ihnen Freie und Unfreie, Sklaven, Freigelassene, Leibeigene, Hörige zu den handwerklichen Genossenschaften, Verbindungen und Innungen gehörten, namentlich bei den Deutschen aus den bischöflichen Grundhörigen, Unfreien sich hauptsächlich in langen und schweren Kämpfen die freien städtischen Handwerker mit den (freien) Städten selbst entwickelt haben. Die Handwerkszünfte, besonders aber die Genossenschaft der Bauleute und Steinmetzen, sind auch nicht aus den alten Gilden und Bruderschaften

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Bauhütte ist eine theoretisch-praktische Bauschule, eine Kunstschule, welche alle Bauschüler und Bauleute von dem jüngsten Lehrlinge bis zum ältesten und erfahrensten Meister durch ein brüderliches Band, durch den zu vollendenden grossen Bau umschlingt und vereint. Die Bauzunft als solche hat keine Lehrlinge und Gesellen, sondern blos die einzelnen Zünfter, jedoch kann an die politische Zunft die Bauhütte angelehnt und namentlich der Zunft die Baupolizei, die Aufsicht über das Gesellen- und Lehrlingswesen, besonders über die Gesellenvereine übertragen werden. Ebenso können die Zünfter mit den Gesellen und Lehrlingen, mit ihren Frauen und Töchtern zu gemeinsamen Versammlungen und Festen aller Zunftgenossen im weitern Sinne in dem Zunfthause zusammentreten und dieselben Zunftgenossen können zugleich eine besondere geistliche Brüderschaft, eine Laienbrüderschaft mit eigenen Kirchenheiligen und Kirchenfesten, &#x2013; Altären, Kapellen und selbst Kirchen, &#x2013; Kirchenfahnen und Geistlichen, &#x2013; Krankenhäusern, Sterbe- und Wittwenkassen, Begräbnissplätzen u. s. w. bilden,<note place="foot" n="1)">Vergl. Besoldi, thesaurus practicus, I. und II. unter Brüderschaft (confraternitas).<lb/></note> so dass hier ein ausserordentlich vielgestaltiges und reiches genossenschaftliches Leben sich entfaltete und wirklich lange bestand, oder auch theilweise noch besteht. Das <hi rendition="#g">Wandern</hi> des Gesellen, des entlassenen und ausgelernten Bauhütten-, Steinmetzenlehrlings ist nichts Wesentliches, obwohl ein Gewöhnliches. Auch ist die Bedingung der <hi rendition="#g">freien Geburt</hi> des Lehrlings, des aufzunehmenden Bruders bei den Römern, wie bei den Germanen <hi rendition="#g">keine ursprüngliche</hi>, indem bei ihnen Freie und Unfreie, Sklaven, Freigelassene, Leibeigene, Hörige zu den handwerklichen Genossenschaften, Verbindungen und Innungen gehörten, namentlich bei den Deutschen aus den bischöflichen Grundhörigen, Unfreien sich hauptsächlich in langen und schweren Kämpfen die freien städtischen Handwerker mit den (freien) Städten selbst entwickelt haben. Die Handwerkszünfte, besonders aber die Genossenschaft der Bauleute und Steinmetzen, sind auch nicht aus den alten Gilden und Bruderschaften
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[322/0342] Bauhütte ist eine theoretisch-praktische Bauschule, eine Kunstschule, welche alle Bauschüler und Bauleute von dem jüngsten Lehrlinge bis zum ältesten und erfahrensten Meister durch ein brüderliches Band, durch den zu vollendenden grossen Bau umschlingt und vereint. Die Bauzunft als solche hat keine Lehrlinge und Gesellen, sondern blos die einzelnen Zünfter, jedoch kann an die politische Zunft die Bauhütte angelehnt und namentlich der Zunft die Baupolizei, die Aufsicht über das Gesellen- und Lehrlingswesen, besonders über die Gesellenvereine übertragen werden. Ebenso können die Zünfter mit den Gesellen und Lehrlingen, mit ihren Frauen und Töchtern zu gemeinsamen Versammlungen und Festen aller Zunftgenossen im weitern Sinne in dem Zunfthause zusammentreten und dieselben Zunftgenossen können zugleich eine besondere geistliche Brüderschaft, eine Laienbrüderschaft mit eigenen Kirchenheiligen und Kirchenfesten, – Altären, Kapellen und selbst Kirchen, – Kirchenfahnen und Geistlichen, – Krankenhäusern, Sterbe- und Wittwenkassen, Begräbnissplätzen u. s. w. bilden, 1) so dass hier ein ausserordentlich vielgestaltiges und reiches genossenschaftliches Leben sich entfaltete und wirklich lange bestand, oder auch theilweise noch besteht. Das Wandern des Gesellen, des entlassenen und ausgelernten Bauhütten-, Steinmetzenlehrlings ist nichts Wesentliches, obwohl ein Gewöhnliches. Auch ist die Bedingung der freien Geburt des Lehrlings, des aufzunehmenden Bruders bei den Römern, wie bei den Germanen keine ursprüngliche, indem bei ihnen Freie und Unfreie, Sklaven, Freigelassene, Leibeigene, Hörige zu den handwerklichen Genossenschaften, Verbindungen und Innungen gehörten, namentlich bei den Deutschen aus den bischöflichen Grundhörigen, Unfreien sich hauptsächlich in langen und schweren Kämpfen die freien städtischen Handwerker mit den (freien) Städten selbst entwickelt haben. Die Handwerkszünfte, besonders aber die Genossenschaft der Bauleute und Steinmetzen, sind auch nicht aus den alten Gilden und Bruderschaften 1) Vergl. Besoldi, thesaurus practicus, I. und II. unter Brüderschaft (confraternitas).

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/342>, abgerufen am 22.11.2024.