Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

griffe auch mittelbar zu vergleichen, der Schließ-
kraft, oder Vernunft. Diese ist es, welche
es dem Menschen möglich macht, über Dinge,
die er nie wahrnahm, nach den Gesetzen der Aehn-
lichkeit zu urtheilen, die schaffende Natur in ih-
rer Werkstätte zu belauschen, und selbst in den
vor dem Auge des Sterblichen in Dunkel gehüll-
ten Regionen der übersinnlichen Natur so viel
Licht anzuzünden, als genug ist, ihm seinen Zu-
sammenhang mit derselben zu entdecken. Von
ihr singt der philosophische Dichter in seinem Ver-
such über die Vernunft: Sie
zähmte durch den Pflug den starren Schoos der
Erden,
Hieß Haynen fruchtbar seyn, Gewässern zinsbar
werden:
Und sich! der Sommer goß den reichen Schoos
voll Korn,
Der Herbst, ihr huldigend, sein fruchtgefülltes
Horn,
Der Genius des Meers, die Schätze seiner
Wellen,
Der Minen Stein und Gold vor des Pallastes
Schwellen,
Worin auf seinem Thron, von dir, Vernunft,
gestützt
Der königliche Mensch, die Welt beherrschend,
sitzt,

Be-

griffe auch mittelbar zu vergleichen, der Schließ-
kraft, oder Vernunft. Dieſe iſt es, welche
es dem Menſchen moͤglich macht, uͤber Dinge,
die er nie wahrnahm, nach den Geſetzen der Aehn-
lichkeit zu urtheilen, die ſchaffende Natur in ih-
rer Werkſtaͤtte zu belauſchen, und ſelbſt in den
vor dem Auge des Sterblichen in Dunkel gehuͤll-
ten Regionen der uͤberſinnlichen Natur ſo viel
Licht anzuzuͤnden, als genug iſt, ihm ſeinen Zu-
ſammenhang mit derſelben zu entdecken. Von
ihr ſingt der philoſophiſche Dichter in ſeinem Ver-
ſuch uͤber die Vernunft: Sie
zaͤhmte durch den Pflug den ſtarren Schoos der
Erden,
Hieß Haynen fruchtbar ſeyn, Gewaͤſſern zinsbar
werden:
Und ſich! der Sommer goß den reichen Schoos
voll Korn,
Der Herbſt, ihr huldigend, ſein fruchtgefuͤlltes
Horn,
Der Genius des Meers, die Schaͤtze ſeiner
Wellen,
Der Minen Stein und Gold vor des Pallaſtes
Schwellen,
Worin auf ſeinem Thron, von dir, Vernunft,
geſtuͤtzt
Der koͤnigliche Menſch, die Welt beherrſchend,
ſitzt,

Be-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0163" n="139"/>
griffe auch mittelbar zu vergleichen, der <hi rendition="#b">Schließ-<lb/>
kraft</hi>, oder <hi rendition="#b">Vernunft</hi>. Die&#x017F;e i&#x017F;t es, welche<lb/>
es dem Men&#x017F;chen mo&#x0364;glich macht, u&#x0364;ber Dinge,<lb/>
die er nie wahrnahm, nach den Ge&#x017F;etzen der Aehn-<lb/>
lichkeit zu urtheilen, die &#x017F;chaffende Natur in ih-<lb/>
rer Werk&#x017F;ta&#x0364;tte zu belau&#x017F;chen, und &#x017F;elb&#x017F;t in den<lb/>
vor dem Auge des Sterblichen in Dunkel gehu&#x0364;ll-<lb/>
ten Regionen der u&#x0364;ber&#x017F;innlichen Natur &#x017F;o viel<lb/>
Licht anzuzu&#x0364;nden, als genug i&#x017F;t, ihm &#x017F;einen Zu-<lb/>
&#x017F;ammenhang mit der&#x017F;elben zu entdecken. Von<lb/>
ihr &#x017F;ingt der philo&#x017F;ophi&#x017F;che Dichter in &#x017F;einem Ver-<lb/>
&#x017F;uch u&#x0364;ber die Vernunft: <cit><quote>Sie<lb/><hi rendition="#et">za&#x0364;hmte durch den Pflug den &#x017F;tarren Schoos der<lb/>
Erden,</hi><lb/>
Hieß Haynen fruchtbar &#x017F;eyn, Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern zinsbar<lb/><hi rendition="#et">werden:</hi><lb/>
Und &#x017F;ich! der Sommer goß den reichen Schoos<lb/><hi rendition="#et">voll Korn,</hi><lb/>
Der Herb&#x017F;t, ihr huldigend, &#x017F;ein fruchtgefu&#x0364;lltes<lb/><hi rendition="#et">Horn,</hi><lb/>
Der Genius des Meers, die Scha&#x0364;tze &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#et">Wellen,</hi><lb/>
Der Minen Stein und Gold vor des Palla&#x017F;tes<lb/><hi rendition="#et">Schwellen,</hi><lb/>
Worin auf &#x017F;einem Thron, von dir, Vernunft,<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;tu&#x0364;tzt</hi><lb/>
Der ko&#x0364;nigliche Men&#x017F;ch, die Welt beherr&#x017F;chend,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;itzt,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></quote></cit></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0163] griffe auch mittelbar zu vergleichen, der Schließ- kraft, oder Vernunft. Dieſe iſt es, welche es dem Menſchen moͤglich macht, uͤber Dinge, die er nie wahrnahm, nach den Geſetzen der Aehn- lichkeit zu urtheilen, die ſchaffende Natur in ih- rer Werkſtaͤtte zu belauſchen, und ſelbſt in den vor dem Auge des Sterblichen in Dunkel gehuͤll- ten Regionen der uͤberſinnlichen Natur ſo viel Licht anzuzuͤnden, als genug iſt, ihm ſeinen Zu- ſammenhang mit derſelben zu entdecken. Von ihr ſingt der philoſophiſche Dichter in ſeinem Ver- ſuch uͤber die Vernunft: Sie zaͤhmte durch den Pflug den ſtarren Schoos der Erden, Hieß Haynen fruchtbar ſeyn, Gewaͤſſern zinsbar werden: Und ſich! der Sommer goß den reichen Schoos voll Korn, Der Herbſt, ihr huldigend, ſein fruchtgefuͤlltes Horn, Der Genius des Meers, die Schaͤtze ſeiner Wellen, Der Minen Stein und Gold vor des Pallaſtes Schwellen, Worin auf ſeinem Thron, von dir, Vernunft, geſtuͤtzt Der koͤnigliche Menſch, die Welt beherrſchend, ſitzt, Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/163
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/163>, abgerufen am 21.11.2024.