than hatte, ob er sich gleich nichts, so fern es nemlich im Schlafe geschehen, davon zu besinnen wüßte, denselben Tag so mit ihm vorgegangen wäre.
Was mir, so oft ich diese Erzählung über- dacht habe, eingefallen ist, fällt mir auch itzt, da ich sie niedergeschrieben habe, aufs neue ein: sollte sie wohl ganz zuverläßig seyn? An der Wahrheit des Erzählers will ich nicht zweifeln, weil Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverläßi- gen Mann schildert; aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel- leicht sich etwas verstellt habe. -- Aus allem seinen Thun und Handeln leuchtet ein so fröm- melndes und geistliches Wesen hervor, mit dem sich Heucheley und Verstellung gern zu verbinden pflegen. Doch ist dies nur meine Meynung: vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft über diesen singulären Mann und dieses singuläre Factum geben. Es wäre der Mühe werth, es genauer zu untersuchen.
Achte
than hatte, ob er ſich gleich nichts, ſo fern es nemlich im Schlafe geſchehen, davon zu beſinnen wuͤßte, denſelben Tag ſo mit ihm vorgegangen waͤre.
Was mir, ſo oft ich dieſe Erzaͤhlung uͤber- dacht habe, eingefallen iſt, faͤllt mir auch itzt, da ich ſie niedergeſchrieben habe, aufs neue ein: ſollte ſie wohl ganz zuverlaͤßig ſeyn? An der Wahrheit des Erzaͤhlers will ich nicht zweifeln, weil Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverlaͤßi- gen Mann ſchildert; aber ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel- leicht ſich etwas verſtellt habe. — Aus allem ſeinen Thun und Handeln leuchtet ein ſo froͤm- melndes und geiſtliches Weſen hervor, mit dem ſich Heucheley und Verſtellung gern zu verbinden pflegen. Doch iſt dies nur meine Meynung: vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft uͤber dieſen ſingulaͤren Mann und dieſes ſingulaͤre Factum geben. Es waͤre der Muͤhe werth, es genauer zu unterſuchen.
Achte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0142"n="118"/>
than hatte, ob er ſich gleich nichts, ſo fern es<lb/>
nemlich im Schlafe geſchehen, davon zu beſinnen<lb/>
wuͤßte, denſelben Tag ſo mit ihm vorgegangen<lb/>
waͤre.</p><lb/><p>Was mir, ſo oft ich dieſe Erzaͤhlung uͤber-<lb/>
dacht habe, eingefallen iſt, faͤllt mir auch itzt,<lb/>
da ich ſie niedergeſchrieben habe, aufs neue ein:<lb/>ſollte ſie wohl ganz zuverlaͤßig ſeyn? An der<lb/>
Wahrheit des Erzaͤhlers will ich nicht zweifeln, weil<lb/>
Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverlaͤßi-<lb/>
gen Mann ſchildert; aber ich kann mich des<lb/>
Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel-<lb/>
leicht ſich etwas verſtellt habe. — Aus allem<lb/>ſeinen Thun und Handeln leuchtet ein ſo froͤm-<lb/>
melndes und geiſtliches Weſen hervor, mit dem<lb/>ſich Heucheley und Verſtellung gern zu verbinden<lb/>
pflegen. Doch iſt dies nur meine <hirendition="#b">Meynung</hi>:<lb/>
vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft<lb/>
uͤber dieſen ſingulaͤren Mann und dieſes ſingulaͤre<lb/>
Factum geben. Es waͤre der Muͤhe werth, es<lb/>
genauer zu unterſuchen.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Achte</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[118/0142]
than hatte, ob er ſich gleich nichts, ſo fern es
nemlich im Schlafe geſchehen, davon zu beſinnen
wuͤßte, denſelben Tag ſo mit ihm vorgegangen
waͤre.
Was mir, ſo oft ich dieſe Erzaͤhlung uͤber-
dacht habe, eingefallen iſt, faͤllt mir auch itzt,
da ich ſie niedergeſchrieben habe, aufs neue ein:
ſollte ſie wohl ganz zuverlaͤßig ſeyn? An der
Wahrheit des Erzaͤhlers will ich nicht zweifeln, weil
Herr Richerz ihn, als einen anerkannt zuverlaͤßi-
gen Mann ſchildert; aber ich kann mich des
Gedankens nicht erwehren, daß der Seiler viel-
leicht ſich etwas verſtellt habe. — Aus allem
ſeinen Thun und Handeln leuchtet ein ſo froͤm-
melndes und geiſtliches Weſen hervor, mit dem
ſich Heucheley und Verſtellung gern zu verbinden
pflegen. Doch iſt dies nur meine Meynung:
vielleicht kann irgend jemand genauere Auskunft
uͤber dieſen ſingulaͤren Mann und dieſes ſingulaͤre
Factum geben. Es waͤre der Muͤhe werth, es
genauer zu unterſuchen.
Achte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/142>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.