zählt, so wird der, welcher jenen hört und dieses liest, gerührt. Sein Herz fühlt jeden Ausdruck, strömt in Liebe, Verehrung und Theilnehmung zusammen, und übergiebt sich in diesem Augenblick mit Freuden dem, der es rührte.
Der Enthusiasmus ruft alle Kräfte zusam- men, um für das Gute und Große thätig zu seyn: die Rührung zerschmelzt alle Triebe und Kräfte, die dem Guten und Edlen entgegen sind, folgt willig jedem Zuge desselben, wirkt ein völli- ges Dahingeben. -- Um Enthusiasmus zu be- wirken, muß die Vernunft den Ehrtrieb für ihr Jnteresse gewinnen. Um Rührung hervorzubrin- gen, die Liebe und Sympathie. Jm Enthusias- mus regt sich Muth und stolzes Selbstgefühl. Die Rührung macht demüthig und sanftmüthig; der Enthusiasmus gießt Feuer und Heiterkeit ins Auge; die Rührung Thränen und Wehmuth.
Man kann vorzüglich zwey Arten der Rüh- rung unterscheiden, die Rührung des moralischen Gefühls und die Rührung der Sympathie. Je- ne entsteht, wenn irgend etwas, zum Beyspiel, eine würdevolle Rede, eine edle Handlung, die schöne Natur, alle Begierden der gröbern Sinn- lichkeit unterdrücken, und die edlen und sanften Gefühle im Herzen erwecken. Diese aber wird hervorgebracht, wenn unverdiente Leiden oder schuldlose Freuden unsrer Brüder in unser Herz
über-
Oo 5
zaͤhlt, ſo wird der, welcher jenen hoͤrt und dieſes lieſt, geruͤhrt. Sein Herz fuͤhlt jeden Ausdruck, ſtroͤmt in Liebe, Verehrung und Theilnehmung zuſammen, und uͤbergiebt ſich in dieſem Augenblick mit Freuden dem, der es ruͤhrte.
Der Enthuſiasmus ruft alle Kraͤfte zuſam- men, um fuͤr das Gute und Große thaͤtig zu ſeyn: die Ruͤhrung zerſchmelzt alle Triebe und Kraͤfte, die dem Guten und Edlen entgegen ſind, folgt willig jedem Zuge deſſelben, wirkt ein voͤlli- ges Dahingeben. — Um Enthuſiasmus zu be- wirken, muß die Vernunft den Ehrtrieb fuͤr ihr Jntereſſe gewinnen. Um Ruͤhrung hervorzubrin- gen, die Liebe und Sympathie. Jm Enthuſias- mus regt ſich Muth und ſtolzes Selbſtgefuͤhl. Die Ruͤhrung macht demuͤthig und ſanftmuͤthig; der Enthuſiasmus gießt Feuer und Heiterkeit ins Auge; die Ruͤhrung Thraͤnen und Wehmuth.
