bringenden Leidenschaft, keinem Aberglauben, kei- ner Gewohnheit irre geführt, handeln, und man wird auch durch sie, die Güte der menschlichen Natur gerechtfertigt finden.
Neunzehnte Unterhaltung. Ueber die Liebe.
Vielleicht werden Manche meiner Leser und Lese- rinnen, welche über die vorhergehenden Unterhal- tungen hinwegeilten, durch die Ueberschrift der gegenwärtigen eingeladen, bey ihr zu verweilen, weil sie sich mit einem Gegenstande beschäftigt, der, wie kein andrer, für Alle interessant ist.
Diese Vorstellung, weit entfernt, mich zu einer leichtsinnigen Behandlung dieses Gegenstan- des zu verführen, erfüllt mich vielmehr mit dem ganzen Gefühle der Wichtigkeit und Schwierig- keit meines Unternehmens, und macht mich schüch- tern bey der Darlegung meiner Gedanken, weil der Egoismus mich nicht verblendet, das Verhält- niß meiner Kraft gegen den zu bearbeitenden Ge- genstand zum Vortheil jener unrichtig zu berechnen, und ich wohl fühle, wie kühn es ist, sich ohne den Scharfsinn eines Hemsterhüis, und den Geist eines Plato, an eine Entwickelung zu
wagen,
bringenden Leidenſchaft, keinem Aberglauben, kei- ner Gewohnheit irre gefuͤhrt, handeln, und man wird auch durch ſie, die Guͤte der menſchlichen Natur gerechtfertigt finden.
Neunzehnte Unterhaltung. Ueber die Liebe.
Vielleicht werden Manche meiner Leſer und Leſe- rinnen, welche uͤber die vorhergehenden Unterhal- tungen hinwegeilten, durch die Ueberſchrift der gegenwaͤrtigen eingeladen, bey ihr zu verweilen, weil ſie ſich mit einem Gegenſtande beſchaͤftigt, der, wie kein andrer, fuͤr Alle intereſſant iſt.
Dieſe Vorſtellung, weit entfernt, mich zu einer leichtſinnigen Behandlung dieſes Gegenſtan- des zu verfuͤhren, erfuͤllt mich vielmehr mit dem ganzen Gefuͤhle der Wichtigkeit und Schwierig- keit meines Unternehmens, und macht mich ſchuͤch- tern bey der Darlegung meiner Gedanken, weil der Egoismus mich nicht verblendet, das Verhaͤlt- niß meiner Kraft gegen den zu bearbeitenden Ge- genſtand zum Vortheil jener unrichtig zu berechnen, und ich wohl fuͤhle, wie kuͤhn es iſt, ſich ohne den Scharfſinn eines Hemſterhuͤis, und den Geiſt eines Plato, an eine Entwickelung zu
wagen,
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bringenden Leidenſchaft, keinem Aberglauben, kei-
ner Gewohnheit irre gefuͤhrt, handeln, und man
wird auch durch ſie, die Guͤte der menſchlichen
Natur gerechtfertigt finden.
Neunzehnte Unterhaltung.
Ueber die
Liebe.
Vielleicht werden Manche meiner Leſer und Leſe-
rinnen, welche uͤber die vorhergehenden Unterhal-
tungen hinwegeilten, durch die Ueberſchrift der
gegenwaͤrtigen eingeladen, bey ihr zu verweilen,
weil ſie ſich mit einem Gegenſtande beſchaͤftigt,
der, wie kein andrer, fuͤr Alle intereſſant iſt.
Dieſe Vorſtellung, weit entfernt, mich zu
einer leichtſinnigen Behandlung dieſes Gegenſtan-
des zu verfuͤhren, erfuͤllt mich vielmehr mit dem
ganzen Gefuͤhle der Wichtigkeit und Schwierig-
keit meines Unternehmens, und macht mich ſchuͤch-
tern bey der Darlegung meiner Gedanken, weil
der Egoismus mich nicht verblendet, das Verhaͤlt-
niß meiner Kraft gegen den zu bearbeitenden Ge-
genſtand zum Vortheil jener unrichtig zu berechnen,
und ich wohl fuͤhle, wie kuͤhn es iſt, ſich ohne
den Scharfſinn eines Hemſterhuͤis, und den
Geiſt eines Plato, an eine Entwickelung zu
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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