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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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nämlichen Grunde geschieht. Justus Moeser, Eichhorn, Rogge, Phillips, Unger und Andere nennen daher auch mit Recht die Dorf- und Landgemeinden die Grundlage aller germanischen Staatsverfassung, obwohl damit nur eine sehr einleuchtende und einfache Thatsache ausgesprochen wird. Die angelsächsischen Zwölf- oder Zehnschaften hatten gewiss auch nach der Besitznahme des Landes noch längere Zeit die alte militärische Bedeutung, mussten zum Schwerte greifen, wenn es dem Kampfe galt, und standen als Krieger wie als Hofbesitzer gegenseitig vollkommen gleich; alles dieses änderte sich jedoch, die alten Frithborgen zerfielen, als die Militär- und Grundbesitzverhältnisse sich änderten und umgestalteten; jedoch die eingreifendste Veränderung erfolgte mit dem Aufkommen der Städte, indem hier die hofrechtlichen, die landwirthschaftlichen Verhältnisse, - der Gutsbesitz in den Hintergrund treten mussten. In den Städten hatten nun die angelsächsischen Friedegilden, Schutzgilden, die anderwärts als convivia, amicitiae, fraternitates, chorae erscheinen, die neuen Bedürfnisse und Zwecke neben noch vorhandenen alten zu erfüllen; gerade der erweiterte Zweck mag die Annahme eines andern Namens veranlasst haben. Die städtische Gilde, der städtische Schutzverein kam sehr leicht, höchst wahrscheinlich unter den Einwirkungen der Kirche dazu, die Armen-, Kranken- und Todtenpflege der Gildengenossen in ihr Bereich aufzunehmen und auch eine kirchliche Bruderschaft zu sein. Waren die ältern Frithborgen Schutzvereine der Krieger und Hofbesitzer, vereinten sich in den Gilden die städtischen Gewerbsgenossenschaften und kirchlichen Bruderschaften; nur darin standen jetzt die Frithborgen den neuen Friedegilden gleich, dass beide politisch gleich bedeutungslos und unterworfen waren. Das Gildestatut, welches unter König Athelstan für die Stadt London errichtet wurde, galt zugleich als allgemeines Landesstatut und war in dem bezeichneten Sinne verfasst, indem es nicht allein die Verfolgung und Bestrafung der Uebelthäter verordnete, sondern auch verarmte Mitglieder unterstützte und den Verstorbenen Seelenmessen lesen liess.1) Die unter dem städte- und gildengründenden

1) Unger, S. 41.

nämlichen Grunde geschieht. Justus Moeser, Eichhorn, Rogge, Phillips, Unger und Andere nennen daher auch mit Recht die Dorf- und Landgemeinden die Grundlage aller germanischen Staatsverfassung, obwohl damit nur eine sehr einleuchtende und einfache Thatsache ausgesprochen wird. Die angelsächsischen Zwölf- oder Zehnschaften hatten gewiss auch nach der Besitznahme des Landes noch längere Zeit die alte militärische Bedeutung, mussten zum Schwerte greifen, wenn es dem Kampfe galt, und standen als Krieger wie als Hofbesitzer gegenseitig vollkommen gleich; alles dieses änderte sich jedoch, die alten Frithborgen zerfielen, als die Militär- und Grundbesitzverhältnisse sich änderten und umgestalteten; jedoch die eingreifendste Veränderung erfolgte mit dem Aufkommen der Städte, indem hier die hofrechtlichen, die landwirthschaftlichen Verhältnisse, – der Gutsbesitz in den Hintergrund treten mussten. In den Städten hatten nun die angelsächsischen Friedegilden, Schutzgilden, die anderwärts als convivia, amicitiae, fraternitates, chorae erscheinen, die neuen Bedürfnisse und Zwecke neben noch vorhandenen alten zu erfüllen; gerade der erweiterte Zweck mag die Annahme eines andern Namens veranlasst haben. Die städtische Gilde, der städtische Schutzverein kam sehr leicht, höchst wahrscheinlich unter den Einwirkungen der Kirche dazu, die Armen-, Kranken- und Todtenpflege der Gildengenossen in ihr Bereich aufzunehmen und auch eine kirchliche Bruderschaft zu sein. Waren die ältern Frithborgen Schutzvereine der Krieger und Hofbesitzer, vereinten sich in den Gilden die städtischen Gewerbsgenossenschaften und kirchlichen Bruderschaften; nur darin standen jetzt die Frithborgen den neuen Friedegilden gleich, dass beide politisch gleich bedeutungslos und unterworfen waren. Das Gildestatut, welches unter König Athelstan für die Stadt London errichtet wurde, galt zugleich als allgemeines Landesstatut und war in dem bezeichneten Sinne verfasst, indem es nicht allein die Verfolgung und Bestrafung der Uebelthäter verordnete, sondern auch verarmte Mitglieder unterstützte und den Verstorbenen Seelenmessen lesen liess.1) Die unter dem städte- und gildengründenden

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[584/0604] nämlichen Grunde geschieht. Justus Moeser, Eichhorn, Rogge, Phillips, Unger und Andere nennen daher auch mit Recht die Dorf- und Landgemeinden die Grundlage aller germanischen Staatsverfassung, obwohl damit nur eine sehr einleuchtende und einfache Thatsache ausgesprochen wird. Die angelsächsischen Zwölf- oder Zehnschaften hatten gewiss auch nach der Besitznahme des Landes noch längere Zeit die alte militärische Bedeutung, mussten zum Schwerte greifen, wenn es dem Kampfe galt, und standen als Krieger wie als Hofbesitzer gegenseitig vollkommen gleich; alles dieses änderte sich jedoch, die alten Frithborgen zerfielen, als die Militär- und Grundbesitzverhältnisse sich änderten und umgestalteten; jedoch die eingreifendste Veränderung erfolgte mit dem Aufkommen der Städte, indem hier die hofrechtlichen, die landwirthschaftlichen Verhältnisse, – der Gutsbesitz in den Hintergrund treten mussten. In den Städten hatten nun die angelsächsischen Friedegilden, Schutzgilden, die anderwärts als convivia, amicitiae, fraternitates, chorae erscheinen, die neuen Bedürfnisse und Zwecke neben noch vorhandenen alten zu erfüllen; gerade der erweiterte Zweck mag die Annahme eines andern Namens veranlasst haben. Die städtische Gilde, der städtische Schutzverein kam sehr leicht, höchst wahrscheinlich unter den Einwirkungen der Kirche dazu, die Armen-, Kranken- und Todtenpflege der Gildengenossen in ihr Bereich aufzunehmen und auch eine kirchliche Bruderschaft zu sein. Waren die ältern Frithborgen Schutzvereine der Krieger und Hofbesitzer, vereinten sich in den Gilden die städtischen Gewerbsgenossenschaften und kirchlichen Bruderschaften; nur darin standen jetzt die Frithborgen den neuen Friedegilden gleich, dass beide politisch gleich bedeutungslos und unterworfen waren. Das Gildestatut, welches unter König Athelstan für die Stadt London errichtet wurde, galt zugleich als allgemeines Landesstatut und war in dem bezeichneten Sinne verfasst, indem es nicht allein die Verfolgung und Bestrafung der Uebelthäter verordnete, sondern auch verarmte Mitglieder unterstützte und den Verstorbenen Seelenmessen lesen liess. 1) Die unter dem städte- und gildengründenden 1) Unger, S. 41.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/604>, abgerufen am 22.11.2024.