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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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tung ertheilt haben,1) was von ihrem grossen Scharfsinne und tiefen Menschenkenntniss zeugt. Ihr Gottesdienst nahm den ganzen körperlichen Menschen in Anspruch, strebte den Körper und durch diesen den Geist zu lenken, welcher Charakter des alten ägyptischen Gottesdienstes vorzüglich auf den christlichen Gottesdienst der Griechen und Römer übergegangen ist, so dass derselbe nicht selten, z. B. bei den Russen, zu einer förmlichen und ermüdenden Arbeit wird. Plato sagte in den Gesetzen, dass Gott uns das Mass ([fremdsprachliches Material]) aller Dinge sei und der Gott Wohlgefällige daher auch mässig ([fremdsprachliches Material]) sein, d. h. nach dem göttlichen Willen und Gesetze, recht und vernünftig, oder zufolge Zarathustra nach dem Lichtgesetze als ein Reiner leben müsse. Diesen Platonischen Satz hatten die ägyptischen Priester zunächst als einen rein äusserlichen gefasst und massen im wahren Sinne des Wortes alle gottesdienstlichen Handlungen und Bewegungen, so dass sie in aller Hinsicht als die Erfinder und Einrichter des ceremoniellen Gottesdienstes in den Kleidungen, Götterbildern, Processionen, Fahnen u. s. w. sich darstellen. Das jetzt bei den Christen und bei den Katholiken zum Gebete übliche Händefalten, In- und Uebereinanderschlagen der Hände ist in seiner tiefern und orientalischen Bedeutung gleich den über der Brust gekreuzten Armen und gleich dem Beugen der Kniee nur eine Selbstfesselung, eine Demüthigung vor Gott und die Ergebung in den göttlichen Willen.2) So schreibt der Papst Nikolaus I. an die zum Christenthum bekehrten Bulgaren im J. 860, nachdem er versichert hat, dass dies Händefalten kein Befehl der Kirche sei, aber doch eine freie äusserliche Zucht: "Im Evangelium werden die Bösen an Händen und Füssen gebunden. Was thun nun Die, welche ihre Hände vor dem Herrn binden, Anderes, dass sie damit Gott gleichsam zurufen: Herr, befiehl nicht, dass mir die Hände gebunden werden, und dass man mich an die äusserste Finsterniss werfe. Denn siehe, ich habe mir die Hände selbst gebunden und bin bereit, mich stäupen zu lassen."3)

1) Symbolik, I. S, 116 ff.
2) Böttiger, K. M., I. S. 51 ff.
3) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 91.

tung ertheilt haben,1) was von ihrem grossen Scharfsinne und tiefen Menschenkenntniss zeugt. Ihr Gottesdienst nahm den ganzen körperlichen Menschen in Anspruch, strebte den Körper und durch diesen den Geist zu lenken, welcher Charakter des alten ägyptischen Gottesdienstes vorzüglich auf den christlichen Gottesdienst der Griechen und Römer übergegangen ist, so dass derselbe nicht selten, z. B. bei den Russen, zu einer förmlichen und ermüdenden Arbeit wird. Plato sagte in den Gesetzen, dass Gott uns das Mass ([fremdsprachliches Material]) aller Dinge sei und der Gott Wohlgefällige daher auch mässig ([fremdsprachliches Material]) sein, d. h. nach dem göttlichen Willen und Gesetze, recht und vernünftig, oder zufolge Zarathustra nach dem Lichtgesetze als ein Reiner leben müsse. Diesen Platonischen Satz hatten die ägyptischen Priester zunächst als einen rein äusserlichen gefasst und massen im wahren Sinne des Wortes alle gottesdienstlichen Handlungen und Bewegungen, so dass sie in aller Hinsicht als die Erfinder und Einrichter des ceremoniellen Gottesdienstes in den Kleidungen, Götterbildern, Processionen, Fahnen u. s. w. sich darstellen. Das jetzt bei den Christen und bei den Katholiken zum Gebete übliche Händefalten, In- und Uebereinanderschlagen der Hände ist in seiner tiefern und orientalischen Bedeutung gleich den über der Brust gekreuzten Armen und gleich dem Beugen der Kniee nur eine Selbstfesselung, eine Demüthigung vor Gott und die Ergebung in den göttlichen Willen.2) So schreibt der Papst Nikolaus I. an die zum Christenthum bekehrten Bulgaren im J. 860, nachdem er versichert hat, dass dies Händefalten kein Befehl der Kirche sei, aber doch eine freie äusserliche Zucht: „Im Evangelium werden die Bösen an Händen und Füssen gebunden. Was thun nun Die, welche ihre Hände vor dem Herrn binden, Anderes, dass sie damit Gott gleichsam zurufen: Herr, befiehl nicht, dass mir die Hände gebunden werden, und dass man mich an die äusserste Finsterniss werfe. Denn siehe, ich habe mir die Hände selbst gebunden und bin bereit, mich stäupen zu lassen.“3)

1) Symbolik, I. S, 116 ff.
2) Böttiger, K. M., I. S. 51 ff.
3) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 91.
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[76/0096] tung ertheilt haben, 1) was von ihrem grossen Scharfsinne und tiefen Menschenkenntniss zeugt. Ihr Gottesdienst nahm den ganzen körperlichen Menschen in Anspruch, strebte den Körper und durch diesen den Geist zu lenken, welcher Charakter des alten ägyptischen Gottesdienstes vorzüglich auf den christlichen Gottesdienst der Griechen und Römer übergegangen ist, so dass derselbe nicht selten, z. B. bei den Russen, zu einer förmlichen und ermüdenden Arbeit wird. Plato sagte in den Gesetzen, dass Gott uns das Mass (_ ) aller Dinge sei und der Gott Wohlgefällige daher auch mässig (_ ) sein, d. h. nach dem göttlichen Willen und Gesetze, recht und vernünftig, oder zufolge Zarathustra nach dem Lichtgesetze als ein Reiner leben müsse. Diesen Platonischen Satz hatten die ägyptischen Priester zunächst als einen rein äusserlichen gefasst und massen im wahren Sinne des Wortes alle gottesdienstlichen Handlungen und Bewegungen, so dass sie in aller Hinsicht als die Erfinder und Einrichter des ceremoniellen Gottesdienstes in den Kleidungen, Götterbildern, Processionen, Fahnen u. s. w. sich darstellen. Das jetzt bei den Christen und bei den Katholiken zum Gebete übliche Händefalten, In- und Uebereinanderschlagen der Hände ist in seiner tiefern und orientalischen Bedeutung gleich den über der Brust gekreuzten Armen und gleich dem Beugen der Kniee nur eine Selbstfesselung, eine Demüthigung vor Gott und die Ergebung in den göttlichen Willen. 2) So schreibt der Papst Nikolaus I. an die zum Christenthum bekehrten Bulgaren im J. 860, nachdem er versichert hat, dass dies Händefalten kein Befehl der Kirche sei, aber doch eine freie äusserliche Zucht: „Im Evangelium werden die Bösen an Händen und Füssen gebunden. Was thun nun Die, welche ihre Hände vor dem Herrn binden, Anderes, dass sie damit Gott gleichsam zurufen: Herr, befiehl nicht, dass mir die Hände gebunden werden, und dass man mich an die äusserste Finsterniss werfe. Denn siehe, ich habe mir die Hände selbst gebunden und bin bereit, mich stäupen zu lassen.“ 3) 1) Symbolik, I. S, 116 ff. 2) Böttiger, K. M., I. S. 51 ff. 3) Böttiger, kleine Schriften, I. S. 91.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/96>, abgerufen am 21.11.2024.