Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.ihm die Locken ab und stechen die kalten Philister ihm die Augen aus, ist der Sonnenheld besiegt und kraftlos; aber der Frühling, die Stärke kehrt wieder, - die Blumen und die Haare wachsen wieder. Da die Juden zur Zeit der Entstehung der Simsonsage die Bedeutung des alten Natursymbols der langen goldenen Haare als der Sonnenstrahlen nicht mehr verstanden, sagten sie, Simson habe als ein Nasir oder Gottgeweihter sich das Haar wachsen lassen, obwohl die Stärke des Simson an den Besitz und das Wachsen seiner Haare geknüpft blieb.1) Dass abgeschnittene Haare nach der Ansicht so vieler Völker, namentlich der Germanen, als Zeichen der Ergebung, der Strafe, des Schmerzes und der Knechtschaft gelten, schliesst sich genau an jene mythologische Ansicht an. Der gallische Herakles wird gleichfalls nach den davon nach Deutschland gekommenen kleinen Bronceidolen mit langem starkem Haare dargestellt.2) In der megarischen Sage von der Skylla wird ebenfalls die Eroberung der Stadt an das purpurne oder goldene Haar ihres Vaters Nisos geknüpft, das sie dem Minos zu Liebe ihm auszieht.3) Durch das Ausheben der Stadtthore von Gaza in der Nacht stellt sich Simson als den Eröffner der dunkelen Pforten der Nacht und den Bringer des Lichtes dar, wie auch der römische Janus am Morgen des Tages, des Monats und des Jahres die Thore des Lichtes öffnet und am Abend wieder schliesset, so dass er als der Gott der Lichtthore, des Lichtes erscheint. Zu Mykalesus am Meeresgestade war ein Tempel der Demeter, welchen nach der Sage Herakles, einer der idäischen Daktylen, alle Nacht schliesst und wieder öffnet.4) Steinthal, S. 139, hält es für wahrscheinlich, dass wir es hier mit einem entstellten Mythos zu thun haben, der mit dem Hinabsteigen des Herakles in die Unterwelt5) verwandt gewesen und ursprünglich dahin gelautet habe, 1) Vergl. noch Rinck, II. S. 209 ff. 2) Klemm, german. Alterthumskunde, Taf. XX. 3) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 64 oben. 4) Rinck, II. S. 157. 5) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 776 ; Preller, griech. Mythol., II. S. 154 und 167; Movers, die Phönicier, I. S. 442.
ihm die Locken ab und stechen die kalten Philister ihm die Augen aus, ist der Sonnenheld besiegt und kraftlos; aber der Frühling, die Stärke kehrt wieder, - die Blumen und die Haare wachsen wieder. Da die Juden zur Zeit der Entstehung der Simsonsage die Bedeutung des alten Natursymbols der langen goldenen Haare als der Sonnenstrahlen nicht mehr verstanden, sagten sie, Simson habe als ein Nasir oder Gottgeweihter sich das Haar wachsen lassen, obwohl die Stärke des Simson an den Besitz und das Wachsen seiner Haare geknüpft blieb.1) Dass abgeschnittene Haare nach der Ansicht so vieler Völker, namentlich der Germanen, als Zeichen der Ergebung, der Strafe, des Schmerzes und der Knechtschaft gelten, schliesst sich genau an jene mythologische Ansicht an. Der gallische Herakles wird gleichfalls nach den davon nach Deutschland gekommenen kleinen Bronceidolen mit langem starkem Haare dargestellt.2) In der megarischen Sage von der Skylla wird ebenfalls die Eroberung der Stadt an das purpurne oder goldene Haar ihres Vaters Nisos geknüpft, das sie dem Minos zu Liebe ihm auszieht.3) Durch das Ausheben der Stadtthore von Gaza in der Nacht stellt sich Simson als den Eröffner der dunkelen Pforten der Nacht und den Bringer des Lichtes dar, wie auch der römische Janus am Morgen des Tages, des Monats und des Jahres die Thore des Lichtes öffnet und am Abend wieder schliesset, so dass er als der Gott der Lichtthore, des Lichtes erscheint. Zu Mykalesus am Meeresgestade war ein Tempel der Demeter, welchen nach der Sage Herakles, einer der idäischen Daktylen, alle Nacht schliesst und wieder öffnet.4) Steinthal, S. 139, hält es für wahrscheinlich, dass wir es hier mit einem entstellten Mythos zu thun haben, der mit dem Hinabsteigen des Herakles in die Unterwelt5) verwandt gewesen und ursprünglich dahin gelautet habe, 1) Vergl. noch Rinck, II. S. 209 ff. 2) Klemm, german. Alterthumskunde, Taf. XX. 3) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 64 oben. 4) Rinck, II. S. 157. 5) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 776 ; Preller, griech. Mythol., II. S. 154 und 167; Movers, die Phönicier, I. S. 442.