dete, sich herauszuarbeiten, war so heftig, daß er davon erwachte.
Wenn also in der Regel die Vorstellungen von der Einbildungskraft im Traume zuerst er- griffen werden, mit welchen die Seele am bekann- testen ist, oder welche sich am tiefsten eingeprägt haben; so wird man daraus leicht die Folge her- leiten können, daß man nicht ohne Herrschaft über seine Träume sey. Jch bin zwar nicht der Mei- nung, daß die Handlungen der Träumenden, als solche, nach den Gesetzen der Sittlichkeit zu rich- ten sind; allein ganz liegt doch auch die Ursach der Beschaffenheit derselben nicht außerhalb der Sphä- re des Träumenden. Die Erfahrung lehrt es, und aus den Gesetzen der Wirksamkeit der Phan- tasie ist es erklärbar, daß man sich von gewissen Träumen befreyen kann, wenn man bemüht ist, die Vorstellungen, welche den Jnhalt der- selben machen, zu verbannen. Jch kenne einen liebenswürdigen Jüngling, welcher sehr oft von schändlichen Träumen beunruhigt wurde. Er hatte freylich durch wollüstige Ausschweifungen schmutzige Bilder seiner Phantasie sehr gewöhnlich gemacht; aber er war itzt durch Belehrungen und den Gedanken an das Elend, welches er sich be- reite, auf den Weg der Tugend zurückgekehrt. Nur wollte sich seine Phantasie noch nicht, sobald sie im Traum die Alleingewalt hatte, jener ihr
gewöhn-
dete, ſich herauszuarbeiten, war ſo heftig, daß er davon erwachte.
Wenn alſo in der Regel die Vorſtellungen von der Einbildungskraft im Traume zuerſt er- griffen werden, mit welchen die Seele am bekann- teſten iſt, oder welche ſich am tiefſten eingepraͤgt haben; ſo wird man daraus leicht die Folge her- leiten koͤnnen, daß man nicht ohne Herrſchaft uͤber ſeine Traͤume ſey. Jch bin zwar nicht der Mei- nung, daß die Handlungen der Traͤumenden, als ſolche, nach den Geſetzen der Sittlichkeit zu rich- ten ſind; allein ganz liegt doch auch die Urſach der Beſchaffenheit derſelben nicht außerhalb der Sphaͤ- re des Traͤumenden. Die Erfahrung lehrt es, und aus den Geſetzen der Wirkſamkeit der Phan- taſie iſt es erklaͤrbar, daß man ſich von gewiſſen Traͤumen befreyen kann, wenn man bemuͤht iſt, die Vorſtellungen, welche den Jnhalt der- ſelben machen, zu verbannen. Jch kenne einen liebenswuͤrdigen Juͤngling, welcher ſehr oft von ſchaͤndlichen Traͤumen beunruhigt wurde. Er hatte freylich durch wolluͤſtige Ausſchweifungen ſchmutzige Bilder ſeiner Phantaſie ſehr gewoͤhnlich gemacht; aber er war itzt durch Belehrungen und den Gedanken an das Elend, welches er ſich be- reite, auf den Weg der Tugend zuruͤckgekehrt. Nur wollte ſich ſeine Phantaſie noch nicht, ſobald ſie im Traum die Alleingewalt hatte, jener ihr
gewoͤhn-
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dete, ſich herauszuarbeiten, war ſo heftig, daß
er davon erwachte.
Wenn alſo in der Regel die Vorſtellungen
von der Einbildungskraft im Traume zuerſt er-
griffen werden, mit welchen die Seele am bekann-
teſten iſt, oder welche ſich am tiefſten eingepraͤgt
haben; ſo wird man daraus leicht die Folge her-
leiten koͤnnen, daß man nicht ohne Herrſchaft uͤber
ſeine Traͤume ſey. Jch bin zwar nicht der Mei-
nung, daß die Handlungen der Traͤumenden, als
ſolche, nach den Geſetzen der Sittlichkeit zu rich-
ten ſind; allein ganz liegt doch auch die Urſach der
Beſchaffenheit derſelben nicht außerhalb der Sphaͤ-
re des Traͤumenden. Die Erfahrung lehrt es,
und aus den Geſetzen der Wirkſamkeit der Phan-
taſie iſt es erklaͤrbar, daß man ſich von gewiſſen
Traͤumen befreyen kann, wenn man bemuͤht
iſt, die Vorſtellungen, welche den Jnhalt der-
ſelben machen, zu verbannen. Jch kenne einen
liebenswuͤrdigen Juͤngling, welcher ſehr oft von
ſchaͤndlichen Traͤumen beunruhigt wurde. Er
hatte freylich durch wolluͤſtige Ausſchweifungen
ſchmutzige Bilder ſeiner Phantaſie ſehr gewoͤhnlich
gemacht; aber er war itzt durch Belehrungen und
den Gedanken an das Elend, welches er ſich be-
reite, auf den Weg der Tugend zuruͤckgekehrt.
Nur wollte ſich ſeine Phantaſie noch nicht, ſobald
ſie im Traum die Alleingewalt hatte, jener ihr
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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