Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.des Thurmes wundervolle Spitze durch Meister Johannes Hültz von Cöln vollendet und mit dem Marienbilde gekrönt worden war.1) In der Johannisnacht nun, wenn es Mitternacht von dem Thurme niederhallet, erheben sich aus ihren Gräbern die alten Meister, welche das Münster erbauet haben, mit ihren Gesellen und Gehülfen; die den Grüften entsteigenden Meister tragen den Meisterstab und Zirkel, die Steinmetzen das Richtscheit in Händen und begrüssen sich mit traulichem Händedrucke, sich des minniglichen Wiedersehens freuend. Ein unendliches Geisterwogen erfüllet das Münster und strömt zum Portale hinaus, dort den Münsterbau umziehend und umschwebend. Eine Jungfrau (Sabina2)) in weissem Gewande, den Meissel in der Linken und den Hammer in der Rechten, umkreiset Erwin's luftigen Vorderbau und erhebt sich auf- und niedersteigend bis zu dessen höchster Spitze. Doch wenn die erste Morgenstunde schlägt, kehren im Nu die Geister in das kühle Grab der Erde zurück, um darin wieder bis zur nächsten Johannisnacht zu schlafen. - Der Tag Johannis des Täufers hatte auch bei der Abtei Zürich insofern eine gewisse Bedeutung, als an ihm von den Tavernen der Aebtissin gezinset werden musste.3) Im Elsass ist der Glaube nicht selten, dass gewisse Flüsse und Seen alljährlich am Johannistage einen Menschen zum Opfer verlangen und zwar meistens ein unschuldiges Kind, was 1) Lübke, Gesch. der Architektur, S. 460. 2) Sabina galt bisher stets als die ausgezeichnete Tochter des grossen Erwin von Steinbach: allein neuerlich hat Dr. Schneegans, Stadtarchivar zu Strassburg, diese Ueberlieferung als durchaus irrig angegriffen und behauptet, dass Erwin weder eine Tochter Sabina noch einen Sohn Johannes hatte, und dass die berühmte Bildhauerin Sabina 100 Jahre vor Erwin gelebt habe. Vergl. Stöber, a. a. O., S. 482 und 496; Klemm, die Frauen, V. (Dresden 1858) und die götting. gelehrt. Anzeigen für 1861 nennen noch die Sabina eine Tochter Erwin's von Steinbach. Heideloff in seiner in der maurerischen Literatur leider sehr wenig beachteten "Bauhütte des Mittelalters in Deutschland," Nürnberg 1844, S. 14 oben und 20, hat das Verhältniss nicht berührt und berichtet blos, dass Erwin im J. 1270 aus der berühmten Bauschule des Benediktinermönches Albertus Argentinus hervorgegangen sei und sich mit seiner Familie in Strassburg niedergelassen habe. 3) Mittheilungen der antiq. Gesellsch. in Zürich, VIII. S. 56 oben.
des Thurmes wundervolle Spitze durch Meister Johannes Hültz von Cöln vollendet und mit dem Marienbilde gekrönt worden war.1) In der Johannisnacht nun, wenn es Mitternacht von dem Thurme niederhallet, erheben sich aus ihren Gräbern die alten Meister, welche das Münster erbauet haben, mit ihren Gesellen und Gehülfen; die den Grüften entsteigenden Meister tragen den Meisterstab und Zirkel, die Steinmetzen das Richtscheit in Händen und begrüssen sich mit traulichem Händedrucke, sich des minniglichen Wiedersehens freuend. Ein unendliches Geisterwogen erfüllet das Münster und strömt zum Portale hinaus, dort den Münsterbau umziehend und umschwebend. Eine Jungfrau (Sabina2)) in weissem Gewande, den Meissel in der Linken und den Hammer in der Rechten, umkreiset Erwin’s luftigen Vorderbau und erhebt sich auf- und niedersteigend bis zu dessen höchster Spitze. Doch wenn die erste Morgenstunde schlägt, kehren im Nu die Geister in das kühle Grab der Erde zurück, um darin wieder bis zur nächsten Johannisnacht zu schlafen. – Der Tag Johannis des Täufers hatte auch bei der Abtei Zürich insofern eine gewisse Bedeutung, als an ihm von den Tavernen der Aebtissin gezinset werden musste.3) Im Elsass ist der Glaube nicht selten, dass gewisse Flüsse und Seen alljährlich am Johannistage einen Menschen zum Opfer verlangen und zwar meistens ein unschuldiges Kind, was 1) Lübke, Gesch. der Architektur, S. 460. 