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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Zimmer der Verrückten und Gefangnen. Das
Essen ist gesund, reinlich, nahrhaft, und wird
in hinlänglicher Menge täglich zweymal gereicht.
Heute sah ich feines Brodt, Fleisch, Schinken,
Käse und Suppe. Wer irdene Gefäße nicht
zerschmeißt, dem wird es in einem irdenen Topfe
gereicht: denen andern in kupfernen verzinnten
Gefäßen, die die Form einer tiefen Schüssel und
einen langen halbrunden Hals haben, welcher in
die Oefnung des Gitters derer, die im Käficht
sitzen, gesteckt wird, damit sie nicht das ganze
Gefäß hereinnehmen. Wie gut und ehrlich es
der Speisemeister, dessen Name Deeke ist, mit
den Unglücklichen meynt, können Sie daraus
schließen, daß den Gefangnen das Fleisch von ei-
nem 800pfündigen Ochsen nicht schmackhaft ge-
nug ist. --

Wird einer der Bewohner dieses Hauses
krank, so wird er sehr gut gepflegt, und mit der
nöthigen Arzney hinlänglich versehen.

Es verdankt das Cellische Zucht- und Jrrhaus
seine gute Einrichtung und seine Vorzüge vor an-
dern Häusern ähnlicher Art vornehmlich seinem
würdigen Aufseher, und den zum Theil sehr guten
Unterbedienten. Sie hören, liebster B., so gern
von guten Menschen; darum zu meinem schon so
langen Briefe noch einige Zeilen über diese Männer,

welche

Zimmer der Verruͤckten und Gefangnen. Das
Eſſen iſt geſund, reinlich, nahrhaft, und wird
in hinlaͤnglicher Menge taͤglich zweymal gereicht.
Heute ſah ich feines Brodt, Fleiſch, Schinken,
Kaͤſe und Suppe. Wer irdene Gefaͤße nicht
zerſchmeißt, dem wird es in einem irdenen Topfe
gereicht: denen andern in kupfernen verzinnten
Gefaͤßen, die die Form einer tiefen Schuͤſſel und
einen langen halbrunden Hals haben, welcher in
die Oefnung des Gitters derer, die im Kaͤficht
ſitzen, geſteckt wird, damit ſie nicht das ganze
Gefaͤß hereinnehmen. Wie gut und ehrlich es
der Speiſemeiſter, deſſen Name Deeke iſt, mit
den Ungluͤcklichen meynt, koͤnnen Sie daraus
ſchließen, daß den Gefangnen das Fleiſch von ei-
nem 800pfuͤndigen Ochſen nicht ſchmackhaft ge-
nug iſt. —

Wird einer der Bewohner dieſes Hauſes
krank, ſo wird er ſehr gut gepflegt, und mit der
noͤthigen Arzney hinlaͤnglich verſehen.

Es verdankt das Celliſche Zucht- und Jrrhaus
ſeine gute Einrichtung und ſeine Vorzuͤge vor an-
dern Haͤuſern aͤhnlicher Art vornehmlich ſeinem
wuͤrdigen Aufſeher, und den zum Theil ſehr guten
Unterbedienten. Sie hoͤren, liebſter B., ſo gern
von guten Menſchen; darum zu meinem ſchon ſo
langen Briefe noch einige Zeilen uͤber dieſe Maͤnner,

welche
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[228/0252] Zimmer der Verruͤckten und Gefangnen. Das Eſſen iſt geſund, reinlich, nahrhaft, und wird in hinlaͤnglicher Menge taͤglich zweymal gereicht. Heute ſah ich feines Brodt, Fleiſch, Schinken, Kaͤſe und Suppe. Wer irdene Gefaͤße nicht zerſchmeißt, dem wird es in einem irdenen Topfe gereicht: denen andern in kupfernen verzinnten Gefaͤßen, die die Form einer tiefen Schuͤſſel und einen langen halbrunden Hals haben, welcher in die Oefnung des Gitters derer, die im Kaͤficht ſitzen, geſteckt wird, damit ſie nicht das ganze Gefaͤß hereinnehmen. Wie gut und ehrlich es der Speiſemeiſter, deſſen Name Deeke iſt, mit den Ungluͤcklichen meynt, koͤnnen Sie daraus ſchließen, daß den Gefangnen das Fleiſch von ei- nem 800pfuͤndigen Ochſen nicht ſchmackhaft ge- nug iſt. — Wird einer der Bewohner dieſes Hauſes krank, ſo wird er ſehr gut gepflegt, und mit der noͤthigen Arzney hinlaͤnglich verſehen. Es verdankt das Celliſche Zucht- und Jrrhaus ſeine gute Einrichtung und ſeine Vorzuͤge vor an- dern Haͤuſern aͤhnlicher Art vornehmlich ſeinem wuͤrdigen Aufſeher, und den zum Theil ſehr guten Unterbedienten. Sie hoͤren, liebſter B., ſo gern von guten Menſchen; darum zu meinem ſchon ſo langen Briefe noch einige Zeilen uͤber dieſe Maͤnner, welche

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/252>, abgerufen am 21.11.2024.