Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

sich selbst zu reinigen und zu bessern, da es keine andere Reinigung und Besserung an sich geben kann, wie ja das Böse auch nur in uns selbst liegt, nur unser eigenes Werk ist. Eigenthümlich und nur aus der Grundvorstellung eines Todtenrichters, der Strenge und Milde nach Belieben üben kann, entsprungen, ist der Glaube mancher Völker, z. B. der Sinesen, der Inder, der Baktrer und selbst der Katholiken, dass die in der Hölle oder in dem Fegfeuer Befindlichen von ihren Strafen durch die Gebete und frommen Werke ihrer Kinder und anderer Zurückgelassenen befreiet und erlöset zu werden vermögen, weshalb es bei einzelnen Völkern und vorzüglich bei den Indern so wichtig ist, einen Sohn zu hinterlassen, der das Befreiungs- und Erlösungswerk des verstorbenen Vaters übernehme und betreibe. Vor der Vernunft können begreiflich alle diese frommen Todtendienste. nicht bestehen und ein Jeder muss, oder soll sich selbst befreien und erlösen. Der Vendidad, Farg. 5, 178, sagt in diesem Sinne: "Diejenigen, die böse sind, machen den Ort, der für die Schlechten bestimmt ist, - den finstern Ort, der von Finsterniss kommt, - die Finsterniss durch ihre eigenen Thaten und eigenes Gesetz, zum schlechtesten Orte." Die Seelen der Menschen sind zufolge der Auffassung des Zendvolkes gleich dem göttlichen Geiste oder Ormuzd von Ewigkeit her erschaffen, was die spätern griechischen Philosophen, besonders Pythagoras und Platon als die Präexistenz der Seele bezeichneten; da die Seelen Licht sind, nur Ausstrahlungen oder Emanationen des ewigen Lichtes, müssen sie mit diesem gleich ewig und unsterblich sein. Also nicht der Mensch, sondern seine Seele, sein Urbild, sein Ferner, sein Genius ist von Ewigkeit her und der Mensch ist blos unsterblich, indem seine Seele in das ewige Reich, in das Lichtreich wieder zurückkehrt, woher sie zur Erde in den menschlichen Körper herabgestiegen war.1) Da man in der Seele einen Funken oder ein Theil des ewigen Geistes erblickte, dachte man sich die Menschenseelen als reine Lichtwesen von Urbeginn an von Ormuzd und mit ihm erschaffen, bei ihm im ewigen Lichtreiche auf dem festen Hlimmels-

1) Röth, a. a. O., I. S. 219 in den Noten.

sich selbst zu reinigen und zu bessern, da es keine andere Reinigung und Besserung an sich geben kann, wie ja das Böse auch nur in uns selbst liegt, nur unser eigenes Werk ist. Eigenthümlich und nur aus der Grundvorstellung eines Todtenrichters, der Strenge und Milde nach Belieben üben kann, entsprungen, ist der Glaube mancher Völker, z. B. der Sinesen, der Inder, der Baktrer und selbst der Katholiken, dass die in der Hölle oder in dem Fegfeuer Befindlichen von ihren Strafen durch die Gebete und frommen Werke ihrer Kinder und anderer Zurückgelassenen befreiet und erlöset zu werden vermögen, weshalb es bei einzelnen Völkern und vorzüglich bei den Indern so wichtig ist, einen Sohn zu hinterlassen, der das Befreiungs- und Erlösungswerk des verstorbenen Vaters übernehme und betreibe. Vor der Vernunft können begreiflich alle diese frommen Todtendienste. nicht bestehen und ein Jeder muss, oder soll sich selbst befreien und erlösen. Der Vendidad, Farg. 5, 178, sagt in diesem Sinne: „Diejenigen, die böse sind, machen den Ort, der für die Schlechten bestimmt ist, – den finstern Ort, der von Finsterniss kommt, – die Finsterniss durch ihre eigenen Thaten und eigenes Gesetz, zum schlechtesten Orte.“ Die Seelen der Menschen sind zufolge der Auffassung des Zendvolkes gleich dem göttlichen Geiste oder Ormuzd von Ewigkeit her erschaffen, was die spätern griechischen Philosophen, besonders Pythagoras und Platon als die Präexistenz der Seele bezeichneten; da die Seelen Licht sind, nur Ausstrahlungen oder Emanationen des ewigen Lichtes, müssen sie mit diesem gleich ewig und unsterblich sein. Also nicht der Mensch, sondern seine Seele, sein Urbild, sein Ferner, sein Genius ist von Ewigkeit her und der Mensch ist blos unsterblich, indem seine Seele in das ewige Reich, in das Lichtreich wieder zurückkehrt, woher sie zur Erde in den menschlichen Körper herabgestiegen war.1) Da man in der Seele einen Funken oder ein Theil des ewigen Geistes erblickte, dachte man sich die Menschenseelen als reine Lichtwesen von Urbeginn an von Ormuzd und mit ihm erschaffen, bei ihm im ewigen Lichtreiche auf dem festen Hlimmels-

