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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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ist das materielle oder wirkliche Todteingericht und oft selbst ein Gericht über die Lebendigen, wenn der Verstorbene sie durch seine Werke und Tugenden zu beschämen vermag. In die Macht des Trauerredners und seine geschickte Lösung der ihm gestellten Aufgabe ist es besonders gegeben, die Trauerloge zu einem erhebenden, tiefwirkenden Todtengerichte zu machen; wir lassen hier eine solche wirklich gehaltene Trauerrede um so eher folgen, als dieselbe zugleich den Vorzug der Kürze haben dürfte:

"Mit aufrichtiger Bereitwilligkeit habe ich den Auftrag übernommen, an der Stelle des sehr ehrw. Br. BI. dem in den ewigen Osten vorausgegangenen Br. K. die Grabesrede zu halten, die Worte der letzten Erinnerung zu sprechen. Lassen Sie den verstorbenen stillen, aber dennoch äusserst treuen, gerne helfenden und selten fehlenden Br. K. im Geiste wieder in Ihre Mitte zurückkehren und sein Bild lebendig in Ihnen aufleben. Dort in der Mitternachtskolonne sehe ich den guten Br. K. noch sitzen und ganz unvergesslich ist er mir, gedenke ich der Meisterlogen. Unter den wenigen Brüdern, welche den Meisterlogen bei zuwohnen pflegten, befand sich gewiss auch Br. K., weshalb ihm auch regelmässig die Mitbewachung des Sarges übertragen wurde. Vielen Brüdern, welche jetzt den wirklichen Sarg des Br. K. umstehen, bewachte einst Br. K. den symbolischen Sarg; aus dem Sarge hat das Wort des Meisters der Meister, des Ewigen, des Jehovah Sie zum Leben erweckt und wir glauben und hoffen, dass ebenso Br. K. durch die Pforte des Grabes hinübergegangen sei in das Reich des ewigen, Lichtes und Lebens. Die Unsterblichkeit des Geistes, welche die Meisterloge so oft symbolisch dem Br. K. verkündete und versprach, hat er sicher jetzt in der That und Wahrheit gefunden und er ruft aus dem Reiche der Geister beseligt herab: "Deponens aliena, ascendit unus, - wenn der Leib in Staub zerfällt, schwingt sich der Geist zum Himmel auf!"

Br. Heinrich K. war im J. 1796 zu Illnau von armen Eltern geboren und die Dürftigkeit seiner Eltern, so wie die damaligen politischen Verhältnisse bestimmten, beschränkten und drückten die Schicksale seines Jugendlebens. Seine Schulbildung war höchst mangelhaft und

ist das materielle oder wirkliche Todteingericht und oft selbst ein Gericht über die Lebendigen, wenn der Verstorbene sie durch seine Werke und Tugenden zu beschämen vermag. In die Macht des Trauerredners und seine geschickte Lösung der ihm gestellten Aufgabe ist es besonders gegeben, die Trauerloge zu einem erhebenden, tiefwirkenden Todtengerichte zu machen; wir lassen hier eine solche wirklich gehaltene Trauerrede um so eher folgen, als dieselbe zugleich den Vorzug der Kürze haben dürfte:

„Mit aufrichtiger Bereitwilligkeit habe ich den Auftrag übernommen, an der Stelle des sehr ehrw. Br. BI. dem in den ewigen Osten vorausgegangenen Br. K. die Grabesrede zu halten, die Worte der letzten Erinnerung zu sprechen. Lassen Sie den verstorbenen stillen, aber dennoch äusserst treuen, gerne helfenden und selten fehlenden Br. K. im Geiste wieder in Ihre Mitte zurückkehren und sein Bild lebendig in Ihnen aufleben. Dort in der Mitternachtskolonne sehe ich den guten Br. K. noch sitzen und ganz unvergesslich ist er mir, gedenke ich der Meisterlogen. Unter den wenigen Brüdern, welche den Meisterlogen bei zuwohnen pflegten, befand sich gewiss auch Br. K., weshalb ihm auch regelmässig die Mitbewachung des Sarges übertragen wurde. Vielen Brüdern, welche jetzt den wirklichen Sarg des Br. K. umstehen, bewachte einst Br. K. den symbolischen Sarg; aus dem Sarge hat das Wort des Meisters der Meister, des Ewigen, des Jehovah Sie zum Leben erweckt und wir glauben und hoffen, dass ebenso Br. K. durch die Pforte des Grabes hinübergegangen sei in das Reich des ewigen, Lichtes und Lebens. Die Unsterblichkeit des Geistes, welche die Meisterloge so oft symbolisch dem Br. K. verkündete und versprach, hat er sicher jetzt in der That und Wahrheit gefunden und er ruft aus dem Reiche der Geister beseligt herab: „Deponens aliena, ascendit unus, – wenn der Leib in Staub zerfällt, schwingt sich der Geist zum Himmel auf!“

