Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

den Bürgern seiner Vaterstadt erzählt, liefert ihm
sein Gedächtniß die Namen der Oerter, durch
welche er zog, die Gedanken, in welchen die Be-
gebenheiten des Krieges sich an seine übrigen Vor-
stellungen reih'ten, die Zahl des Heeres, mit wel-
chem er focht, und der Feinde, welche getödtet
wurden; seine Jmagination aber führt ihn zurück
in die Städte und Flecken, welche er sah; und
läßt alle Schauspiele des Kriegs noch einmal vor
ihm aufführen.

Friedrich der Große, erzählt der Geschicht-
schreiber
aus dem Gedächtniß, entwarf vor
der Schlacht bey Roßbach einen so meisterhaften
Plan, daß das feindliche Heer völlig geschlagen
wurde; indeß die Phantasie des Dichters das,
was jener erzählte, auf diese Weise veranschau-
licht
.

Vom sternenvollen Himmel sahn
Schwerin und Winterfeld
Bewundernd den gemachten Plan,
Gedankenvoll den Held.
Gott aber wog, bey Sternenklang,
Der beyden Heere Krieg;
Er wog und Preußens Schaale sank
Und Oestreichs Schaale stieg.
Was

den Buͤrgern ſeiner Vaterſtadt erzaͤhlt, liefert ihm
ſein Gedaͤchtniß die Namen der Oerter, durch
welche er zog, die Gedanken, in welchen die Be-
gebenheiten des Krieges ſich an ſeine uͤbrigen Vor-
ſtellungen reih'ten, die Zahl des Heeres, mit wel-
chem er focht, und der Feinde, welche getoͤdtet
wurden; ſeine Jmagination aber fuͤhrt ihn zuruͤck
in die Staͤdte und Flecken, welche er ſah; und
laͤßt alle Schauſpiele des Kriegs noch einmal vor
ihm auffuͤhren.

Friedrich der Große, erzaͤhlt der Geſchicht-
ſchreiber
aus dem Gedaͤchtniß, entwarf vor
der Schlacht bey Roßbach einen ſo meiſterhaften
Plan, daß das feindliche Heer voͤllig geſchlagen
wurde; indeß die Phantaſie des Dichters das,
was jener erzaͤhlte, auf dieſe Weiſe veranſchau-
licht
.

Vom ſternenvollen Himmel ſahn
Schwerin und Winterfeld
Bewundernd den gemachten Plan,
Gedankenvoll den Held.
Gott aber wog, bey Sternenklang,
Der beyden Heere Krieg;
Er wog und Preußens Schaale ſank
Und Oeſtreichs Schaale ſtieg.
Was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="120"/>
den Bu&#x0364;rgern &#x017F;einer Vater&#x017F;tadt erza&#x0364;hlt, liefert ihm<lb/>
&#x017F;ein Geda&#x0364;chtniß die Namen der Oerter, durch<lb/>
welche er zog, die Gedanken, in welchen die Be-<lb/>
gebenheiten des Krieges &#x017F;ich an &#x017F;eine u&#x0364;brigen Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen reih'ten, die Zahl des Heeres, mit wel-<lb/>
chem er focht, und der Feinde, welche geto&#x0364;dtet<lb/>
wurden; &#x017F;eine Jmagination aber fu&#x0364;hrt ihn zuru&#x0364;ck<lb/>
in die Sta&#x0364;dte und Flecken, welche er &#x017F;ah; und<lb/>
la&#x0364;ßt alle Schau&#x017F;piele des Kriegs noch einmal vor<lb/>
ihm auffu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Friedrich der Große, erza&#x0364;hlt der <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chicht-<lb/>
&#x017F;chreiber</hi> aus dem <hi rendition="#b">Geda&#x0364;chtniß</hi>, entwarf vor<lb/>
der Schlacht bey Roßbach einen &#x017F;o mei&#x017F;terhaften<lb/>
Plan, daß das feindliche Heer vo&#x0364;llig ge&#x017F;chlagen<lb/>
wurde; indeß die <hi rendition="#b">Phanta&#x017F;ie</hi> des <hi rendition="#b">Dichters</hi> das,<lb/>
was jener <hi rendition="#b">erza&#x0364;hlte</hi>, auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e <hi rendition="#b">veran&#x017F;chau-<lb/>
licht</hi>.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Vom &#x017F;ternenvollen Himmel &#x017F;ahn</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Schwerin und Winterfeld</hi> </l><lb/>
              <l>Bewundernd den gemachten Plan,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Gedankenvoll den Held.</hi> </l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Gott aber wog, bey Sternenklang,</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Der beyden Heere Krieg;</hi> </l><lb/>
              <l>Er wog und Preußens Schaale &#x017F;ank</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Und Oe&#x017F;treichs Schaale &#x017F;tieg.</hi> </l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0144] den Buͤrgern ſeiner Vaterſtadt erzaͤhlt, liefert ihm ſein Gedaͤchtniß die Namen der Oerter, durch welche er zog, die Gedanken, in welchen die Be- gebenheiten des Krieges ſich an ſeine uͤbrigen Vor- ſtellungen reih'ten, die Zahl des Heeres, mit wel- chem er focht, und der Feinde, welche getoͤdtet wurden; ſeine Jmagination aber fuͤhrt ihn zuruͤck in die Staͤdte und Flecken, welche er ſah; und laͤßt alle Schauſpiele des Kriegs noch einmal vor ihm auffuͤhren. Friedrich der Große, erzaͤhlt der Geſchicht- ſchreiber aus dem Gedaͤchtniß, entwarf vor der Schlacht bey Roßbach einen ſo meiſterhaften Plan, daß das feindliche Heer voͤllig geſchlagen wurde; indeß die Phantaſie des Dichters das, was jener erzaͤhlte, auf dieſe Weiſe veranſchau- licht. Vom ſternenvollen Himmel ſahn Schwerin und Winterfeld Bewundernd den gemachten Plan, Gedankenvoll den Held. Gott aber wog, bey Sternenklang, Der beyden Heere Krieg; Er wog und Preußens Schaale ſank Und Oeſtreichs Schaale ſtieg. Was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/144
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/144>, abgerufen am 24.11.2024.