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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Verhallt des Menschen, wie des Thieres
Tritt:
Des Weisen Herz, auch seiner Lieder Grab.
*)

Schon die natürliche Sprache, der Gesang
der Vögel, die mannigfaltigen Stimmen der
Thiere, die aus jedweder stärkern Empfindung
des Vergnügens oder Schmerzes sich erzeugenden
Töne, mußten den Menschen bald auf die Be-
merkung führen, daß sich die unsichtbaren Ver-
änderungen in seinem Jnnern an Tönen wahrneh-
men, und durch sie mittheilen ließen; aus wel-
cher Bemerkung sich leicht die allgemeinere Folge-
rung ergeben mußte, daß man einen Gegenstand
durch Zeichen, die nicht mit ihm einerley Art
wären, nicht für denselben Sinn gehörten, be-
zeichnen könnte. Das Bedürfniß, welches der
Mensch fühlte, sich Andern mitzutheilen, und der
in dem Kinder-Menschen, so wie in dem Kinde
sehr rege Trieb nachzuahmen, legte in diese Wahr-
nehmungen einen scharfen Sporn zu practischen,
auf sie gebauten Versuchen.

Die ersten Ton-Ausdrücke können natürlich
nicht seiner gewesen seyn, als der Mensch selbst
war: er mußte sich im Anfang damit begnügen,
nur ganze, allgemeine Empfindungen auszu-
drücken, deren Nüancirungen und verschiedne

Ge-
*) Herders Geist der ebräischen Poesie. 1. Th. 37. S.
Verhallt des Menſchen, wie des Thieres
Tritt:
Des Weiſen Herz, auch ſeiner Lieder Grab.
*)

Schon die natuͤrliche Sprache, der Geſang
der Voͤgel, die mannigfaltigen Stimmen der
Thiere, die aus jedweder ſtaͤrkern Empfindung
des Vergnuͤgens oder Schmerzes ſich erzeugenden
Toͤne, mußten den Menſchen bald auf die Be-
merkung fuͤhren, daß ſich die unſichtbaren Ver-
aͤnderungen in ſeinem Jnnern an Toͤnen wahrneh-
men, und durch ſie mittheilen ließen; aus wel-
cher Bemerkung ſich leicht die allgemeinere Folge-
rung ergeben mußte, daß man einen Gegenſtand
durch Zeichen, die nicht mit ihm einerley Art
waͤren, nicht fuͤr denſelben Sinn gehoͤrten, be-
zeichnen koͤnnte. Das Beduͤrfniß, welches der
Menſch fuͤhlte, ſich Andern mitzutheilen, und der
in dem Kinder-Menſchen, ſo wie in dem Kinde
ſehr rege Trieb nachzuahmen, legte in dieſe Wahr-
nehmungen einen ſcharfen Sporn zu practiſchen,
auf ſie gebauten Verſuchen.

Die erſten Ton-Ausdruͤcke koͤnnen natuͤrlich
nicht ſeiner geweſen ſeyn, als der Menſch ſelbſt
war: er mußte ſich im Anfang damit begnuͤgen,
nur ganze, allgemeine Empfindungen auszu-
druͤcken, deren Nuͤancirungen und verſchiedne

Ge-
*) Herders Geiſt der ebraͤiſchen Poeſie. 1. Th. 37. S.
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[148/0172] Verhallt des Menſchen, wie des Thieres Tritt: Des Weiſen Herz, auch ſeiner Lieder Grab. *) Schon die natuͤrliche Sprache, der Geſang der Voͤgel, die mannigfaltigen Stimmen der Thiere, die aus jedweder ſtaͤrkern Empfindung des Vergnuͤgens oder Schmerzes ſich erzeugenden Toͤne, mußten den Menſchen bald auf die Be- merkung fuͤhren, daß ſich die unſichtbaren Ver- aͤnderungen in ſeinem Jnnern an Toͤnen wahrneh- men, und durch ſie mittheilen ließen; aus wel- cher Bemerkung ſich leicht die allgemeinere Folge- rung ergeben mußte, daß man einen Gegenſtand durch Zeichen, die nicht mit ihm einerley Art waͤren, nicht fuͤr denſelben Sinn gehoͤrten, be- zeichnen koͤnnte. Das Beduͤrfniß, welches der Menſch fuͤhlte, ſich Andern mitzutheilen, und der in dem Kinder-Menſchen, ſo wie in dem Kinde ſehr rege Trieb nachzuahmen, legte in dieſe Wahr- nehmungen einen ſcharfen Sporn zu practiſchen, auf ſie gebauten Verſuchen. Die erſten Ton-Ausdruͤcke koͤnnen natuͤrlich nicht ſeiner geweſen ſeyn, als der Menſch ſelbſt war: er mußte ſich im Anfang damit begnuͤgen, nur ganze, allgemeine Empfindungen auszu- druͤcken, deren Nuͤancirungen und verſchiedne Ge- *) Herders Geiſt der ebraͤiſchen Poeſie. 1. Th. 37. S.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/172>, abgerufen am 21.11.2024.