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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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beten den dreieinigen Gott, gehen noch Weissager umher und Traumdeuter
und Traumscheider und Liedersetzer und Räthsellöser, vor Allem aber sind
unter den Töchtern Eva's die Anhängerinnen solcher Künste zu suchen ..

Ihr werdet artig, unterbrach ihn Frau Hadwig --

Denn der Frauen Gemüth, fuhr Ekkehard fort, ist allzeit neugie-
riger Erforschung und Ausübung verbotener Dinge zugewendet. Wenn
wir mit Lesung des Virgilius fortschreiten, werdet Ihr den Ausbund
der Zauberei in Gestalt des Weibes Circe ang[e]deutet sehen, die auf
unzugänglichem Vorgebirg singend haust, lieblich duftender Spahn von
Cederholz erleuchtet die dunkeln Gemächer, mit fleißigem Weberschifflein
webt sie viel zartes Gezeug, aber draußen im Hof tönt seufzendes
Knurren von Löwen und Wölfen und der Schweine Gegrunz, die sie
alle aus Menschen durch zaubrischen Trank in der Thiere Gestalt
verwandelt ...

Ihr sprechet ja wie ein Buch, sagte die Herzogin spitz. Ihr sollet
Eure Wissenschaft von der Zauberei weiter bilden. Reitet denn auf
den hohen Krähen hinüber und untersuchet, ob die Waldfrau eine
Circe, und regieret in unserem Namen, wir sind neugierig, was Eure
Weisheit ordnet.

Es ist nicht meine Wissenschaft, erwiederte er ausweichend, wie
man die Völker regiert und die Dinge der Welt gebietend schlichtet.

Das findet sich, sprach Frau Hadwig, es hat noch selten Einen in
Verlegenheit gebracht, am wenigsten einen Sohn der Kirche.

Ekkehard fügte sich. Der Auftrag war ihm ein Beweis von Ver-
trauen. Andern Morgens ritt er nach dem hohen Krähen. Den
Audifax nahm er mit, daß er ihm den Weg zeige. Glückliche Reise,
Herr Reichskanzler! rief ihm eine lachende Stimme nach. Es war
Praxedis.

Bald kamen sie vor der Waldfrau Behausung. Auf einem Vor-
sprung in halber Höhe des steilen Felsens stand ihre steinerne Hütte,
mächtige Eich- und Buchstämme breiteten ihre Aeste drüber und ver-
deckten den ragenden Gipfel des hohen Krähen. Drei wie Stufen
geschichtete Klingsteinplatten führten in's Innere. Es war eine hohe
dunkle Stube. Viel getrocknete Waldkräuter lagen aufgehäuft, wür-
ziger Geruch entströmte ihnen; drei weißgebleichte Pferdsschädel grinsten
gespenstig von den Pfeilern der Wand herab,126) ein riesig Hirsch-

beten den dreieinigen Gott, gehen noch Weiſſager umher und Traumdeuter
und Traumſcheider und Liederſetzer und Räthſellöſer, vor Allem aber ſind
unter den Töchtern Eva's die Anhängerinnen ſolcher Künſte zu ſuchen ..

Ihr werdet artig, unterbrach ihn Frau Hadwig —

Denn der Frauen Gemüth, fuhr Ekkehard fort, iſt allzeit neugie-
riger Erforſchung und Ausübung verbotener Dinge zugewendet. Wenn
wir mit Leſung des Virgilius fortſchreiten, werdet Ihr den Ausbund
der Zauberei in Geſtalt des Weibes Circe ang[e]deutet ſehen, die auf
unzugänglichem Vorgebirg ſingend haust, lieblich duftender Spahn von
Cederholz erleuchtet die dunkeln Gemächer, mit fleißigem Weberſchifflein
webt ſie viel zartes Gezeug, aber draußen im Hof tönt ſeufzendes
Knurren von Löwen und Wölfen und der Schweine Gegrunz, die ſie
alle aus Menſchen durch zaubriſchen Trank in der Thiere Geſtalt
verwandelt ...

Ihr ſprechet ja wie ein Buch, ſagte die Herzogin ſpitz. Ihr ſollet
Eure Wiſſenſchaft von der Zauberei weiter bilden. Reitet denn auf
den hohen Krähen hinüber und unterſuchet, ob die Waldfrau eine
Circe, und regieret in unſerem Namen, wir ſind neugierig, was Eure
Weisheit ordnet.

