Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

andern Namen wagte er im Angesicht der Danae
und des jetzigen Agathons nicht zu gebrauchen. --
Jn dieser Stimmung seiner Seele legte er sich zur
Ruhe und hatte den Traum, von dem ich vorhin
sagte, daß er ganz aus der Seele des Jünglings
geschrieben sey. --

Jhn däuchte, so erzählt der Verfasser des
Agathons, daß er in einer Gesellschaft von Nym-
phen und Liebesgöttern auf einer anmuthigen Ebe-
ne sich erlustige. Danae war unter ihnen. Mit
zauberischem Lächeln reichte sie ihm, wie Ariadne
ihrem Bachus, eine Schaale voll Nektars, wel-
chen er, an ihren Blicken hangend, mit wollüsti-
gen Zügen hinunterschlürfte. Auf einmal fing
alles um ihn her zu tanzen an. Er tanzte mit.
Ein Nebel von süßen Düften schien rings um ihn
her die wahre Gestalt der Dinge zu verbergen;
tausend liebliche Gestalten, welche wie Seifen-
blasen eben so schnell zerflossen als entstanden, gau-
kelten vor seiner Stirne. Jn diesem Taumel
hüpfte er eine Zeitlang fort, bis auf einmal der
Nebel und seine ganze fröhliche Gesellschaft ver-
schwand. Jhm war, als ob er aus einem tiefen
Schlaf erwachte; und da er die Augen aufschlug,
sah er sich an der Spitze eines jähen Felsen, unter
welchem ein reißender Strom seine beschäumten
Wellen fortwälzte. Gegen ihn über auf dem andern
Ufer des Flusses, stand Psyche. Ein schnee-

weißes

andern Namen wagte er im Angeſicht der Danae
und des jetzigen Agathons nicht zu gebrauchen. —
Jn dieſer Stimmung ſeiner Seele legte er ſich zur
Ruhe und hatte den Traum, von dem ich vorhin
ſagte, daß er ganz aus der Seele des Juͤnglings
geſchrieben ſey. —

Jhn daͤuchte, ſo erzaͤhlt der Verfaſſer des
Agathons, daß er in einer Geſellſchaft von Nym-
phen und Liebesgoͤttern auf einer anmuthigen Ebe-
ne ſich erluſtige. Danae war unter ihnen. Mit
zauberiſchem Laͤcheln reichte ſie ihm, wie Ariadne
ihrem Bachus, eine Schaale voll Nektars, wel-
chen er, an ihren Blicken hangend, mit wolluͤſti-
gen Zuͤgen hinunterſchluͤrfte. Auf einmal fing
alles um ihn her zu tanzen an. Er tanzte mit.
Ein Nebel von ſuͤßen Duͤften ſchien rings um ihn
her die wahre Geſtalt der Dinge zu verbergen;
tauſend liebliche Geſtalten, welche wie Seifen-
blaſen eben ſo ſchnell zerfloſſen als entſtanden, gau-
kelten vor ſeiner Stirne. Jn dieſem Taumel
huͤpfte er eine Zeitlang fort, bis auf einmal der
Nebel und ſeine ganze froͤhliche Geſellſchaft ver-
ſchwand. Jhm war, als ob er aus einem tiefen
Schlaf erwachte; und da er die Augen aufſchlug,
ſah er ſich an der Spitze eines jaͤhen Felſen, unter
welchem ein reißender Strom ſeine beſchaͤumten
Wellen fortwaͤlzte. Gegen ihn uͤber auf dem andern
Ufer des Fluſſes, ſtand Pſyche. Ein ſchnee-

