Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

than hatte, ob er sich gleich nichts, so fern es
nemlich im Schlafe geschehen, davon zu besinnen
wüßte, denselben Tag so mit ihm vorgegangen
wäre.

Was mir, so oft ich diese Erzählung über-
dacht habe, eingefallen ist, fällt mir auch itzt,
da ich sie niedergeschrieben habe, aufs neue ein:
sollte sie wohl ganz zuverläßig seyn? An der
Wahrheit des Erzählers will ich nicht zweifeln, weil
Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverläßi-
gen Mann schildert; aber ich kann mich des
Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel-
leicht sich etwas verstellt habe. -- Aus allem
seinen Thun und Handeln leuchtet ein so fröm-
melndes und geistliches Wesen hervor, mit dem
sich Heucheley und Verstellung gern zu verbinden
pflegen. Doch ist dies nur meine Meynung:
vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft
über diesen singulären Mann und dieses singuläre
Factum geben. Es wäre der Mühe werth, es
genauer zu untersuchen.



Achte

than hatte, ob er ſich gleich nichts, ſo fern es
nemlich im Schlafe geſchehen, davon zu beſinnen
wuͤßte, denſelben Tag ſo mit ihm vorgegangen
waͤre.

Was mir, ſo oft ich dieſe Erzaͤhlung uͤber-
dacht habe, eingefallen iſt, faͤllt mir auch itzt,
da ich ſie niedergeſchrieben habe, aufs neue ein:
ſollte ſie wohl ganz zuverlaͤßig ſeyn? An der
Wahrheit des Erzaͤhlers will ich nicht zweifeln, weil
Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverlaͤßi-
gen Mann ſchildert; aber ich kann mich des
Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel-
leicht ſich etwas verſtellt habe. — Aus allem
ſeinen Thun und Handeln leuchtet ein ſo froͤm-
melndes und geiſtliches Weſen hervor, mit dem
ſich Heucheley und Verſtellung gern zu verbinden
pflegen. Doch iſt dies nur meine Meynung:
vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft
uͤber dieſen ſingulaͤren Mann und dieſes ſingulaͤre
Factum geben. Es waͤre der Muͤhe werth, es
genauer zu unterſuchen.



Achte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0142" n="118"/>
than hatte, ob er &#x017F;ich gleich nichts, &#x017F;o fern es<lb/>
nemlich im Schlafe ge&#x017F;chehen, davon zu be&#x017F;innen<lb/>
wu&#x0364;ßte, den&#x017F;elben Tag &#x017F;o mit ihm vorgegangen<lb/>
wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Was mir, &#x017F;o oft ich die&#x017F;e Erza&#x0364;hlung u&#x0364;ber-<lb/>
dacht habe, eingefallen i&#x017F;t, fa&#x0364;llt mir auch itzt,<lb/>
da ich &#x017F;ie niederge&#x017F;chrieben habe, aufs neue ein:<lb/>
&#x017F;ollte &#x017F;ie wohl ganz zuverla&#x0364;ßig &#x017F;eyn? An der<lb/>
Wahrheit des Erza&#x0364;hlers will ich nicht zweifeln, weil<lb/>
Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverla&#x0364;ßi-<lb/>
gen Mann &#x017F;childert; aber ich kann mich des<lb/>
Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel-<lb/>
leicht &#x017F;ich etwas ver&#x017F;tellt habe. &#x2014; Aus allem<lb/>
&#x017F;einen Thun und Handeln leuchtet ein &#x017F;o fro&#x0364;m-<lb/>
melndes und gei&#x017F;tliches We&#x017F;en hervor, mit dem<lb/>
&#x017F;ich Heucheley und Ver&#x017F;tellung gern zu verbinden<lb/>
pflegen. Doch i&#x017F;t dies nur meine <hi rendition="#b">Meynung</hi>:<lb/>
vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft<lb/>
u&#x0364;ber die&#x017F;en &#x017F;ingula&#x0364;ren Mann und die&#x017F;es &#x017F;ingula&#x0364;re<lb/>
Factum geben. Es wa&#x0364;re der Mu&#x0364;he werth, es<lb/>
genauer zu unter&#x017F;uchen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Achte</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0142] than hatte, ob er ſich gleich nichts, ſo fern es nemlich im Schlafe geſchehen, davon zu beſinnen wuͤßte, denſelben Tag ſo mit ihm vorgegangen waͤre. Was mir, ſo oft ich dieſe Erzaͤhlung uͤber- dacht habe, eingefallen iſt, faͤllt mir auch itzt, da ich ſie niedergeſchrieben habe, aufs neue ein: ſollte ſie wohl ganz zuverlaͤßig ſeyn? An der Wahrheit des Erzaͤhlers will ich nicht zweifeln, weil Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverlaͤßi- gen Mann ſchildert; aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel- leicht ſich etwas verſtellt habe. — Aus allem ſeinen Thun und Handeln leuchtet ein ſo froͤm- melndes und geiſtliches Weſen hervor, mit dem ſich Heucheley und Verſtellung gern zu verbinden pflegen. Doch iſt dies nur meine Meynung: vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft uͤber dieſen ſingulaͤren Mann und dieſes ſingulaͤre Factum geben. Es waͤre der Muͤhe werth, es genauer zu unterſuchen. Achte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/142
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/142>, abgerufen am 24.11.2024.