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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die Kinder das Reich . . . oder wollt' ich sagen, machen sie, was sie wollen, mit dem Lande, den Gütern, dem Gelde und mit sich selbst. Höchstens geht hin und wieder ein Saatkorn auf, das die guten alten Leute in ihrer Kinder Herz gesäet, als der Boden noch weich war. Aber die Welt tritt ihn hart schon bei ihren Lebzeiten und unter ihren Augen. Und wird auch nun Manches unterlassen, was der Aeltern Vorsicht zu thun gerathen, so geschieht auch dagegen Manches nicht nur, was sie widerrathen haben, sondern, was sie auch voraussehen können. Denn jedes Geschlecht muß eigene Augen haben und sehen, was ihm gut ist. Wie viel mehr jeder Mensch, jeder Mann -- und also auch Faaburg! Ich wünschte von Herzen, du hättest seiner Aeltern Segen! Nun -- das kann nicht sein. Aber du wirst auch ihren Fluch nicht haben -- und das ist genug. Alles für ein billiges Weib aber ist des Mannes ganze und treue Liebe. Laß uns also harren und dulden; der Tag der Freude kommt unverhofft. Und -- sage ich dir aus meiner Erfahrung -- ein Mädchen wartet gern ihr halbes Leben lang schon auf den Bräutigam; und eine Braut gern stille Jahre lang, bis der Bräutigam ihr Mann ist -- denn jede möchte gern die Ehre erleben, das Gefühl: daß sie allen Weibern auf Erden gleich ist. Und du sollst mehr erleben! Heiße ihn also freundlich willkommen, auch wenn er düster wiederkommt, und lies seinen Brief -- so -- wie es sich nun für dich geziemt. Denn du bist sein. Und du bist Schuld!

die Kinder das Reich . . . oder wollt' ich sagen, machen sie, was sie wollen, mit dem Lande, den Gütern, dem Gelde und mit sich selbst. Höchstens geht hin und wieder ein Saatkorn auf, das die guten alten Leute in ihrer Kinder Herz gesäet, als der Boden noch weich war. Aber die Welt tritt ihn hart schon bei ihren Lebzeiten und unter ihren Augen. Und wird auch nun Manches unterlassen, was der Aeltern Vorsicht zu thun gerathen, so geschieht auch dagegen Manches nicht nur, was sie widerrathen haben, sondern, was sie auch voraussehen können. Denn jedes Geschlecht muß eigene Augen haben und sehen, was ihm gut ist. Wie viel mehr jeder Mensch, jeder Mann — und also auch Faaburg! Ich wünschte von Herzen, du hättest seiner Aeltern Segen! Nun — das kann nicht sein. Aber du wirst auch ihren Fluch nicht haben — und das ist genug. Alles für ein billiges Weib aber ist des Mannes ganze und treue Liebe. Laß uns also harren und dulden; der Tag der Freude kommt unverhofft. Und — sage ich dir aus meiner Erfahrung — ein Mädchen wartet gern ihr halbes Leben lang schon auf den Bräutigam; und eine Braut gern stille Jahre lang, bis der Bräutigam ihr Mann ist — denn jede möchte gern die Ehre erleben, das Gefühl: daß sie allen Weibern auf Erden gleich ist. Und du sollst mehr erleben! Heiße ihn also freundlich willkommen, auch wenn er düster wiederkommt, und lies seinen Brief — so — wie es sich nun für dich geziemt. Denn du bist sein. Und du bist Schuld!

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[0046] die Kinder das Reich . . . oder wollt' ich sagen, machen sie, was sie wollen, mit dem Lande, den Gütern, dem Gelde und mit sich selbst. Höchstens geht hin und wieder ein Saatkorn auf, das die guten alten Leute in ihrer Kinder Herz gesäet, als der Boden noch weich war. Aber die Welt tritt ihn hart schon bei ihren Lebzeiten und unter ihren Augen. Und wird auch nun Manches unterlassen, was der Aeltern Vorsicht zu thun gerathen, so geschieht auch dagegen Manches nicht nur, was sie widerrathen haben, sondern, was sie auch voraussehen können. Denn jedes Geschlecht muß eigene Augen haben und sehen, was ihm gut ist. Wie viel mehr jeder Mensch, jeder Mann — und also auch Faaburg! Ich wünschte von Herzen, du hättest seiner Aeltern Segen! Nun — das kann nicht sein. Aber du wirst auch ihren Fluch nicht haben — und das ist genug. Alles für ein billiges Weib aber ist des Mannes ganze und treue Liebe. Laß uns also harren und dulden; der Tag der Freude kommt unverhofft. Und — sage ich dir aus meiner Erfahrung — ein Mädchen wartet gern ihr halbes Leben lang schon auf den Bräutigam; und eine Braut gern stille Jahre lang, bis der Bräutigam ihr Mann ist — denn jede möchte gern die Ehre erleben, das Gefühl: daß sie allen Weibern auf Erden gleich ist. Und du sollst mehr erleben! Heiße ihn also freundlich willkommen, auch wenn er düster wiederkommt, und lies seinen Brief — so — wie es sich nun für dich geziemt. Denn du bist sein. Und du bist Schuld!

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/46>, abgerufen am 28.04.2024.