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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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Der Grund dieses Triebes auf die Zukunft
zu sehen, der dem thierähnlichen Menschen zwar

fehlt,
wilde Völker habe, und wie so ganz allein sie durch
das gegenwärtige Bedürfniß bestimmt werden, be-
weißt unter andern auch folgende Anekdote: "Jm
Jahr 1740 kam ein Jtälmen und klagte einem Kauf-
mann, daß alle Nacht zwey Zobel in sein Vorraths-
haus kämen und Fische stählen. Der Kaufmann
lachte darüber, und fragte ihn: Warum fängst du
sie denn nicht? Was soll ich mit ihnen machen,
antwortete der Jtälmen, ich habe ja keine Schul-
den zu bezahlen! Der Kaufmann gab ihm ein halb
Pfund Toback, und sagte: Nimm es, so hast du
Schulden. Nach zwey Stunden brachte ihm der
Jtälmen beyde Zobel gefangen, und bezahlte seine
Schuld." Steller erzählt diese Anekdote in seine
Beschreibung von Kamtschatka. Mir ist indeß doch
einiger Zweifel an der Wahrheit derselben beygefal-
len, nicht als ob dies Faktum überhaupt bey einem
rohen Wilden unmöglich wäre, sondern nur in die-
sem Fall scheint es mir unwahrscheinlich. Denn
wer, wie dieser Jtälme, so klug ist sich ein Vor-
rathshaus
anzulegen, der würde doch auch wohl
so klug seyn, und dafür sorgen, daß der Vorrath
in demselben verwahrt wäre. Wenn die Sorge für
sein Vorrathshaus den Jtälmen nicht bestimmte, die
Zobel wegzufangen, wie sollte ihn denn ein halb
Pfund Toback, den er ohnedies nicht einmal noth-
wendig gebrauchte, dazu bestimmen?
Aa

Der Grund dieſes Triebes auf die Zukunft
zu ſehen, der dem thieraͤhnlichen Menſchen zwar

fehlt,
wilde Voͤlker habe, und wie ſo ganz allein ſie durch
das gegenwaͤrtige Beduͤrfniß beſtimmt werden, be-
weißt unter andern auch folgende Anekdote: „Jm
Jahr 1740 kam ein Jtaͤlmen und klagte einem Kauf-
mann, daß alle Nacht zwey Zobel in ſein Vorraths-
haus kaͤmen und Fiſche ſtaͤhlen. Der Kaufmann
lachte daruͤber, und fragte ihn: Warum faͤngſt du
ſie denn nicht? Was ſoll ich mit ihnen machen,
antwortete der Jtaͤlmen, ich habe ja keine Schul-
den zu bezahlen! Der Kaufmann gab ihm ein halb
Pfund Toback, und ſagte: Nimm es, ſo haſt du
Schulden. Nach zwey Stunden brachte ihm der
Jtaͤlmen beyde Zobel gefangen, und bezahlte ſeine
Schuld.„ Steller erzaͤhlt dieſe Anekdote in ſeine
Beſchreibung von Kamtſchatka. Mir iſt indeß doch
einiger Zweifel an der Wahrheit derſelben beygefal-
len, nicht als ob dies Faktum uͤberhaupt bey einem
rohen Wilden unmoͤglich waͤre, ſondern nur in die-
ſem Fall ſcheint es mir unwahrſcheinlich. Denn
wer, wie dieſer Jtaͤlme, ſo klug iſt ſich ein Vor-
rathshaus
anzulegen, der wuͤrde doch auch wohl
ſo klug ſeyn, und dafuͤr ſorgen, daß der Vorrath
in demſelben verwahrt waͤre. Wenn die Sorge fuͤr
ſein Vorrathshaus den Jtaͤlmen nicht beſtimmte, die
Zobel wegzufangen, wie ſollte ihn denn ein halb
Pfund Toback, den er ohnedies nicht einmal noth-
wendig gebrauchte, dazu beſtimmen?
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[369/0085] Der Grund dieſes Triebes auf die Zukunft zu ſehen, der dem thieraͤhnlichen Menſchen zwar fehlt, *) *) wilde Voͤlker habe, und wie ſo ganz allein ſie durch das gegenwaͤrtige Beduͤrfniß beſtimmt werden, be- weißt unter andern auch folgende Anekdote: „Jm Jahr 1740 kam ein Jtaͤlmen und klagte einem Kauf- mann, daß alle Nacht zwey Zobel in ſein Vorraths- haus kaͤmen und Fiſche ſtaͤhlen. Der Kaufmann lachte daruͤber, und fragte ihn: Warum faͤngſt du ſie denn nicht? Was ſoll ich mit ihnen machen, antwortete der Jtaͤlmen, ich habe ja keine Schul- den zu bezahlen! Der Kaufmann gab ihm ein halb Pfund Toback, und ſagte: Nimm es, ſo haſt du Schulden. Nach zwey Stunden brachte ihm der Jtaͤlmen beyde Zobel gefangen, und bezahlte ſeine Schuld.„ Steller erzaͤhlt dieſe Anekdote in ſeine Beſchreibung von Kamtſchatka. Mir iſt indeß doch einiger Zweifel an der Wahrheit derſelben beygefal- len, nicht als ob dies Faktum uͤberhaupt bey einem rohen Wilden unmoͤglich waͤre, ſondern nur in die- ſem Fall ſcheint es mir unwahrſcheinlich. Denn wer, wie dieſer Jtaͤlme, ſo klug iſt ſich ein Vor- rathshaus anzulegen, der wuͤrde doch auch wohl ſo klug ſeyn, und dafuͤr ſorgen, daß der Vorrath in demſelben verwahrt waͤre. Wenn die Sorge fuͤr ſein Vorrathshaus den Jtaͤlmen nicht beſtimmte, die Zobel wegzufangen, wie ſollte ihn denn ein halb Pfund Toback, den er ohnedies nicht einmal noth- wendig gebrauchte, dazu beſtimmen? Aa

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/85>, abgerufen am 09.11.2024.