wegen, theils wegen der mit ihr verbundenen Vortheile begehrt.
Ehre ist Anerkennung unsers Werths von Andern. Ob man wirklichen Werth habe oder nicht, dies läßt die Eigenliebe ununtersucht, sie leiht auch Dem Vollkommenheit, der derselben er- mangelt: denn es ist das unerträglichste Gefühl, sich für ganz werthlos halten zu müssen. Je größerer Vollkommenheit man sich bewußt, und je fester die Ueberzeugung davon ist, desto angenehmer ist der Gedanke an seine eigne Person, welche doch am häufigsten in dem Bewußtseyn ist. -- Al- les also, was den Glauben des eignen Werths befestigen kann, muß sehr willkommen seyn, und unsres Bestrebens würdig scheinen.
Die Ehre hat diese wünschenswürdige Be- schaffenheit. Sie kann den Glauben an uns selbst fester und sicherer machen -- denn man nimmt es immer für einen Grund der Wahrscheinlichkeit einer Meynung an, wenn Mehrere darin überein- stimmen. Erkennen Andre unsren Werth nicht, so können wir es nicht verhindern, daß -- unsre Eigenliebe mag noch so sehr dagegen schreyen -- nicht zuweilen der Gedanke in die Seele komme, daß wir uns doch wohl täuschen könnten, oder daß wenigstens unser Werth sehr gering seyn müs- se, da Andre so gar nichts von ihm zu bemerken scheinen. Zeigen aber Andre durch die Aufmerk-
sam-
wegen, theils wegen der mit ihr verbundenen Vortheile begehrt.
Ehre iſt Anerkennung unſers Werths von Andern. Ob man wirklichen Werth habe oder nicht, dies laͤßt die Eigenliebe ununterſucht, ſie leiht auch Dem Vollkommenheit, der derſelben er- mangelt: denn es iſt das unertraͤglichſte Gefuͤhl, ſich fuͤr ganz werthlos halten zu muͤſſen. Je groͤßerer Vollkommenheit man ſich bewußt, und je feſter die Ueberzeugung davon iſt, deſto angenehmer iſt der Gedanke an ſeine eigne Perſon, welche doch am haͤufigſten in dem Bewußtſeyn iſt. — Al- les alſo, was den Glauben des eignen Werths befeſtigen kann, muß ſehr willkommen ſeyn, und unſres Beſtrebens wuͤrdig ſcheinen.
Die Ehre hat dieſe wuͤnſchenswuͤrdige Be- ſchaffenheit. Sie kann den Glauben an uns ſelbſt feſter und ſicherer machen — denn man nimmt es immer fuͤr einen Grund der Wahrſcheinlichkeit einer Meynung an, wenn Mehrere darin uͤberein- ſtimmen. Erkennen Andre unſren Werth nicht, ſo koͤnnen wir es nicht verhindern, daß — unſre Eigenliebe mag noch ſo ſehr dagegen ſchreyen — nicht zuweilen der Gedanke in die Seele komme, daß wir uns doch wohl taͤuſchen koͤnnten, oder daß wenigſtens unſer Werth ſehr gering ſeyn muͤſ- ſe, da Andre ſo gar nichts von ihm zu bemerken ſcheinen. Zeigen aber Andre durch die Aufmerk-
ſam-
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wegen, theils wegen der mit ihr verbundenen
Vortheile begehrt.
Ehre iſt Anerkennung unſers Werths von
Andern. Ob man wirklichen Werth habe oder
nicht, dies laͤßt die Eigenliebe ununterſucht, ſie
leiht auch Dem Vollkommenheit, der derſelben er-
mangelt: denn es iſt das unertraͤglichſte Gefuͤhl, ſich
fuͤr ganz werthlos halten zu muͤſſen. Je groͤßerer
Vollkommenheit man ſich bewußt, und je feſter
die Ueberzeugung davon iſt, deſto angenehmer iſt
der Gedanke an ſeine eigne Perſon, welche doch
am haͤufigſten in dem Bewußtſeyn iſt. — Al-
les alſo, was den Glauben des eignen Werths
befeſtigen kann, muß ſehr willkommen ſeyn, und
unſres Beſtrebens wuͤrdig ſcheinen.
Die Ehre hat dieſe wuͤnſchenswuͤrdige Be-
ſchaffenheit. Sie kann den Glauben an uns
ſelbſt feſter und ſicherer machen — denn man nimmt
es immer fuͤr einen Grund der Wahrſcheinlichkeit
einer Meynung an, wenn Mehrere darin uͤberein-
ſtimmen. Erkennen Andre unſren Werth nicht,
ſo koͤnnen wir es nicht verhindern, daß — unſre
Eigenliebe mag noch ſo ſehr dagegen ſchreyen —
nicht zuweilen der Gedanke in die Seele komme,
daß wir uns doch wohl taͤuſchen koͤnnten, oder
daß wenigſtens unſer Werth ſehr gering ſeyn muͤſ-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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