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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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ihn sich pflegen und ausruhen und Ekkehard war fröhlich und guter
Dinge nach leicht erstandener Gefahr ...

In der Nacht, die jenem Tage folgte, trug sich's im Kloster
Sanct Gallen zu, daß Romeias der Wächter ohn' allen Anlaß von
seiner Matte auffuhr und grimmig in sein Horn stieß, so daß die
Hunde im Klosterhof anschlugen und Alles wach wurde und zusammen-
lief -- und war doch weit und breit Niemand, der Einlaß begehrte.
Der Abt schrieb's auf Rechnung böser Geister, ließ aber zugleich des
Romeias Vespertrunk sechs Tage lang auf die Hälfte herabsetzen, --
eine Maßregel, die jedoch auf Voraussetzung eines gänzlich unrichtigen
Grundes beruhte.



Siebentes Kapitel.
Virgilius auf dem hohen Twiel.


Wenn Einer seine Uebersiedelung an neuen Wohnsitz glücklich be-
werkstelligt hat, dann ist's ein anmuthig und reizend Geschäft, sich
wohnlich einzurichten.

Ist auch gar nicht so gleichgiltig, in was Stube und Umgebung
Einer haust, und wessen Fenster auf die Heerstraße zielen, wo die
Lastwagen fahren und die Steine geklopft werden, bei dem halten
sicherlich mehr graue und verstäubte als buntfarbige Gedanken Einkehr.

Darüber hatte sich nun Ekkehard keine Sorgen zu machen, denn
die Herzogsburg auf dem Twiel lag luftig und hoch und einsam, --
aber ganz zufrieden war er auch nicht, als ihm Frau Hadwig Tags
nach seiner Ankunft seinen Wohnsitz anwies.

Es war ein groß luftig Gemach mit säulendurchtheiltem Rund-
bogenfenster, aber an demselben Gang gelegen, an den auch der Her-
zogin Saal und Zimmer stießen. Der Eindruck, den Einer aus ab-

ihn ſich pflegen und ausruhen und Ekkehard war fröhlich und guter
Dinge nach leicht erſtandener Gefahr ...

In der Nacht, die jenem Tage folgte, trug ſich's im Kloſter
Sanct Gallen zu, daß Romeias der Wächter ohn' allen Anlaß von
ſeiner Matte auffuhr und grimmig in ſein Horn ſtieß, ſo daß die
Hunde im Kloſterhof anſchlugen und Alles wach wurde und zuſammen-
lief — und war doch weit und breit Niemand, der Einlaß begehrte.
Der Abt ſchrieb's auf Rechnung böſer Geiſter, ließ aber zugleich des
Romeias Vespertrunk ſechs Tage lang auf die Hälfte herabſetzen, —
eine Maßregel, die jedoch auf Vorausſetzung eines gänzlich unrichtigen
Grundes beruhte.



Siebentes Kapitel.
Virgilius auf dem hohen Twiel.


Wenn Einer ſeine Ueberſiedelung an neuen Wohnſitz glücklich be-
werkſtelligt hat, dann iſt's ein anmuthig und reizend Geſchäft, ſich
wohnlich einzurichten.

Iſt auch gar nicht ſo gleichgiltig, in was Stube und Umgebung
Einer haust, und weſſen Fenſter auf die Heerſtraße zielen, wo die
Laſtwagen fahren und die Steine geklopft werden, bei dem halten
ſicherlich mehr graue und verſtäubte als buntfarbige Gedanken Einkehr.

Darüber hatte ſich nun Ekkehard keine Sorgen zu machen, denn
die Herzogsburg auf dem Twiel lag luftig und hoch und einſam, —
aber ganz zufrieden war er auch nicht, als ihm Frau Hadwig Tags
nach ſeiner Ankunft ſeinen Wohnſitz anwies.

Es war ein groß luftig Gemach mit ſäulendurchtheiltem Rund-
bogenfenſter, aber an demſelben Gang gelegen, an den auch der Her-
zogin Saal und Zimmer ſtießen. Der Eindruck, den Einer aus ab-

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[78/0100] ihn ſich pflegen und ausruhen und Ekkehard war fröhlich und guter Dinge nach leicht erſtandener Gefahr ... In der Nacht, die jenem Tage folgte, trug ſich's im Kloſter Sanct Gallen zu, daß Romeias der Wächter ohn' allen Anlaß von ſeiner Matte auffuhr und grimmig in ſein Horn ſtieß, ſo daß die Hunde im Kloſterhof anſchlugen und Alles wach wurde und zuſammen- lief — und war doch weit und breit Niemand, der Einlaß begehrte. Der Abt ſchrieb's auf Rechnung böſer Geiſter, ließ aber zugleich des Romeias Vespertrunk ſechs Tage lang auf die Hälfte herabſetzen, — eine Maßregel, die jedoch auf Vorausſetzung eines gänzlich unrichtigen Grundes beruhte. Siebentes Kapitel. Virgilius auf dem hohen Twiel. Wenn Einer ſeine Ueberſiedelung an neuen Wohnſitz glücklich be- werkſtelligt hat, dann iſt's ein anmuthig und reizend Geſchäft, ſich wohnlich einzurichten. Iſt auch gar nicht ſo gleichgiltig, in was Stube und Umgebung Einer haust, und weſſen Fenſter auf die Heerſtraße zielen, wo die Laſtwagen fahren und die Steine geklopft werden, bei dem halten ſicherlich mehr graue und verſtäubte als buntfarbige Gedanken Einkehr. Darüber hatte ſich nun Ekkehard keine Sorgen zu machen, denn die Herzogsburg auf dem Twiel lag luftig und hoch und einſam, — aber ganz zufrieden war er auch nicht, als ihm Frau Hadwig Tags nach ſeiner Ankunft ſeinen Wohnſitz anwies. Es war ein groß luftig Gemach mit ſäulendurchtheiltem Rund- bogenfenſter, aber an demſelben Gang gelegen, an den auch der Her- zogin Saal und Zimmer ſtießen. Der Eindruck, den Einer aus ab-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/100>, abgerufen am 23.11.2024.