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0764" n="744"/> ihm die Locken ab und stechen die kalten Philister ihm die Augen aus, ist der Sonnenheld besiegt und kraftlos; aber der Frühling, die Stärke kehrt wieder, - die Blumen und die Haare wachsen wieder. Da die Juden zur Zeit der Entstehung der Simsonsage die Bedeutung des alten Natursymbols der langen goldenen Haare als der Sonnenstrahlen nicht mehr verstanden, sagten sie, Simson habe als ein Nasir oder Gottgeweihter sich das Haar wachsen lassen, obwohl die Stärke des Simson an den Besitz und das Wachsen seiner Haare geknüpft blieb.<note place="foot" n="1)">Vergl. noch Rinck, II. S. 209 ff.<lb/></note> Dass abgeschnittene Haare nach der Ansicht so vieler Völker, namentlich der Germanen, als Zeichen der Ergebung, der Strafe, des Schmerzes und der Knechtschaft gelten, schliesst sich genau an jene mythologische Ansicht an. Der gallische Herakles wird gleichfalls nach den davon nach Deutschland gekommenen kleinen Bronceidolen mit langem starkem Haare dargestellt.<note place="foot" n="2)">Klemm, german. Alterthumskunde, Taf. XX.<lb/></note> In der megarischen Sage von der Skylla wird ebenfalls die Eroberung der Stadt an das purpurne oder goldene Haar ihres Vaters Nisos geknüpft, das sie dem Minos zu Liebe ihm auszieht.<note place="foot" n="3)">Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 64 oben.<lb/></note> Durch das <hi rendition="#g">Ausheben </hi>der Stadtthore von Gaza <hi rendition="#g">in der Nacht</hi> stellt sich Simson als den Eröffner der dunkelen Pforten der Nacht und den Bringer des Lichtes dar, wie auch der römische Janus am Morgen des Tages, des Monats und des Jahres die Thore des Lichtes öffnet und am Abend wieder schliesset, so dass er als der Gott der Lichtthore, des Lichtes erscheint. Zu Mykalesus am Meeresgestade war ein Tempel der Demeter, welchen nach der Sage Herakles, einer der idäischen Daktylen, alle Nacht schliesst und wieder öffnet.<note place="foot" n="4)">Rinck, II. S. 157.<lb/></note> Steinthal, S. 139, hält es für wahrscheinlich, dass wir es hier mit einem entstellten Mythos zu thun haben, der mit dem Hinabsteigen des Herakles in die Unterwelt<note place="foot" n="5)">Welker, griech. Götterlehre, II. S. 776 ; Preller, griech. Mythol., II. S. 154 und 167; Movers, die Phönicier, I. S. 442.<lb/></note> verwandt gewesen und ursprünglich dahin gelautet habe, </p> </div> </body> </text> </TEI> [744/0764]
ihm die Locken ab und stechen die kalten Philister ihm die Augen aus, ist der Sonnenheld besiegt und kraftlos; aber der Frühling, die Stärke kehrt wieder, - die Blumen und die Haare wachsen wieder. Da die Juden zur Zeit der Entstehung der Simsonsage die Bedeutung des alten Natursymbols der langen goldenen Haare als der Sonnenstrahlen nicht mehr verstanden, sagten sie, Simson habe als ein Nasir oder Gottgeweihter sich das Haar wachsen lassen, obwohl die Stärke des Simson an den Besitz und das Wachsen seiner Haare geknüpft blieb. 1) Dass abgeschnittene Haare nach der Ansicht so vieler Völker, namentlich der Germanen, als Zeichen der Ergebung, der Strafe, des Schmerzes und der Knechtschaft gelten, schliesst sich genau an jene mythologische Ansicht an. Der gallische Herakles wird gleichfalls nach den davon nach Deutschland gekommenen kleinen Bronceidolen mit langem starkem Haare dargestellt. 2) In der megarischen Sage von der Skylla wird ebenfalls die Eroberung der Stadt an das purpurne oder goldene Haar ihres Vaters Nisos geknüpft, das sie dem Minos zu Liebe ihm auszieht. 3) Durch das Ausheben der Stadtthore von Gaza in der Nacht stellt sich Simson als den Eröffner der dunkelen Pforten der Nacht und den Bringer des Lichtes dar, wie auch der römische Janus am Morgen des Tages, des Monats und des Jahres die Thore des Lichtes öffnet und am Abend wieder schliesset, so dass er als der Gott der Lichtthore, des Lichtes erscheint. Zu Mykalesus am Meeresgestade war ein Tempel der Demeter, welchen nach der Sage Herakles, einer der idäischen Daktylen, alle Nacht schliesst und wieder öffnet. 4) Steinthal, S. 139, hält es für wahrscheinlich, dass wir es hier mit einem entstellten Mythos zu thun haben, der mit dem Hinabsteigen des Herakles in die Unterwelt 5) verwandt gewesen und ursprünglich dahin gelautet habe,
1) Vergl. noch Rinck, II. S. 209 ff.
2) Klemm, german. Alterthumskunde, Taf. XX.
3) Schwartz, Ursprung der Mythol., S. 64 oben.
4) Rinck, II. S. 157.
5) Welker, griech. Götterlehre, II. S. 776 ; Preller, griech. Mythol., II. S. 154 und 167; Movers, die Phönicier, I. S. 442.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |