Bart, meine Haare und mein Gesicht: "Bey diesen, sagte ich zu mir selbst, hast du nichts zu befürchten; denn dies ist das erstemal, daß sie einen weißen Menschen sehen."*)
Wer würde nach solcher Bemerkung nicht in den Wunsch einstimmen, mit welchem der edle Vaillant, diese unschuldigen Nationen apostro- phirt?
"Glückliche Sterbliche! erhaltet noch lange diese schätzbare Unschuld, aber bleibet für immer unbekannt! Bereuet es nicht, unter einem bren- nenden Himmelsstrich gebohren zu seyn, einen dürren unfruchtbaren Boden zu bewohnen, der kaum Dornen und Disteln hervorbringt; sondern betrachtet dieses vielmehr als einen Vorzug, den euch der Himmel verlieh. Eure Wüsteneyen dürften vermuthlich die Habsucht der Weißen nie- mals reizen, vereinigt euch mit den benachbarten Völkerschaften, die so, wie ihr, die Europäer noch nicht kennen, und zerstört bis auf die gering- ste Spur jenes gelbe Pulver, das in euren Fel- sen und Bergen erzeugt wird. Jhr seyd auf im- mer verloren, wenn sie selbiges entdecken. Wis- set, daß eben dieses Pulver das größte Unglück für die Bewohner der Erde, und die Quelle aller Laster, aller Vergehungen ist: fürchtet vor
allen
*) Das. 1. Th. 216 f.
Bart, meine Haare und mein Geſicht: „Bey dieſen, ſagte ich zu mir ſelbſt, haſt du nichts zu befuͤrchten; denn dies iſt das erſtemal, daß ſie einen weißen Menſchen ſehen.„*)
Wer wuͤrde nach ſolcher Bemerkung nicht in den Wunſch einſtimmen, mit welchem der edle Vaillant, dieſe unſchuldigen Nationen apoſtro- phirt?
„Gluͤckliche Sterbliche! erhaltet noch lange dieſe ſchaͤtzbare Unſchuld, aber bleibet fuͤr immer unbekannt! Bereuet es nicht, unter einem bren- nenden Himmelsſtrich gebohren zu ſeyn, einen duͤrren unfruchtbaren Boden zu bewohnen, der kaum Dornen und Diſteln hervorbringt; ſondern betrachtet dieſes vielmehr als einen Vorzug, den euch der Himmel verlieh. Eure Wuͤſteneyen duͤrften vermuthlich die Habſucht der Weißen nie- mals reizen, vereinigt euch mit den benachbarten Voͤlkerſchaften, die ſo, wie ihr, die Europaͤer noch nicht kennen, und zerſtoͤrt bis auf die gering- ſte Spur jenes gelbe Pulver, das in euren Fel- ſen und Bergen erzeugt wird. Jhr ſeyd auf im- mer verloren, wenn ſie ſelbiges entdecken. Wiſ- ſet, daß eben dieſes Pulver das groͤßte Ungluͤck fuͤr die Bewohner der Erde, und die Quelle aller Laſter, aller Vergehungen iſt: fuͤrchtet vor
allen
*) Daſ. 1. Th. 216 f.
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Bart, meine Haare und mein Geſicht: „Bey
dieſen, ſagte ich zu mir ſelbſt, haſt du nichts zu
befuͤrchten; denn dies iſt das erſtemal, daß ſie
einen weißen Menſchen ſehen.„ *)
Wer wuͤrde nach ſolcher Bemerkung nicht in
den Wunſch einſtimmen, mit welchem der edle
Vaillant, dieſe unſchuldigen Nationen apoſtro-
phirt?
„Gluͤckliche Sterbliche! erhaltet noch lange
dieſe ſchaͤtzbare Unſchuld, aber bleibet fuͤr immer
unbekannt! Bereuet es nicht, unter einem bren-
nenden Himmelsſtrich gebohren zu ſeyn, einen
duͤrren unfruchtbaren Boden zu bewohnen, der
kaum Dornen und Diſteln hervorbringt; ſondern
betrachtet dieſes vielmehr als einen Vorzug, den
euch der Himmel verlieh. Eure Wuͤſteneyen
duͤrften vermuthlich die Habſucht der Weißen nie-
mals reizen, vereinigt euch mit den benachbarten
Voͤlkerſchaften, die ſo, wie ihr, die Europaͤer
noch nicht kennen, und zerſtoͤrt bis auf die gering-
ſte Spur jenes gelbe Pulver, das in euren Fel-
ſen und Bergen erzeugt wird. Jhr ſeyd auf im-
mer verloren, wenn ſie ſelbiges entdecken. Wiſ-
ſet, daß eben dieſes Pulver das groͤßte Ungluͤck
fuͤr die Bewohner der Erde, und die Quelle
aller Laſter, aller Vergehungen iſt: fuͤrchtet vor
allen
*) Daſ. 1. Th. 216 f.
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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