Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

müßig; weil die Kräfte in der Seele selbst nicht
so getrennt sind, wie sie der Psychologe trennen
muß, um ihre Gesetze zu erforschen; sondern zur
Hervorbringung einer Seelenwirkung die ganze
Seele, d. h. alle in derselben zu unterscheidende
Vermögen mitwirken. Daß aber bey (sehr weni-
gen) Personen, die im Traume verfertigten Gei-
stesarbeiten vorzüglicher sind, als die, welche von
den Wachenden hervorgebracht werden, darf nie-
mand befremden, der nur bedenkt, daß innere
und äußere Stille und Entfernung dessen, was
zerstreuen kann, den Operationen des Verstandes
sehr günstig sind, indem sie ihm erlauben, seine
Kraft zu concentriren, welche im wachenden Zu-
stande durch hundert Ursachen zerstreuet werden
kann.

Herr Richerz erzählt in der schon angeführ-
ten Schrift ein merkwürdiges Beyspiel von Be-
sonnenheit und Urtheil im Schlafe, dessen Wahr-
heit um so weniger bezweifelt werden kann, da es
ihm von einem Manne mitgetheilt ist, der es an
sich selbst erfahren hat, und von anerkannter
Wahrhaftigkeit war. Jch theile dasselbe seiner
Merkwürdigkeit wegen nach Hrn. Richerz Erzäh-
lung hier mit.

Der als Weimarscher Hofrath und Leibme-
dikus in Eisenach verstorbene Doctor Osann, war
zur Zeit der vor mehrern Jahren herrschenden

Epi-

muͤßig; weil die Kraͤfte in der Seele ſelbſt nicht
ſo getrennt ſind, wie ſie der Pſychologe trennen
muß, um ihre Geſetze zu erforſchen; ſondern zur
Hervorbringung einer Seelenwirkung die ganze
Seele, d. h. alle in derſelben zu unterſcheidende
Vermoͤgen mitwirken. Daß aber bey (ſehr weni-
gen) Perſonen, die im Traume verfertigten Gei-
ſtesarbeiten vorzuͤglicher ſind, als die, welche von
den Wachenden hervorgebracht werden, darf nie-
mand befremden, der nur bedenkt, daß innere
und aͤußere Stille und Entfernung deſſen, was
zerſtreuen kann, den Operationen des Verſtandes
ſehr guͤnſtig ſind, indem ſie ihm erlauben, ſeine
Kraft zu concentriren, welche im wachenden Zu-
ſtande durch hundert Urſachen zerſtreuet werden
kann.

Herr Richerz erzaͤhlt in der ſchon angefuͤhr-
ten Schrift ein merkwuͤrdiges Beyſpiel von Be-
ſonnenheit und Urtheil im Schlafe, deſſen Wahr-
heit um ſo weniger bezweifelt werden kann, da es
ihm von einem Manne mitgetheilt iſt, der es an
ſich ſelbſt erfahren hat, und von anerkannter
Wahrhaftigkeit war. Jch theile daſſelbe ſeiner
Merkwuͤrdigkeit wegen nach Hrn. Richerz Erzaͤh-
lung hier mit.

Der als Weimarſcher Hofrath und Leibme-
dikus in Eiſenach verſtorbene Doctor Oſann, war
zur Zeit der vor mehrern Jahren herrſchenden

