Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Wasser geschehen können. Er dachte viel
über die Ursache dieses Wassertraums nach, und
wußte sie im Anfange durchaus nicht zu finden.
Endlich fällt ihm, da er von ohngefehr ans Fen-
ster tritt, ein Wasserbehälter in die Augen, aus
welchem das Wasser mit einem ziemlichen Ge-
räusch in ein unter demselben befindliches Bassin
hinabstürzte, und siehe da, er hatte die Quelle
seines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die
Hypochondrie nicht ganz fest schlafen ließ, so
konnte bey der Stille der Nacht das Geräusch
des Wassers wohl zu seinem Ohre dringen und
ihn zu jenen Träumen veranlassen. -- Ein An-
drer träumte einmal von Ohrenschmerzen und
wußte gar nicht, wie er grade auf diese hatte
kommen können. Die Ursache ergab sich aber
sehr bald. Es schlief nemlich in einem Zimmer
mit ihm eine Person, welcher schon öfter der
Ohrenzwang eine schlaflose Nacht gemacht und
laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch
in dieser Nacht der Fall gewesen. Das Wim-
mern des Kranken war in das Ohr des Träu-
menden gedrungen, ob dieser gleich, weil er ziem-
lich fest schlief, es sich nicht bewußt war, und
hatte also den Traum von Ohrenschmerzen leicht
erzeugen können. --

Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum,
da nicht alle Empfindungswege offen sind, nur

ein-
E 4

dem Waſſer geſchehen koͤnnen. Er dachte viel
uͤber die Urſache dieſes Waſſertraums nach, und
wußte ſie im Anfange durchaus nicht zu finden.
Endlich faͤllt ihm, da er von ohngefehr ans Fen-
ſter tritt, ein Waſſerbehaͤlter in die Augen, aus
welchem das Waſſer mit einem ziemlichen Ge-
raͤuſch in ein unter demſelben befindliches Baſſin
hinabſtuͤrzte, und ſiehe da, er hatte die Quelle
ſeines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die
Hypochondrie nicht ganz feſt ſchlafen ließ, ſo
konnte bey der Stille der Nacht das Geraͤuſch
des Waſſers wohl zu ſeinem Ohre dringen und
ihn zu jenen Traͤumen veranlaſſen. — Ein An-
drer traͤumte einmal von Ohrenſchmerzen und
wußte gar nicht, wie er grade auf dieſe hatte
kommen koͤnnen. Die Urſache ergab ſich aber
ſehr bald. Es ſchlief nemlich in einem Zimmer
mit ihm eine Perſon, welcher ſchon oͤfter der
Ohrenzwang eine ſchlafloſe Nacht gemacht und
laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch
in dieſer Nacht der Fall geweſen. Das Wim-
mern des Kranken war in das Ohr des Traͤu-
menden gedrungen, ob dieſer gleich, weil er ziem-
lich feſt ſchlief, es ſich nicht bewußt war, und
hatte alſo den Traum von Ohrenſchmerzen leicht
erzeugen koͤnnen. —

Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum,
da nicht alle Empfindungswege offen ſind, nur

ein-
E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="71"/>
dem Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nnen. Er dachte viel<lb/>
u&#x0364;ber die Ur&#x017F;ache die&#x017F;es Wa&#x017F;&#x017F;ertraums nach, und<lb/>
wußte &#x017F;ie im Anfange durchaus nicht zu finden.<lb/>
Endlich fa&#x0364;llt ihm, da er von ohngefehr ans Fen-<lb/>
&#x017F;ter tritt, ein Wa&#x017F;&#x017F;erbeha&#x0364;lter in die Augen, aus<lb/>
welchem das Wa&#x017F;&#x017F;er mit einem ziemlichen Ge-<lb/>
ra&#x0364;u&#x017F;ch in ein unter dem&#x017F;elben befindliches Ba&#x017F;&#x017F;in<lb/>
hinab&#x017F;tu&#x0364;rzte, und &#x017F;iehe da, er hatte die Quelle<lb/>
&#x017F;eines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die<lb/>
Hypochondrie nicht ganz fe&#x017F;t &#x017F;chlafen ließ, &#x017F;o<lb/>
konnte bey der Stille der Nacht das Gera&#x0364;u&#x017F;ch<lb/>
des Wa&#x017F;&#x017F;ers wohl zu &#x017F;einem Ohre dringen und<lb/>
ihn zu jenen Tra&#x0364;umen veranla&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Ein An-<lb/>
drer tra&#x0364;umte einmal von Ohren&#x017F;chmerzen und<lb/>
wußte gar nicht, wie er grade auf die&#x017F;e hatte<lb/>
kommen ko&#x0364;nnen. Die Ur&#x017F;ache ergab &#x017F;ich aber<lb/>
&#x017F;ehr bald. Es &#x017F;chlief nemlich in einem Zimmer<lb/>
mit ihm eine Per&#x017F;on, welcher &#x017F;chon o&#x0364;fter der<lb/>
Ohrenzwang eine &#x017F;chlaflo&#x017F;e Nacht gemacht und<lb/>
laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch<lb/>
in die&#x017F;er Nacht der Fall gewe&#x017F;en. Das Wim-<lb/>
mern des Kranken war in das Ohr des Tra&#x0364;u-<lb/>
menden gedrungen, ob die&#x017F;er gleich, weil er ziem-<lb/>
lich fe&#x017F;t &#x017F;chlief, es &#x017F;ich nicht bewußt war, und<lb/>
hatte al&#x017F;o den Traum von Ohren&#x017F;chmerzen leicht<lb/>
erzeugen ko&#x0364;nnen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum,<lb/>
da nicht alle Empfindungswege offen &#x017F;ind, nur<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ein-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0095] dem Waſſer geſchehen koͤnnen. Er dachte viel uͤber die Urſache dieſes Waſſertraums nach, und wußte ſie im Anfange durchaus nicht zu finden. Endlich faͤllt ihm, da er von ohngefehr ans Fen- ſter tritt, ein Waſſerbehaͤlter in die Augen, aus welchem das Waſſer mit einem ziemlichen Ge- raͤuſch in ein unter demſelben befindliches Baſſin hinabſtuͤrzte, und ſiehe da, er hatte die Quelle ſeines Traumes gefunden. Weil ihn nemlich die Hypochondrie nicht ganz feſt ſchlafen ließ, ſo konnte bey der Stille der Nacht das Geraͤuſch des Waſſers wohl zu ſeinem Ohre dringen und ihn zu jenen Traͤumen veranlaſſen. — Ein An- drer traͤumte einmal von Ohrenſchmerzen und wußte gar nicht, wie er grade auf dieſe hatte kommen koͤnnen. Die Urſache ergab ſich aber ſehr bald. Es ſchlief nemlich in einem Zimmer mit ihm eine Perſon, welcher ſchon oͤfter der Ohrenzwang eine ſchlafloſe Nacht gemacht und laute Seufzer ausgepreßt hatte. Dies war auch in dieſer Nacht der Fall geweſen. Das Wim- mern des Kranken war in das Ohr des Traͤu- menden gedrungen, ob dieſer gleich, weil er ziem- lich feſt ſchlief, es ſich nicht bewußt war, und hatte alſo den Traum von Ohrenſchmerzen leicht erzeugen koͤnnen. — Weil nun aber die Urtheilskraft im Traum, da nicht alle Empfindungswege offen ſind, nur ein- E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/95
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/95>, abgerufen am 21.11.2024.