Man kann vorzuͤglich zwey Arten der Ruͤh- rung unterſcheiden, die Ruͤhrung des moraliſchen Gefuͤhls und die Ruͤhrung der Sympathie. Je- ne entſteht, wenn irgend etwas, zum Beyſpiel, eine wuͤrdevolle Rede, eine edle Handlung, die ſchoͤne Natur, alle Begierden der groͤbern Sinn- lichkeit unterdruͤcken, und die edlen und ſanften Gefuͤhle im Herzen erwecken. Dieſe aber wird hervorgebracht, wenn unverdiente Leiden oder ſchuldloſe Freuden unſrer Bruͤder in unſer Herz
uͤber-
Oo 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0301"n="585"/><lb/>
zaͤhlt, ſo wird der, welcher jenen hoͤrt und dieſes<lb/>
lieſt, geruͤhrt. Sein Herz fuͤhlt jeden Ausdruck,<lb/>ſtroͤmt in Liebe, Verehrung und Theilnehmung<lb/>
zuſammen, und uͤbergiebt ſich in dieſem Augenblick<lb/>
mit Freuden dem, der es ruͤhrte.</p><lb/><p>Der Enthuſiasmus ruft alle Kraͤfte zuſam-<lb/>
men, um fuͤr das Gute und Große thaͤtig zu<lb/>ſeyn: die Ruͤhrung zerſchmelzt alle Triebe und<lb/>
Kraͤfte, die dem Guten und Edlen <hirendition="#b">entgegen</hi>ſind,<lb/>
folgt willig jedem Zuge deſſelben, wirkt ein voͤlli-<lb/>
ges Dahingeben. — Um Enthuſiasmus zu be-<lb/>
wirken, muß die Vernunft den Ehrtrieb fuͤr ihr<lb/>
Jntereſſe gewinnen. Um Ruͤhrung hervorzubrin-<lb/>
gen, die Liebe und Sympathie. Jm Enthuſias-<lb/>
mus regt ſich Muth und ſtolzes Selbſtgefuͤhl.<lb/>
Die Ruͤhrung macht demuͤthig und ſanftmuͤthig;<lb/>
der Enthuſiasmus gießt Feuer und Heiterkeit ins<lb/>
Auge; die Ruͤhrung Thraͤnen und Wehmuth.</p><lb/><p>Man kann vorzuͤglich zwey Arten der Ruͤh-<lb/>
rung unterſcheiden, die Ruͤhrung des moraliſchen<lb/>
Gefuͤhls und die Ruͤhrung der Sympathie. Je-<lb/>
ne entſteht, wenn irgend etwas, zum Beyſpiel,<lb/>
eine wuͤrdevolle Rede, eine edle Handlung, die<lb/>ſchoͤne Natur, alle Begierden der groͤbern Sinn-<lb/>
lichkeit unterdruͤcken, und die edlen und ſanften<lb/>
Gefuͤhle im Herzen erwecken. Dieſe aber wird<lb/>
hervorgebracht, wenn unverdiente Leiden oder<lb/>ſchuldloſe Freuden unſrer Bruͤder in unſer Herz<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Oo 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">uͤber-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[585/0301]
zaͤhlt, ſo wird der, welcher jenen hoͤrt und dieſes
lieſt, geruͤhrt. Sein Herz fuͤhlt jeden Ausdruck,
ſtroͤmt in Liebe, Verehrung und Theilnehmung
zuſammen, und uͤbergiebt ſich in dieſem Augenblick
mit Freuden dem, der es ruͤhrte.
Der Enthuſiasmus ruft alle Kraͤfte zuſam-
men, um fuͤr das Gute und Große thaͤtig zu
ſeyn: die Ruͤhrung zerſchmelzt alle Triebe und
Kraͤfte, die dem Guten und Edlen entgegen ſind,
folgt willig jedem Zuge deſſelben, wirkt ein voͤlli-
ges Dahingeben. — Um Enthuſiasmus zu be-
wirken, muß die Vernunft den Ehrtrieb fuͤr ihr
Jntereſſe gewinnen. Um Ruͤhrung hervorzubrin-
gen, die Liebe und Sympathie. Jm Enthuſias-
mus regt ſich Muth und ſtolzes Selbſtgefuͤhl.
Die Ruͤhrung macht demuͤthig und ſanftmuͤthig;
der Enthuſiasmus gießt Feuer und Heiterkeit ins
Auge; die Ruͤhrung Thraͤnen und Wehmuth.
Man kann vorzuͤglich zwey Arten der Ruͤh-
rung unterſcheiden, die Ruͤhrung des moraliſchen
Gefuͤhls und die Ruͤhrung der Sympathie. Je-
ne entſteht, wenn irgend etwas, zum Beyſpiel,
eine wuͤrdevolle Rede, eine edle Handlung, die
ſchoͤne Natur, alle Begierden der groͤbern Sinn-
lichkeit unterdruͤcken, und die edlen und ſanften
Gefuͤhle im Herzen erwecken. Dieſe aber wird
hervorgebracht, wenn unverdiente Leiden oder
ſchuldloſe Freuden unſrer Bruͤder in unſer Herz
uͤber-
Oo 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/301>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.