rungen wirklich sind, ein Vermögen, sich auf diese Weise zu äußern habe, ein Erkenntniß- und Wil- lensvermögen. Jenes setzt das Vermögen der Vor- stellungen voraus, ist die Vorstellung auch bey diesem nothwendig? Jch setze: Der Kaiser von China bietet mir Pecking oder Nanking an. Jch weiß nicht, was ich wählen soll, ich kann mich nicht bestimmen. -- Jch frage einen meiner Freunde nach den beyden Städten, er beschreibt sie mir. Jch höre von ihm, daß in Pecking eine astronomische Gesellschaft und in Nanking die größte Glocke in der Welt ist. -- Nun kann ich mich bestimmen, und wähle Pecking, weil mich Astronomie, sey's auch sinesische, doch mehr noch interessirt, als eine große Glocke. -- Warum konnt' ich mich itzt bestimmen, Pecking zu wählen, und Nanking nicht zu wählen? -- Weil ich nun von beyden eine Vorstellung hatte und nach derselben beurtheilen konnte, welche besser als die andre sey.
Also sowohl das Erkenntnißvermögen, als das Willensvermögen setzt das Vermögen der Vor- stellungen voraus, welches wir daher der Seele als ihr Grundvermögen beylegen.
Dritte
rungen wirklich ſind, ein Vermoͤgen, ſich auf dieſe Weiſe zu aͤußern habe, ein Erkenntniß- und Wil- lensvermoͤgen. Jenes ſetzt das Vermoͤgen der Vor- ſtellungen voraus, iſt die Vorſtellung auch bey dieſem nothwendig? Jch ſetze: Der Kaiſer von China bietet mir Pecking oder Nanking an. Jch weiß nicht, was ich waͤhlen ſoll, ich kann mich nicht beſtimmen. — Jch frage einen meiner Freunde nach den beyden Staͤdten, er beſchreibt ſie mir. Jch hoͤre von ihm, daß in Pecking eine aſtronomiſche Geſellſchaft und in Nanking die groͤßte Glocke in der Welt iſt. — Nun kann ich mich beſtimmen, und waͤhle Pecking, weil mich Aſtronomie, ſey's auch ſineſiſche, doch mehr noch intereſſirt, als eine große Glocke. — Warum konnt' ich mich itzt beſtimmen, Pecking zu waͤhlen, und Nanking nicht zu waͤhlen? — Weil ich nun von beyden eine Vorſtellung hatte und nach derſelben beurtheilen konnte, welche beſſer als die andre ſey.
Alſo ſowohl das Erkenntnißvermoͤgen, als das Willensvermoͤgen ſetzt das Vermoͤgen der Vor- ſtellungen voraus, welches wir daher der Seele als ihr Grundvermoͤgen beylegen.
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rungen wirklich ſind, ein Vermoͤgen, ſich auf dieſe
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ſtellungen voraus, iſt die Vorſtellung auch bey
dieſem nothwendig? Jch ſetze: Der Kaiſer von
China bietet mir Pecking oder Nanking an. Jch
weiß nicht, was ich waͤhlen ſoll, ich kann mich
nicht beſtimmen. — Jch frage einen meiner
Freunde nach den beyden Staͤdten, er beſchreibt
ſie mir. Jch hoͤre von ihm, daß in Pecking eine
aſtronomiſche Geſellſchaft und in Nanking die
groͤßte Glocke in der Welt iſt. — Nun kann
ich mich beſtimmen, und waͤhle Pecking, weil mich
Aſtronomie, ſey's auch ſineſiſche, doch mehr noch
intereſſirt, als eine große Glocke. — Warum
konnt' ich mich itzt beſtimmen, Pecking zu waͤhlen,
und Nanking nicht zu waͤhlen? — Weil ich
nun von beyden eine Vorſtellung hatte und nach
derſelben beurtheilen konnte, welche beſſer als die
andre ſey.
Alſo ſowohl das Erkenntnißvermoͤgen, als das
Willensvermoͤgen ſetzt das Vermoͤgen der Vor-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/44>, abgerufen am 21.11.2024.
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