Br. Heinrich K. war im J. 1796 zu Illnau von armen Eltern geboren und die Dürftigkeit seiner Eltern, so wie die damaligen politischen Verhältnisse bestimmten, beschränkten und drückten die Schicksale seines Jugendlebens. Seine Schulbildung war höchst mangelhaft und

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 unvergesslich ist er mir, gedenke ich der Meisterlogen. Unter den wenigen Brüdern, welche den Meisterlogen bei zuwohnen pflegten, befand sich gewiss auch Br. K., weshalb ihm auch regelmässig die Mitbewachung des Sarges übertragen wurde. Vielen Brüdern, welche jetzt den wirklichen Sarg des Br. K. umstehen, bewachte einst Br. K. den symbolischen Sarg; aus dem Sarge hat das Wort des Meisters der Meister, des Ewigen, des Jehovah Sie zum Leben erweckt und wir glauben und hoffen, dass ebenso Br. K. durch die Pforte des Grabes hinübergegangen sei in das Reich des ewigen, Lichtes und Lebens. Die Unsterblichkeit des Geistes, welche die Meisterloge so oft symbolisch dem Br. K. verkündete und versprach, hat er sicher jetzt in der That und Wahrheit gefunden und er ruft aus dem Reiche der Geister beseligt herab: &#x201E;Deponens aliena, ascendit unus, &#x2013; wenn der Leib in Staub zerfällt, schwingt sich der Geist zum Himmel auf!&#x201C;</p>
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[18/0038] ist das materielle oder wirkliche Todteingericht und oft selbst ein Gericht über die Lebendigen, wenn der Verstorbene sie durch seine Werke und Tugenden zu beschämen vermag. In die Macht des Trauerredners und seine geschickte Lösung der ihm gestellten Aufgabe ist es besonders gegeben, die Trauerloge zu einem erhebenden, tiefwirkenden Todtengerichte zu machen; wir lassen hier eine solche wirklich gehaltene Trauerrede um so eher folgen, als dieselbe zugleich den Vorzug der Kürze haben dürfte: „Mit aufrichtiger Bereitwilligkeit habe ich den Auftrag übernommen, an der Stelle des sehr ehrw. Br. BI. dem in den ewigen Osten vorausgegangenen Br. K. die Grabesrede zu halten, die Worte der letzten Erinnerung zu sprechen. Lassen Sie den verstorbenen stillen, aber dennoch äusserst treuen, gerne helfenden und selten fehlenden Br. K. im Geiste wieder in Ihre Mitte zurückkehren und sein Bild lebendig in Ihnen aufleben. Dort in der Mitternachtskolonne sehe ich den guten Br. K. noch sitzen und ganz unvergesslich ist er mir, gedenke ich der Meisterlogen. Unter den wenigen Brüdern, welche den Meisterlogen bei zuwohnen pflegten, befand sich gewiss auch Br. K., weshalb ihm auch regelmässig die Mitbewachung des Sarges übertragen wurde. Vielen Brüdern, welche jetzt den wirklichen Sarg des Br. K. umstehen, bewachte einst Br. K. den symbolischen Sarg; aus dem Sarge hat das Wort des Meisters der Meister, des Ewigen, des Jehovah Sie zum Leben erweckt und wir glauben und hoffen, dass ebenso Br. K. durch die Pforte des Grabes hinübergegangen sei in das Reich des ewigen, Lichtes und Lebens. Die Unsterblichkeit des Geistes, welche die Meisterloge so oft symbolisch dem Br. K. verkündete und versprach, hat er sicher jetzt in der That und Wahrheit gefunden und er ruft aus dem Reiche der Geister beseligt herab: „Deponens aliena, ascendit unus, – wenn der Leib in Staub zerfällt, schwingt sich der Geist zum Himmel auf!“ Br. Heinrich K. war im J. 1796 zu Illnau von armen Eltern geboren und die Dürftigkeit seiner Eltern, so wie die damaligen politischen Verhältnisse bestimmten, beschränkten und drückten die Schicksale seines Jugendlebens. Seine Schulbildung war höchst mangelhaft und

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/38>, abgerufen am 23.11.2024.