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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Ihr findet tausend Weiber, und ich gönne Euch die Schönste und Beste von Allen, außer meiner Düvecke, schon darum: weil sie Euch nicht will! Fragt sie selbst! Rede ich wahr?

Und die spröde Düvecke sank in seinen Arm; sie weinte; er weinte; sie küßte ihn nicht, er sie nicht. Sie wollte ihn nicht beleidigen dadurch, daß sie sich ihm zuerst entzog; er vermochte sie nicht von seinem Herzen zu stoßen. Und so blieben sie in der seltsamsten Umarmung, bis die Mutter zu ihnen sagte: Kinder, vergebt euch! trennt euch! und meinetwegen liebt euch; aber das müßte sein wie ein Irrlicht am Tage, das Niemand sieht, und die Sonne gar nicht! Ich bin zwar eisenfest; aber wenn ein ehrenwerther Mann die Tochter liebt, das hält keine Mutter aus; denn sonst hätte ich Euch die Augen ausgekratzt! Sie gab ihm nun selbst einen Kuß auf die Stirn und bat ihn heimlich, heimlich ihr Haus zu verlassen und in diesen Tagen sein Schloß wohl zu hüten!

Indeß waren die Flammen der Abendröthe am Himmel erloschen, die Sichel des Neumonds blinkte schon silbern zwischen den düstern Gestalten der ziehenden Abendwolken, Nachtvögel schwirrten schon an der Küste; das Schiff mußte gelandet sein, denn erschreckender Jubel erscholl ganz nahe drunten an den Häusern; Fackelschein floß hin und her -- Er war da, sie war nöthig, und so riß die Mutter ihre Tochter mit fort; Torbern aber blieb zurück, allein, voll Eifersucht, Liebe,

Ihr findet tausend Weiber, und ich gönne Euch die Schönste und Beste von Allen, außer meiner Düvecke, schon darum: weil sie Euch nicht will! Fragt sie selbst! Rede ich wahr?

Und die spröde Düvecke sank in seinen Arm; sie weinte; er weinte; sie küßte ihn nicht, er sie nicht. Sie wollte ihn nicht beleidigen dadurch, daß sie sich ihm zuerst entzog; er vermochte sie nicht von seinem Herzen zu stoßen. Und so blieben sie in der seltsamsten Umarmung, bis die Mutter zu ihnen sagte: Kinder, vergebt euch! trennt euch! und meinetwegen liebt euch; aber das müßte sein wie ein Irrlicht am Tage, das Niemand sieht, und die Sonne gar nicht! Ich bin zwar eisenfest; aber wenn ein ehrenwerther Mann die Tochter liebt, das hält keine Mutter aus; denn sonst hätte ich Euch die Augen ausgekratzt! Sie gab ihm nun selbst einen Kuß auf die Stirn und bat ihn heimlich, heimlich ihr Haus zu verlassen und in diesen Tagen sein Schloß wohl zu hüten!

Indeß waren die Flammen der Abendröthe am Himmel erloschen, die Sichel des Neumonds blinkte schon silbern zwischen den düstern Gestalten der ziehenden Abendwolken, Nachtvögel schwirrten schon an der Küste; das Schiff mußte gelandet sein, denn erschreckender Jubel erscholl ganz nahe drunten an den Häusern; Fackelschein floß hin und her — Er war da, sie war nöthig, und so riß die Mutter ihre Tochter mit fort; Torbern aber blieb zurück, allein, voll Eifersucht, Liebe,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/18>, abgerufen am 23.11.2024.