Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

"Aber, könnte hier jemand einwerfen,
wenn auch das Seelenstudium überhaupt diese
Vortheile gewähren kann; so lassen sich die-
selben doch schwerlich von dem Studium der
Kriminalpsychologie erwarten. Die Betrach-
tung verbrecherischer Handlungen kann unmög-
lich interessant seyn, kann nicht die Gefühle
des Wohlwollens und der Theilnehmung be-
leben, den Sinn des Menschen nicht veredlen
und den Glauben an den Schöpfer der Men-
schen nicht stärken! Sie wird vielmehr den
Geist von der Betrachtung des Menschen zu-
rückschrecken, misanthropische Gesinnungen
und Mismuth hervorbringen, und quälende
Zweifel an der Weisheit und Liebe des Urhe-
bers der Menschen ins Herz legen."

Ich gebe zu, dass eine einseitige Betrach-
tung der Verbrechen jene Vortheile nicht ge-
währen, und diese Nachtheile haben könne.
Allein ganz andere Wirkung hat das Studium
der Kriminalpsychologie. -- Verbrechen sind

frey-

„Aber, könnte hier jemand einwerfen,
wenn auch das Seelenſtudium überhaupt dieſe
Vortheile gewähren kann; ſo laſſen ſich die-
ſelben doch ſchwerlich von dem Studium der
Kriminalpſychologie erwarten. Die Betrach-
tung verbrecheriſcher Handlungen kann unmög-
lich intereſſant ſeyn, kann nicht die Gefühle
des Wohlwollens und der Theilnehmung be-
leben, den Sinn des Menſchen nicht veredlen
und den Glauben an den Schöpfer der Men-
ſchen nicht ſtärken! Sie wird vielmehr den
Geiſt von der Betrachtung des Menſchen zu-
rückſchrecken, miſanthropiſche Geſinnungen
und Mismuth hervorbringen, und quälende
Zweifel an der Weisheit und Liebe des Urhe-
bers der Menſchen ins Herz legen.„

Ich gebe zu, daſs eine einſeitige Betrach-
tung der Verbrechen jene Vortheile nicht ge-
währen, und dieſe Nachtheile haben könne.
Allein ganz andere Wirkung hat das Studium
der Kriminalpſychologie. — Verbrechen ſind

frey-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0104" n="102"/>
            <p>&#x201E;Aber, könnte hier jemand einwerfen,<lb/>
wenn auch das Seelen&#x017F;tudium <hi rendition="#i">überhaupt</hi> die&#x017F;e<lb/>
Vortheile gewähren kann; &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die-<lb/>
&#x017F;elben doch &#x017F;chwerlich von dem Studium der<lb/>
Kriminalp&#x017F;ychologie erwarten. Die Betrach-<lb/>
tung <hi rendition="#i">verbrecheri&#x017F;cher</hi> Handlungen kann unmög-<lb/>
lich intere&#x017F;&#x017F;ant &#x017F;eyn, kann nicht die Gefühle<lb/>
des Wohlwollens und der Theilnehmung be-<lb/>
leben, den Sinn des Men&#x017F;chen nicht veredlen<lb/>
und den Glauben an den Schöpfer der Men-<lb/>
&#x017F;chen nicht &#x017F;tärken! Sie wird vielmehr den<lb/>
Gei&#x017F;t von der Betrachtung des Men&#x017F;chen zu-<lb/>
rück&#x017F;chrecken, mi&#x017F;anthropi&#x017F;che Ge&#x017F;innungen<lb/>
und Mismuth hervorbringen, und quälende<lb/>
Zweifel an der Weisheit und Liebe des Urhe-<lb/>
bers der Men&#x017F;chen ins Herz legen.&#x201E;</p><lb/>
            <p>Ich gebe zu, da&#x017F;s eine ein&#x017F;eitige Betrach-<lb/>
tung der <hi rendition="#i">Verbrechen</hi> jene Vortheile nicht ge-<lb/>
währen, und die&#x017F;e Nachtheile haben könne.<lb/>
Allein ganz andere Wirkung hat das Studium<lb/>
der Kriminalp&#x017F;ychologie. &#x2014; Verbrechen &#x017F;ind<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">frey-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0104] „Aber, könnte hier jemand einwerfen, wenn auch das Seelenſtudium überhaupt dieſe Vortheile gewähren kann; ſo laſſen ſich die- ſelben doch ſchwerlich von dem Studium der Kriminalpſychologie erwarten. Die Betrach- tung verbrecheriſcher Handlungen kann unmög- lich intereſſant ſeyn, kann nicht die Gefühle des Wohlwollens und der Theilnehmung be- leben, den Sinn des Menſchen nicht veredlen und den Glauben an den Schöpfer der Men- ſchen nicht ſtärken! Sie wird vielmehr den Geiſt von der Betrachtung des Menſchen zu- rückſchrecken, miſanthropiſche Geſinnungen und Mismuth hervorbringen, und quälende Zweifel an der Weisheit und Liebe des Urhe- bers der Menſchen ins Herz legen.„ Ich gebe zu, daſs eine einſeitige Betrach- tung der Verbrechen jene Vortheile nicht ge- währen, und dieſe Nachtheile haben könne. Allein ganz andere Wirkung hat das Studium der Kriminalpſychologie. — Verbrechen ſind frey-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/104
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/104>, abgerufen am 21.11.2024.