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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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lassen, und war erst nach mehrmaligem Hin- und Herziehen desselben zufrieden gewesen, daß sich Torbern desselben für seine Düvecke bemächtige. Sie war hochroth dabei geworden, war ihm noch einmal nachgeeilt, als er damit geschieden, und hatte dann in Gedanken die Hände gefaltet.

Er wußte nicht, aber ihm war das recht, was er ahnete. So ging er zu Düvecke und lächelte höhnisch das Bild des Königs an, das in ihrem Zimmer hing, und ohne helfen oder schreien oder das Schwert ziehen zu können, still Dem würde zusehen müssen, was nun geschehen mochte.

Düvecke kam; und kalter Schauer durchrieselte sein Gebein. Er ging dem schönen, edeln, hohen und doch so zarten Gebild mit der heftigsten Aufsiedung aller Gefühle entgegen. Sie erhob die Hand vor ihm. Sie senkte die Hand, senkte das Köpfchen mit dem vollen blonden Haar, sie senkte das große blaue Auge -- und er umschlang sie, und drückte sie einen kurzen Augenblick -- aber für ihn eine Zeit, die der Ewigkeit der Liebe gleich galt, an sein blutendes Herz. Er empfand das vollste reinste Lieben -- nicht Liebe, denn seine Gedanken waren hoch über diese erhoben; es war etwas Anderes, was ihn wie Geist der Welt durchfloß und durchwehte -- eine unaussprechliche Milde und Strenge, ein unaussprechliches Achten und Verachten zugleich.

Torbern! lispelte sie, es ist genug.

Es ist genug! wiederholte er betrübt und doch be-

lassen, und war erst nach mehrmaligem Hin- und Herziehen desselben zufrieden gewesen, daß sich Torbern desselben für seine Düvecke bemächtige. Sie war hochroth dabei geworden, war ihm noch einmal nachgeeilt, als er damit geschieden, und hatte dann in Gedanken die Hände gefaltet.

Er wußte nicht, aber ihm war das recht, was er ahnete. So ging er zu Düvecke und lächelte höhnisch das Bild des Königs an, das in ihrem Zimmer hing, und ohne helfen oder schreien oder das Schwert ziehen zu können, still Dem würde zusehen müssen, was nun geschehen mochte.

Düvecke kam; und kalter Schauer durchrieselte sein Gebein. Er ging dem schönen, edeln, hohen und doch so zarten Gebild mit der heftigsten Aufsiedung aller Gefühle entgegen. Sie erhob die Hand vor ihm. Sie senkte die Hand, senkte das Köpfchen mit dem vollen blonden Haar, sie senkte das große blaue Auge — und er umschlang sie, und drückte sie einen kurzen Augenblick — aber für ihn eine Zeit, die der Ewigkeit der Liebe gleich galt, an sein blutendes Herz. Er empfand das vollste reinste Lieben — nicht Liebe, denn seine Gedanken waren hoch über diese erhoben; es war etwas Anderes, was ihn wie Geist der Welt durchfloß und durchwehte — eine unaussprechliche Milde und Strenge, ein unaussprechliches Achten und Verachten zugleich.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/99>, abgerufen am 28.11.2024.