weißes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0102" n="78"/>
andern Namen wagte er im Ange&#x017F;icht der Danae<lb/>
und des jetzigen Agathons nicht zu gebrauchen. &#x2014;<lb/>
Jn die&#x017F;er Stimmung &#x017F;einer Seele legte er &#x017F;ich zur<lb/>
Ruhe und hatte den Traum, von dem ich vorhin<lb/>
&#x017F;agte, daß er ganz aus der Seele des Ju&#x0364;nglings<lb/>
ge&#x017F;chrieben &#x017F;ey. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Jhn da&#x0364;uchte, &#x017F;o erza&#x0364;hlt der Verfa&#x017F;&#x017F;er des<lb/>
Agathons, daß er in einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von Nym-<lb/>
phen und Liebesgo&#x0364;ttern auf einer anmuthigen Ebe-<lb/>
ne &#x017F;ich erlu&#x017F;tige. Danae war unter ihnen. Mit<lb/>
zauberi&#x017F;chem La&#x0364;cheln reichte &#x017F;ie ihm, wie Ariadne<lb/>
ihrem Bachus, eine Schaale voll Nektars, wel-<lb/>
chen er, an ihren Blicken hangend, mit wollu&#x0364;&#x017F;ti-<lb/>
gen Zu&#x0364;gen hinunter&#x017F;chlu&#x0364;rfte. Auf einmal fing<lb/>
alles um ihn her zu tanzen an. Er tanzte mit.<lb/>
Ein Nebel von &#x017F;u&#x0364;ßen Du&#x0364;ften &#x017F;chien rings um ihn<lb/>
her die wahre Ge&#x017F;talt der Dinge zu verbergen;<lb/>
tau&#x017F;end liebliche Ge&#x017F;talten, welche wie Seifen-<lb/>
bla&#x017F;en eben &#x017F;o &#x017F;chnell zerflo&#x017F;&#x017F;en als ent&#x017F;tanden, gau-<lb/>
kelten vor &#x017F;einer Stirne. Jn die&#x017F;em Taumel<lb/>
hu&#x0364;pfte er eine Zeitlang fort, bis auf einmal der<lb/>
Nebel und &#x017F;eine ganze fro&#x0364;hliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ver-<lb/>
&#x017F;chwand. Jhm war, als ob er aus einem tiefen<lb/>
Schlaf erwachte; und da er die Augen auf&#x017F;chlug,<lb/>
&#x017F;ah er &#x017F;ich an der Spitze eines ja&#x0364;hen Fel&#x017F;en, unter<lb/>
welchem ein reißender Strom &#x017F;eine be&#x017F;cha&#x0364;umten<lb/>
Wellen fortwa&#x0364;lzte. Gegen ihn u&#x0364;ber auf dem andern<lb/>
Ufer des Flu&#x017F;&#x017F;es, &#x017F;tand P&#x017F;yche. Ein &#x017F;chnee-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weißes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0102] andern Namen wagte er im Angeſicht der Danae und des jetzigen Agathons nicht zu gebrauchen. — Jn dieſer Stimmung ſeiner Seele legte er ſich zur Ruhe und hatte den Traum, von dem ich vorhin ſagte, daß er ganz aus der Seele des Juͤnglings geſchrieben ſey. — Jhn daͤuchte, ſo erzaͤhlt der Verfaſſer des Agathons, daß er in einer Geſellſchaft von Nym- phen und Liebesgoͤttern auf einer anmuthigen Ebe- ne ſich erluſtige. Danae war unter ihnen. Mit zauberiſchem Laͤcheln reichte ſie ihm, wie Ariadne ihrem Bachus, eine Schaale voll Nektars, wel- chen er, an ihren Blicken hangend, mit wolluͤſti- gen Zuͤgen hinunterſchluͤrfte. Auf einmal fing alles um ihn her zu tanzen an. Er tanzte mit. Ein Nebel von ſuͤßen Duͤften ſchien rings um ihn her die wahre Geſtalt der Dinge zu verbergen; tauſend liebliche Geſtalten, welche wie Seifen- blaſen eben ſo ſchnell zerfloſſen als entſtanden, gau- kelten vor ſeiner Stirne. Jn dieſem Taumel huͤpfte er eine Zeitlang fort, bis auf einmal der Nebel und ſeine ganze froͤhliche Geſellſchaft ver- ſchwand. Jhm war, als ob er aus einem tiefen Schlaf erwachte; und da er die Augen aufſchlug, ſah er ſich an der Spitze eines jaͤhen Felſen, unter welchem ein reißender Strom ſeine beſchaͤumten Wellen fortwaͤlzte. Gegen ihn uͤber auf dem andern Ufer des Fluſſes, ſtand Pſyche. Ein ſchnee- weißes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/102
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/102>, abgerufen am 21.11.2024.