Sitten und Gebräuche betrifft, rechne. Meine Fragen bewegten sie mehrentheils zum Lachen. Oefters, wenn sie meine Reden in Ernst aufnah- men, wurden sie darüber etwas unwillig, zuckten die Achseln, oder brachen in allerhand Verwün- schungen aus. Wollte ich die Sache noch weiter treiben, so suchte ich sie dadurch herabzusetzen, daß ich sie mit dem Genie einer gewissen Pariser Volks- klasse, den Chevaliers d'Jndüstrie verglich; ich beschrieb ihnen die Talente dieser Chameleons, deren Betrügereyen man den sehr glimpflichen Na- men der Jndüstrie gegeben, und die zur Erlan- gung ihres Endzwecks hundertfache Mittel und Wege ausfinden, auf die reizendste Art; aber immer fiel der einmüthige Ausspruch dahin aus, daß sie ihr unschuldiges ländliches Leben jedem an- dern vorzögen; und daß jenes ihrer Meynung nach unanständig und verachtungswürdig sey, und eine Nation unendlich erniedrige, die sich doch über ein unverdorbnes, schuldloses Volk so sehr erhaben dünke."*)
Wenn man diese Züge der reinsten Herzens- güte nicht bey den Colonie-Hottentotten an- trift, so ist das nicht die Schuld der Natur, son- dern -- leider! -- die Schuld der Europäer. Durch die Lockspeisen des Tabacks und Brannte- weins wußte die Habsucht Dieser die unschuldigen
Wilden
*) Das. 1. Th. 114 f.
Sitten und Gebraͤuche betrifft, rechne. Meine Fragen bewegten ſie mehrentheils zum Lachen. Oefters, wenn ſie meine Reden in Ernſt aufnah- men, wurden ſie daruͤber etwas unwillig, zuckten die Achſeln, oder brachen in allerhand Verwuͤn- ſchungen aus. Wollte ich die Sache noch weiter treiben, ſo ſuchte ich ſie dadurch herabzuſetzen, daß ich ſie mit dem Genie einer gewiſſen Pariſer Volks- klaſſe, den Chevaliers d'Jnduͤſtrie verglich; ich beſchrieb ihnen die Talente dieſer Chameleons, deren Betruͤgereyen man den ſehr glimpflichen Na- men der Jnduͤſtrie gegeben, und die zur Erlan- gung ihres Endzwecks hundertfache Mittel und Wege ausfinden, auf die reizendſte Art; aber immer fiel der einmuͤthige Ausſpruch dahin aus, daß ſie ihr unſchuldiges laͤndliches Leben jedem an- dern vorzoͤgen; und daß jenes ihrer Meynung nach unanſtaͤndig und verachtungswuͤrdig ſey, und eine Nation unendlich erniedrige, die ſich doch uͤber ein unverdorbnes, ſchuldloſes Volk ſo ſehr erhaben duͤnke.„*)
Wenn man dieſe Zuͤge der reinſten Herzens- guͤte nicht bey den Colonie-Hottentotten an- trift, ſo iſt das nicht die Schuld der Natur, ſon- dern — leider! — die Schuld der Europaͤer. Durch die Lockſpeiſen des Tabacks und Brannte- weins wußte die Habſucht Dieſer die unſchuldigen
Wilden
*) Daſ. 1. Th. 114 f.
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Sitten und Gebraͤuche betrifft, rechne. Meine
Fragen bewegten ſie mehrentheils zum Lachen.
Oefters, wenn ſie meine Reden in Ernſt aufnah-
men, wurden ſie daruͤber etwas unwillig, zuckten
die Achſeln, oder brachen in allerhand Verwuͤn-
ſchungen aus. Wollte ich die Sache noch weiter
treiben, ſo ſuchte ich ſie dadurch herabzuſetzen, daß
ich ſie mit dem Genie einer gewiſſen Pariſer Volks-
klaſſe, den Chevaliers d'Jnduͤſtrie verglich;
ich beſchrieb ihnen die Talente dieſer Chameleons,
deren Betruͤgereyen man den ſehr glimpflichen Na-
men der Jnduͤſtrie gegeben, und die zur Erlan-
gung ihres Endzwecks hundertfache Mittel und
Wege ausfinden, auf die reizendſte Art; aber
immer fiel der einmuͤthige Ausſpruch dahin aus,
daß ſie ihr unſchuldiges laͤndliches Leben jedem an-
dern vorzoͤgen; und daß jenes ihrer Meynung
nach unanſtaͤndig und verachtungswuͤrdig ſey, und
eine Nation unendlich erniedrige, die ſich doch
uͤber ein unverdorbnes, ſchuldloſes Volk ſo ſehr
erhaben duͤnke.„ *)
Wenn man dieſe Zuͤge der reinſten Herzens-
guͤte nicht bey den Colonie-Hottentotten an-
trift, ſo iſt das nicht die Schuld der Natur, ſon-
dern — leider! — die Schuld der Europaͤer.
Durch die Lockſpeiſen des Tabacks und Brannte-
weins wußte die Habſucht Dieſer die unſchuldigen
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*) Daſ. 1. Th. 114 f.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/228>, abgerufen am 24.11.2024.
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