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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Der Donner entlud sich wieder mit einem furchtbaren Schlage -- die bleiche, gespensterhafte Gestalt war verschwunden -- die himmlischen Regen rauschten hernieder, erquickten das Land, und Düvecke athmete auf in der Frische und fühlte sich frisch erquickt -- einen Augenblick -- den letzten.

Er wollte Hülfe rufen -- einen Arzt herbeiholen -- wenigstens ihre Mutter Sigbritte rufen. -- Aber sie wehrte ihm Alles durch leise Zeichen.

Nun trat seine Kraft ein. Die That war entschieden, die Wirkung mußte groß und gewaltig sein. Er bereute nicht -- seine Düvecke schien endlich wieder glücklich, ja sie sollte bald ganz selig werden -- denn sie war ja ohne Sünde, wenn auf Mutterliebe und Verehrung der Aeltern die alte Verheißung ruht -- dachte er. Er freute sich nun sogar, daß die Geliebte in seinen Armen sterben würde, daß sie ihm noch zuletzt erst, ganz zuletzt, wenn kein Augenblick der Beschämung für sie mehr darauf folgen konnte -- daß sie ihm dann als rein, allein wahr und ewig geltend das Wort als Vermächtniß sagen werde: Torbern -- ich habe dich geliebt! --

Aber es kam anders. Düvecke begehrte nach ihrer Mutter! -- Es ist billig und kindlich, daß ich da den letzten Augenblick des Lebens vollbringe, wo ich den ersten angefangen -- wo ich so selig war -- an der Mutter Brust! Ich bin glücklich, vor Tausenden glücklich, sprach sie zu sich selbst; wenn es andern Kindern gut

Der Donner entlud sich wieder mit einem furchtbaren Schlage — die bleiche, gespensterhafte Gestalt war verschwunden — die himmlischen Regen rauschten hernieder, erquickten das Land, und Düvecke athmete auf in der Frische und fühlte sich frisch erquickt — einen Augenblick — den letzten.

Er wollte Hülfe rufen — einen Arzt herbeiholen — wenigstens ihre Mutter Sigbritte rufen. — Aber sie wehrte ihm Alles durch leise Zeichen.

Nun trat seine Kraft ein. Die That war entschieden, die Wirkung mußte groß und gewaltig sein. Er bereute nicht — seine Düvecke schien endlich wieder glücklich, ja sie sollte bald ganz selig werden — denn sie war ja ohne Sünde, wenn auf Mutterliebe und Verehrung der Aeltern die alte Verheißung ruht — dachte er. Er freute sich nun sogar, daß die Geliebte in seinen Armen sterben würde, daß sie ihm noch zuletzt erst, ganz zuletzt, wenn kein Augenblick der Beschämung für sie mehr darauf folgen konnte — daß sie ihm dann als rein, allein wahr und ewig geltend das Wort als Vermächtniß sagen werde: Torbern — ich habe dich geliebt! —

Aber es kam anders. Düvecke begehrte nach ihrer Mutter! — Es ist billig und kindlich, daß ich da den letzten Augenblick des Lebens vollbringe, wo ich den ersten angefangen — wo ich so selig war — an der Mutter Brust! Ich bin glücklich, vor Tausenden glücklich, sprach sie zu sich selbst; wenn es andern Kindern gut

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[0103] Der Donner entlud sich wieder mit einem furchtbaren Schlage — die bleiche, gespensterhafte Gestalt war verschwunden — die himmlischen Regen rauschten hernieder, erquickten das Land, und Düvecke athmete auf in der Frische und fühlte sich frisch erquickt — einen Augenblick — den letzten. Er wollte Hülfe rufen — einen Arzt herbeiholen — wenigstens ihre Mutter Sigbritte rufen. — Aber sie wehrte ihm Alles durch leise Zeichen. Nun trat seine Kraft ein. Die That war entschieden, die Wirkung mußte groß und gewaltig sein. Er bereute nicht — seine Düvecke schien endlich wieder glücklich, ja sie sollte bald ganz selig werden — denn sie war ja ohne Sünde, wenn auf Mutterliebe und Verehrung der Aeltern die alte Verheißung ruht — dachte er. Er freute sich nun sogar, daß die Geliebte in seinen Armen sterben würde, daß sie ihm noch zuletzt erst, ganz zuletzt, wenn kein Augenblick der Beschämung für sie mehr darauf folgen konnte — daß sie ihm dann als rein, allein wahr und ewig geltend das Wort als Vermächtniß sagen werde: Torbern — ich habe dich geliebt! — Aber es kam anders. Düvecke begehrte nach ihrer Mutter! — Es ist billig und kindlich, daß ich da den letzten Augenblick des Lebens vollbringe, wo ich den ersten angefangen — wo ich so selig war — an der Mutter Brust! Ich bin glücklich, vor Tausenden glücklich, sprach sie zu sich selbst; wenn es andern Kindern gut

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/103>, abgerufen am 29.11.2024.