2) Sabina galt bisher stets als die ausgezeichnete Tochter des grossen Erwin von Steinbach: allein neuerlich hat Dr. Schneegans, Stadtarchivar zu Strassburg, diese Ueberlieferung als durchaus irrig angegriffen und behauptet, dass Erwin weder eine Tochter Sabina noch einen Sohn Johannes hatte, und dass die berühmte Bildhauerin Sabina 100 Jahre vor Erwin gelebt habe. Vergl. Stöber, a. a. O., S. 482 und 496; Klemm, die Frauen, V. (Dresden 1858) und die götting. gelehrt. Anzeigen für 1861 nennen noch die Sabina eine Tochter Erwin’s von Steinbach. Heideloff in seiner in der maurerischen Literatur leider sehr wenig beachteten „Bauhütte des Mittelalters in Deutschland,“ Nürnberg 1844, S. 14 oben und 20, hat das Verhältniss nicht berührt und berichtet blos, dass Erwin im J. 1270 aus der berühmten Bauschule des Benediktinermönches Albertus Argentinus hervorgegangen sei und sich mit seiner Familie in Strassburg niedergelassen habe. 3) Mittheilungen der antiq. Gesellsch. in Zürich, VIII. S. 56 oben.
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des Thurmes wundervolle Spitze durch Meister Johannes Hültz von Cöln vollendet und mit dem Marienbilde gekrönt worden war. 1) In der Johannisnacht nun, wenn es Mitternacht von dem Thurme niederhallet, erheben sich aus ihren Gräbern die alten Meister, welche das Münster erbauet haben, mit ihren Gesellen und Gehülfen; die den Grüften entsteigenden Meister tragen den Meisterstab und Zirkel, die Steinmetzen das Richtscheit in Händen und begrüssen sich mit traulichem Händedrucke, sich des minniglichen Wiedersehens freuend. Ein unendliches Geisterwogen erfüllet das Münster und strömt zum Portale hinaus, dort den Münsterbau umziehend und umschwebend. Eine Jungfrau (Sabina 2)) in weissem Gewande, den Meissel in der Linken und den Hammer in der Rechten, umkreiset Erwin’s luftigen Vorderbau und erhebt sich auf- und niedersteigend bis zu dessen höchster Spitze. Doch wenn die erste Morgenstunde schlägt, kehren im Nu die Geister in das kühle Grab der Erde zurück, um darin wieder bis zur nächsten Johannisnacht zu schlafen. – Der Tag Johannis des Täufers hatte auch bei der Abtei Zürich insofern eine gewisse Bedeutung, als an ihm von den Tavernen der Aebtissin gezinset werden musste. 3) Im Elsass ist der Glaube nicht selten, dass gewisse Flüsse und Seen alljährlich am Johannistage einen Menschen zum Opfer verlangen und zwar meistens ein unschuldiges Kind, was
1) Lübke, Gesch. der Architektur, S. 460.
2) Sabina galt bisher stets als die ausgezeichnete Tochter des grossen Erwin von Steinbach: allein neuerlich hat Dr. Schneegans, Stadtarchivar zu Strassburg, diese Ueberlieferung als durchaus irrig angegriffen und behauptet, dass Erwin weder eine Tochter Sabina noch einen Sohn Johannes hatte, und dass die berühmte Bildhauerin Sabina 100 Jahre vor Erwin gelebt habe. Vergl. Stöber, a. a. O., S. 482 und 496; Klemm, die Frauen, V. (Dresden 1858) und die götting. gelehrt. Anzeigen für 1861 nennen noch die Sabina eine Tochter Erwin’s von Steinbach. Heideloff in seiner in der maurerischen Literatur leider sehr wenig beachteten „Bauhütte des Mittelalters in Deutschland,“ Nürnberg 1844, S. 14 oben und 20, hat das Verhältniss nicht berührt und berichtet blos, dass Erwin im J. 1270 aus der berühmten Bauschule des Benediktinermönches Albertus Argentinus hervorgegangen sei und sich mit seiner Familie in Strassburg niedergelassen habe.
3) Mittheilungen der antiq. Gesellsch. in Zürich, VIII. S. 56 oben.
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