Epi-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0126" n="102"/>
mu&#x0364;ßig; weil die Kra&#x0364;fte in der Seele &#x017F;elb&#x017F;t nicht<lb/>
&#x017F;o getrennt &#x017F;ind, wie &#x017F;ie der P&#x017F;ychologe trennen<lb/>
muß, um ihre Ge&#x017F;etze zu erfor&#x017F;chen; &#x017F;ondern zur<lb/>
Hervorbringung einer Seelenwirkung die ganze<lb/>
Seele, d. h. alle in der&#x017F;elben zu unter&#x017F;cheidende<lb/>
Vermo&#x0364;gen mitwirken. Daß aber bey (&#x017F;ehr weni-<lb/>
gen) Per&#x017F;onen, die im Traume verfertigten Gei-<lb/>
&#x017F;tesarbeiten vorzu&#x0364;glicher &#x017F;ind, als die, welche von<lb/>
den Wachenden hervorgebracht werden, darf nie-<lb/>
mand befremden, der nur bedenkt, daß innere<lb/>
und a&#x0364;ußere Stille und Entfernung de&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
zer&#x017F;treuen kann, den Operationen des Ver&#x017F;tandes<lb/>
&#x017F;ehr gu&#x0364;n&#x017F;tig &#x017F;ind, indem &#x017F;ie ihm erlauben, &#x017F;eine<lb/>
Kraft zu concentriren, welche im wachenden Zu-<lb/>
&#x017F;tande durch hundert Ur&#x017F;achen zer&#x017F;treuet werden<lb/>
kann.</p><lb/>
          <p>Herr Richerz erza&#x0364;hlt in der &#x017F;chon angefu&#x0364;hr-<lb/>
ten Schrift ein merkwu&#x0364;rdiges Bey&#x017F;piel von Be-<lb/>
&#x017F;onnenheit und Urtheil im Schlafe, de&#x017F;&#x017F;en Wahr-<lb/>
heit um &#x017F;o weniger bezweifelt werden kann, da es<lb/>
ihm von einem Manne mitgetheilt i&#x017F;t, der es an<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t erfahren hat, und von anerkannter<lb/>
Wahrhaftigkeit war. Jch theile da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;einer<lb/>
Merkwu&#x0364;rdigkeit wegen nach Hrn. Richerz Erza&#x0364;h-<lb/>
lung hier mit.</p><lb/>
          <p>Der als Weimar&#x017F;cher Hofrath und Leibme-<lb/>
dikus in Ei&#x017F;enach ver&#x017F;torbene Doctor O&#x017F;ann, war<lb/>
zur Zeit der vor mehrern Jahren herr&#x017F;chenden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Epi-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0126] muͤßig; weil die Kraͤfte in der Seele ſelbſt nicht ſo getrennt ſind, wie ſie der Pſychologe trennen muß, um ihre Geſetze zu erforſchen; ſondern zur Hervorbringung einer Seelenwirkung die ganze Seele, d. h. alle in derſelben zu unterſcheidende Vermoͤgen mitwirken. Daß aber bey (ſehr weni- gen) Perſonen, die im Traume verfertigten Gei- ſtesarbeiten vorzuͤglicher ſind, als die, welche von den Wachenden hervorgebracht werden, darf nie- mand befremden, der nur bedenkt, daß innere und aͤußere Stille und Entfernung deſſen, was zerſtreuen kann, den Operationen des Verſtandes ſehr guͤnſtig ſind, indem ſie ihm erlauben, ſeine Kraft zu concentriren, welche im wachenden Zu- ſtande durch hundert Urſachen zerſtreuet werden kann. Herr Richerz erzaͤhlt in der ſchon angefuͤhr- ten Schrift ein merkwuͤrdiges Beyſpiel von Be- ſonnenheit und Urtheil im Schlafe, deſſen Wahr- heit um ſo weniger bezweifelt werden kann, da es ihm von einem Manne mitgetheilt iſt, der es an ſich ſelbſt erfahren hat, und von anerkannter Wahrhaftigkeit war. Jch theile daſſelbe ſeiner Merkwuͤrdigkeit wegen nach Hrn. Richerz Erzaͤh- lung hier mit. Der als Weimarſcher Hofrath und Leibme- dikus in Eiſenach verſtorbene Doctor Oſann, war zur Zeit der vor mehrern Jahren herrſchenden Epi-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/126
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/126>, abgerufen am 21.11.2024.