Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.in Aufruhr zu bringen suchen, so verabscheuen Schwärmen ist überhaupt lautes Ausschwei- Leidenschaft ist die Seele jeder Schwärmerey, sie
in Aufruhr zu bringen ſuchen, ſo verabſcheuen Schwaͤrmen iſt uͤberhaupt lautes Ausſchwei- Leidenſchaft iſt die Seele jeder Schwaͤrmerey, ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0260" n="236"/> in Aufruhr zu bringen ſuchen, ſo verabſcheuen<lb/> wir in ihnen unſinnige Schwaͤrmer, welche nicht<lb/> fuͤr ein wahrhaftes Gut, ſondern fuͤr Grillen,<lb/> bey denen ſie allein vielleicht ihre Rechnung fin-<lb/> den, ihre Thaͤtigkeit anſpannen und ihr Leben<lb/> wagen.</p><lb/> <p>Schwaͤrmen iſt uͤberhaupt lautes Ausſchwei-<lb/> fen, und die jedesmalige Urſache davon eine<lb/> erhitzte, nicht von der Vernunft gefuͤllte, oder<lb/> wenigſtens von ihr nicht geleitete Phantaſie. Der<lb/> Gegenſtand deſſelben aber kann entweder ein wirk-<lb/> liches Ding oder eine Chimaͤre ſeyn. Jenes<lb/> macht zum Schwaͤrmer, wenn es die Leidenſchaft<lb/> uͤber die Gebuͤhr anregt, weil die Phantaſie es<lb/> mit Eigenſchaften und Vollkommenheiten behaͤngt,<lb/> die es nicht hat, und die Vernunft nicht ſtark ge-<lb/> nug iſt, durch ihre Einſicht des wahren Werths<lb/> des Gegenſtandes die Einbildungskraft zu beleh-<lb/> ren und zu leiten. Dieſes erzeugt Schwaͤrmerey,<lb/> in ſo fern es den Menſchen verleitet, in unbe-<lb/> graͤnzten Regionen umherzuſchweifen, wo fuͤr ihn<lb/> nichts als Taͤuſchung und Trug iſt, und ſein<lb/> Herz gereizt wird, ohne <hi rendition="#b">geſaͤttigt</hi> zu werden.</p><lb/> <p>Leidenſchaft iſt die Seele jeder Schwaͤrmerey,<lb/> ſelbſt derjenigen, welche ſich mit dem Mantel der Jn-<lb/> dolenz und Ertoͤdtung aller Leidenſchaften behaͤngt.<lb/> Denn nur Leidenſchaft kann der Thatkraft ſolchen<lb/> Schwung und ſolche Richtungen geben, als wir<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0260]
in Aufruhr zu bringen ſuchen, ſo verabſcheuen
wir in ihnen unſinnige Schwaͤrmer, welche nicht
fuͤr ein wahrhaftes Gut, ſondern fuͤr Grillen,
bey denen ſie allein vielleicht ihre Rechnung fin-
den, ihre Thaͤtigkeit anſpannen und ihr Leben
wagen.
Schwaͤrmen iſt uͤberhaupt lautes Ausſchwei-
fen, und die jedesmalige Urſache davon eine
erhitzte, nicht von der Vernunft gefuͤllte, oder
wenigſtens von ihr nicht geleitete Phantaſie. Der
Gegenſtand deſſelben aber kann entweder ein wirk-
liches Ding oder eine Chimaͤre ſeyn. Jenes
macht zum Schwaͤrmer, wenn es die Leidenſchaft
uͤber die Gebuͤhr anregt, weil die Phantaſie es
mit Eigenſchaften und Vollkommenheiten behaͤngt,
die es nicht hat, und die Vernunft nicht ſtark ge-
nug iſt, durch ihre Einſicht des wahren Werths
des Gegenſtandes die Einbildungskraft zu beleh-
ren und zu leiten. Dieſes erzeugt Schwaͤrmerey,
in ſo fern es den Menſchen verleitet, in unbe-
graͤnzten Regionen umherzuſchweifen, wo fuͤr ihn
nichts als Taͤuſchung und Trug iſt, und ſein
Herz gereizt wird, ohne geſaͤttigt zu werden.
Leidenſchaft iſt die Seele jeder Schwaͤrmerey,
ſelbſt derjenigen, welche ſich mit dem Mantel der Jn-
dolenz und Ertoͤdtung aller Leidenſchaften behaͤngt.
Denn nur Leidenſchaft kann der Thatkraft ſolchen
Schwung und ſolche Richtungen geben, als wir
ſie
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