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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Muth. Aber eine bescheidene Jungfrau scheut nichts so sehr, als ihren Werth zu zeigen oder zu sagen; sie wäre lieber nicht da, und unsichtbar, und bloß ihren Geist, den Geift der Liebe fände ein Mann liebenswerth, und er beschwüre sie aus ihrem geheimnißvollen Dasein in das schöne Leben, und dann erschiene sie ihm schön und unsterblich, reich ausgestattet mit allen Schätzen des Himmels und allen Reizen der Erde zugleich. So ein holder Widerspruch liegt in dem Herzen der Frauen; und ob die Gewöhnlichen unter ihnen gleich die Schönheit als ihren höchsten Werth sowohl sich und Andern anrechnen, so liegt doch noch ein Himmlisches in ihnen -- nicht der Stolz, sondern das Gefühl: daß sie Natur sind, die sicher in ihrem Dasein ist, und ruhig in ihrer schönen Erscheinung.

Düvecke schwieg also. Aber ihr Schweigen war einer allmächtigen Rede gleich für diesen Herrn Faaburg, ja es war eine Herausforderung für ihn, da es auch kein Zurückweisen bedeutete. Denn er schien ein großer, das heißt, ein erfahrener Weiberkenner; und diese Erfahrung macht nicht groß, höchstens eitel, frei im Betragen, ja auch wohl frech. Er kam manche Nacht gar nicht aus dem Kloster, worin der Herzog wohnte, und welches nicht alle seine Leute faßte. Er entschuldigte sich mit Arbeiten -- bei Düvecke. Aber seiner Sache sicher schon auf den ersten Blick, sprach er in den folgenden Tagen zu Düvecke wie ein Doctor mit einer Kranken, deren Leiden er alle aus ihren Worten oder

Muth. Aber eine bescheidene Jungfrau scheut nichts so sehr, als ihren Werth zu zeigen oder zu sagen; sie wäre lieber nicht da, und unsichtbar, und bloß ihren Geist, den Geift der Liebe fände ein Mann liebenswerth, und er beschwüre sie aus ihrem geheimnißvollen Dasein in das schöne Leben, und dann erschiene sie ihm schön und unsterblich, reich ausgestattet mit allen Schätzen des Himmels und allen Reizen der Erde zugleich. So ein holder Widerspruch liegt in dem Herzen der Frauen; und ob die Gewöhnlichen unter ihnen gleich die Schönheit als ihren höchsten Werth sowohl sich und Andern anrechnen, so liegt doch noch ein Himmlisches in ihnen — nicht der Stolz, sondern das Gefühl: daß sie Natur sind, die sicher in ihrem Dasein ist, und ruhig in ihrer schönen Erscheinung.

Düvecke schwieg also. Aber ihr Schweigen war einer allmächtigen Rede gleich für diesen Herrn Faaburg, ja es war eine Herausforderung für ihn, da es auch kein Zurückweisen bedeutete. Denn er schien ein großer, das heißt, ein erfahrener Weiberkenner; und diese Erfahrung macht nicht groß, höchstens eitel, frei im Betragen, ja auch wohl frech. Er kam manche Nacht gar nicht aus dem Kloster, worin der Herzog wohnte, und welches nicht alle seine Leute faßte. Er entschuldigte sich mit Arbeiten — bei Düvecke. Aber seiner Sache sicher schon auf den ersten Blick, sprach er in den folgenden Tagen zu Düvecke wie ein Doctor mit einer Kranken, deren Leiden er alle aus ihren Worten oder

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[0028] Muth. Aber eine bescheidene Jungfrau scheut nichts so sehr, als ihren Werth zu zeigen oder zu sagen; sie wäre lieber nicht da, und unsichtbar, und bloß ihren Geist, den Geift der Liebe fände ein Mann liebenswerth, und er beschwüre sie aus ihrem geheimnißvollen Dasein in das schöne Leben, und dann erschiene sie ihm schön und unsterblich, reich ausgestattet mit allen Schätzen des Himmels und allen Reizen der Erde zugleich. So ein holder Widerspruch liegt in dem Herzen der Frauen; und ob die Gewöhnlichen unter ihnen gleich die Schönheit als ihren höchsten Werth sowohl sich und Andern anrechnen, so liegt doch noch ein Himmlisches in ihnen — nicht der Stolz, sondern das Gefühl: daß sie Natur sind, die sicher in ihrem Dasein ist, und ruhig in ihrer schönen Erscheinung. Düvecke schwieg also. Aber ihr Schweigen war einer allmächtigen Rede gleich für diesen Herrn Faaburg, ja es war eine Herausforderung für ihn, da es auch kein Zurückweisen bedeutete. Denn er schien ein großer, das heißt, ein erfahrener Weiberkenner; und diese Erfahrung macht nicht groß, höchstens eitel, frei im Betragen, ja auch wohl frech. Er kam manche Nacht gar nicht aus dem Kloster, worin der Herzog wohnte, und welches nicht alle seine Leute faßte. Er entschuldigte sich mit Arbeiten — bei Düvecke. Aber seiner Sache sicher schon auf den ersten Blick, sprach er in den folgenden Tagen zu Düvecke wie ein Doctor mit einer Kranken, deren Leiden er alle aus ihren Worten oder

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/28>, abgerufen am 28.04.2024.