Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschäfften, Sorgen und Verdriesslichkeiten
fast unmöglich werde, gegen den hartnäcki-
gen oder alle gutgemeynten Versuche verhöh-
nenden Verbrecher gleichmüthig, sanft und
gelassen zu bleiben? -- Nein, mein Freund,
das alles habe ich nicht vergessen. Ich habe
wohl daran gedacht, dass das Verfahren des
Richters auf Menschen zu berechnen sey, die
für Verbrecher gehalten werden; aber wenn
Sie dieses Wort blos an den im Betrügen,
Rauben und Morden geübten Bösewicht erin-
nert; so ruft es mir zugleich vor die Seele das
Bild eines unglücklichen Mädchens, das in
der Stunde der Schmerzen, aus Angst vor dem
Namen einer Geschändeten, dem Gram ge-
liebter Eltern, der Beschimpfung seiner Fa-
milie, ein Gesetz des Staats, gewiss mit
blutendem Herzen, verlezt; das Bild eines
Jünglings voll Leben und Kraft, dem die aus
einer edlen Quelle entspringende Leidenschaft
in dem Moment der Unbesonnenheit eine mit

dem
C 3

Geſchäfften, Sorgen und Verdrieſslichkeiten
faſt unmöglich werde, gegen den hartnäcki-
gen oder alle gutgemeynten Verſuche verhöh-
nenden Verbrecher gleichmüthig, ſanft und
gelaſſen zu bleiben? — Nein, mein Freund,
das alles habe ich nicht vergeſſen. Ich habe
wohl daran gedacht, daſs das Verfahren des
Richters auf Menſchen zu berechnen ſey, die
für Verbrecher gehalten werden; aber wenn
Sie dieſes Wort blos an den im Betrügen,
Rauben und Morden geübten Böſewicht erin-
nert; ſo ruft es mir zugleich vor die Seele das
Bild eines unglücklichen Mädchens, das in
der Stunde der Schmerzen, aus Angſt vor dem
Namen einer Geſchändeten, dem Gram ge-
liebter Eltern, der Beſchimpfung ſeiner Fa-
milie, ein Geſetz des Staats, gewiſs mit
blutendem Herzen, verlezt; das Bild eines
Jünglings voll Leben und Kraft, dem die aus
einer edlen Quelle entſpringende Leidenſchaft
in dem Moment der Unbeſonnenheit eine mit

dem
C 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="37"/>
Ge&#x017F;chäfften, Sorgen und Verdrie&#x017F;slichkeiten<lb/>
fa&#x017F;t unmöglich werde, gegen den hartnäcki-<lb/>
gen oder alle gutgemeynten Ver&#x017F;uche verhöh-<lb/>
nenden Verbrecher gleichmüthig, &#x017F;anft und<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en zu bleiben? &#x2014; Nein, mein Freund,<lb/>
das alles habe ich nicht verge&#x017F;&#x017F;en. Ich habe<lb/>
wohl daran gedacht, da&#x017F;s das Verfahren des<lb/>
Richters auf Men&#x017F;chen zu berechnen &#x017F;ey, die<lb/>
für Verbrecher gehalten werden; aber wenn<lb/><hi rendition="#i">Sie</hi> die&#x017F;es Wort blos an den im Betrügen,<lb/>
Rauben und Morden geübten <hi rendition="#i">&#x017F;ewicht</hi> erin-<lb/>
nert; &#x017F;o ruft es <hi rendition="#i">mir</hi> zugleich vor die Seele das<lb/>
Bild eines unglücklichen Mädchens, das in<lb/>
der Stunde der Schmerzen, aus Ang&#x017F;t vor dem<lb/>
Namen einer Ge&#x017F;chändeten, dem Gram ge-<lb/>
liebter Eltern, der Be&#x017F;chimpfung &#x017F;einer Fa-<lb/>
milie, ein Ge&#x017F;etz des Staats, gewi&#x017F;s mit<lb/>
blutendem Herzen, verlezt; das Bild eines<lb/>
Jünglings voll Leben und Kraft, dem die aus<lb/>
einer edlen Quelle ent&#x017F;pringende Leiden&#x017F;chaft<lb/>
in dem Moment der Unbe&#x017F;onnenheit eine mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 3</fw> <fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0039] Geſchäfften, Sorgen und Verdrieſslichkeiten faſt unmöglich werde, gegen den hartnäcki- gen oder alle gutgemeynten Verſuche verhöh- nenden Verbrecher gleichmüthig, ſanft und gelaſſen zu bleiben? — Nein, mein Freund, das alles habe ich nicht vergeſſen. Ich habe wohl daran gedacht, daſs das Verfahren des Richters auf Menſchen zu berechnen ſey, die für Verbrecher gehalten werden; aber wenn Sie dieſes Wort blos an den im Betrügen, Rauben und Morden geübten Böſewicht erin- nert; ſo ruft es mir zugleich vor die Seele das Bild eines unglücklichen Mädchens, das in der Stunde der Schmerzen, aus Angſt vor dem Namen einer Geſchändeten, dem Gram ge- liebter Eltern, der Beſchimpfung ſeiner Fa- milie, ein Geſetz des Staats, gewiſs mit blutendem Herzen, verlezt; das Bild eines Jünglings voll Leben und Kraft, dem die aus einer edlen Quelle entſpringende Leidenſchaft in dem Moment der Unbeſonnenheit eine mit dem C 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/39
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/39>, abgerufen am 21.11.2024.