1) Röth, a. a. O., I. S. 219 in den Noten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="25"/>
sich selbst zu reinigen und zu bessern, da es keine andere Reinigung und Besserung an sich geben kann, wie ja das Böse auch nur in uns selbst liegt, nur unser eigenes Werk ist. Eigenthümlich und nur aus der Grundvorstellung eines Todtenrichters, der Strenge und Milde nach Belieben üben kann, entsprungen, ist der Glaube mancher Völker, z. B. der Sinesen, der Inder, der Baktrer und selbst der Katholiken, dass die in der Hölle oder in dem Fegfeuer Befindlichen von ihren Strafen durch die Gebete und frommen Werke ihrer Kinder und anderer Zurückgelassenen befreiet und erlöset zu werden vermögen, weshalb es bei einzelnen Völkern und vorzüglich bei den Indern so wichtig ist, einen Sohn zu hinterlassen, der das Befreiungs-  und Erlösungswerk des verstorbenen Vaters übernehme und betreibe. Vor der Vernunft können begreiflich alle diese frommen Todtendienste. nicht bestehen und ein Jeder muss, oder soll sich selbst befreien und erlösen. Der Vendidad, Farg. 5, 178, sagt in diesem Sinne: &#x201E;Diejenigen, die böse sind, machen den Ort, der für die Schlechten bestimmt ist, &#x2013; den finstern Ort, der von Finsterniss kommt, &#x2013; die Finsterniss durch ihre eigenen Thaten und eigenes Gesetz, zum schlechtesten Orte.&#x201C; Die Seelen der Menschen sind zufolge der Auffassung des Zendvolkes gleich dem göttlichen Geiste oder Ormuzd von Ewigkeit her erschaffen, was die spätern griechischen Philosophen, besonders Pythagoras und Platon als die Präexistenz der Seele bezeichneten; da die Seelen Licht sind, nur Ausstrahlungen oder Emanationen des ewigen Lichtes, müssen sie mit diesem gleich ewig und unsterblich sein. Also nicht der Mensch, sondern seine Seele, sein Urbild, sein Ferner, sein Genius ist von Ewigkeit her und der Mensch ist blos unsterblich, indem seine Seele in das ewige Reich, in das Lichtreich wieder zurückkehrt, woher sie zur Erde in den menschlichen Körper herabgestiegen war.<note place="foot" n="1)"> Röth, a. a. O., I. S. 219 in den Noten.<lb/></note> Da man in der Seele einen Funken oder ein Theil des ewigen Geistes erblickte, dachte man sich die Menschenseelen als reine Lichtwesen <hi rendition="#g">von Urbeginn</hi> an von Ormuzd und mit ihm erschaffen,
 bei ihm im ewigen Lichtreiche auf dem festen Hlimmels-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0045] sich selbst zu reinigen und zu bessern, da es keine andere Reinigung und Besserung an sich geben kann, wie ja das Böse auch nur in uns selbst liegt, nur unser eigenes Werk ist. Eigenthümlich und nur aus der Grundvorstellung eines Todtenrichters, der Strenge und Milde nach Belieben üben kann, entsprungen, ist der Glaube mancher Völker, z. B. der Sinesen, der Inder, der Baktrer und selbst der Katholiken, dass die in der Hölle oder in dem Fegfeuer Befindlichen von ihren Strafen durch die Gebete und frommen Werke ihrer Kinder und anderer Zurückgelassenen befreiet und erlöset zu werden vermögen, weshalb es bei einzelnen Völkern und vorzüglich bei den Indern so wichtig ist, einen Sohn zu hinterlassen, der das Befreiungs- und Erlösungswerk des verstorbenen Vaters übernehme und betreibe. Vor der Vernunft können begreiflich alle diese frommen Todtendienste. nicht bestehen und ein Jeder muss, oder soll sich selbst befreien und erlösen. Der Vendidad, Farg. 5, 178, sagt in diesem Sinne: „Diejenigen, die böse sind, machen den Ort, der für die Schlechten bestimmt ist, – den finstern Ort, der von Finsterniss kommt, – die Finsterniss durch ihre eigenen Thaten und eigenes Gesetz, zum schlechtesten Orte.“ Die Seelen der Menschen sind zufolge der Auffassung des Zendvolkes gleich dem göttlichen Geiste oder Ormuzd von Ewigkeit her erschaffen, was die spätern griechischen Philosophen, besonders Pythagoras und Platon als die Präexistenz der Seele bezeichneten; da die Seelen Licht sind, nur Ausstrahlungen oder Emanationen des ewigen Lichtes, müssen sie mit diesem gleich ewig und unsterblich sein. Also nicht der Mensch, sondern seine Seele, sein Urbild, sein Ferner, sein Genius ist von Ewigkeit her und der Mensch ist blos unsterblich, indem seine Seele in das ewige Reich, in das Lichtreich wieder zurückkehrt, woher sie zur Erde in den menschlichen Körper herabgestiegen war. 1) Da man in der Seele einen Funken oder ein Theil des ewigen Geistes erblickte, dachte man sich die Menschenseelen als reine Lichtwesen von Urbeginn an von Ormuzd und mit ihm erschaffen, bei ihm im ewigen Lichtreiche auf dem festen Hlimmels- 1) Röth, a. a. O., I. S. 219 in den Noten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/45
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/45>, abgerufen am 21.11.2024.