Es iſt nicht meine Wiſſenſchaft, erwiederte er ausweichend, wie
man die Völker regiert und die Dinge der Welt gebietend ſchlichtet.

Das findet ſich, ſprach Frau Hadwig, es hat noch ſelten Einen in
Verlegenheit gebracht, am wenigſten einen Sohn der Kirche.

Ekkehard fügte ſich. Der Auftrag war ihm ein Beweis von Ver-
trauen. Andern Morgens ritt er nach dem hohen Krähen. Den
Audifax nahm er mit, daß er ihm den Weg zeige. Glückliche Reiſe,
Herr Reichskanzler! rief ihm eine lachende Stimme nach. Es war
Praxedis.

Bald kamen ſie vor der Waldfrau Behauſung. Auf einem Vor-
ſprung in halber Höhe des ſteilen Felſens ſtand ihre ſteinerne Hütte,
mächtige Eich- und Buchſtämme breiteten ihre Aeſte drüber und ver-
deckten den ragenden Gipfel des hohen Krähen. Drei wie Stufen
geſchichtete Klingſteinplatten führten in's Innere. Es war eine hohe
dunkle Stube. Viel getrocknete Waldkräuter lagen aufgehäuft, wür-
ziger Geruch entſtrömte ihnen; drei weißgebleichte Pferdsſchädel grinsten
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[104/0126] beten den dreieinigen Gott, gehen noch Weiſſager umher und Traumdeuter und Traumſcheider und Liederſetzer und Räthſellöſer, vor Allem aber ſind unter den Töchtern Eva's die Anhängerinnen ſolcher Künſte zu ſuchen .. Ihr werdet artig, unterbrach ihn Frau Hadwig — Denn der Frauen Gemüth, fuhr Ekkehard fort, iſt allzeit neugie- riger Erforſchung und Ausübung verbotener Dinge zugewendet. Wenn wir mit Leſung des Virgilius fortſchreiten, werdet Ihr den Ausbund der Zauberei in Geſtalt des Weibes Circe angedeutet ſehen, die auf unzugänglichem Vorgebirg ſingend haust, lieblich duftender Spahn von Cederholz erleuchtet die dunkeln Gemächer, mit fleißigem Weberſchifflein webt ſie viel zartes Gezeug, aber draußen im Hof tönt ſeufzendes Knurren von Löwen und Wölfen und der Schweine Gegrunz, die ſie alle aus Menſchen durch zaubriſchen Trank in der Thiere Geſtalt verwandelt ... Ihr ſprechet ja wie ein Buch, ſagte die Herzogin ſpitz. Ihr ſollet Eure Wiſſenſchaft von der Zauberei weiter bilden. Reitet denn auf den hohen Krähen hinüber und unterſuchet, ob die Waldfrau eine Circe, und regieret in unſerem Namen, wir ſind neugierig, was Eure Weisheit ordnet. Es iſt nicht meine Wiſſenſchaft, erwiederte er ausweichend, wie man die Völker regiert und die Dinge der Welt gebietend ſchlichtet. Das findet ſich, ſprach Frau Hadwig, es hat noch ſelten Einen in Verlegenheit gebracht, am wenigſten einen Sohn der Kirche. Ekkehard fügte ſich. Der Auftrag war ihm ein Beweis von Ver- trauen. Andern Morgens ritt er nach dem hohen Krähen. Den Audifax nahm er mit, daß er ihm den Weg zeige. Glückliche Reiſe, Herr Reichskanzler! rief ihm eine lachende Stimme nach. Es war Praxedis. Bald kamen ſie vor der Waldfrau Behauſung. Auf einem Vor- ſprung in halber Höhe des ſteilen Felſens ſtand ihre ſteinerne Hütte, mächtige Eich- und Buchſtämme breiteten ihre Aeſte drüber und ver- deckten den ragenden Gipfel des hohen Krähen. Drei wie Stufen geſchichtete Klingſteinplatten führten in's Innere. Es war eine hohe dunkle Stube. Viel getrocknete Waldkräuter lagen aufgehäuft, wür- ziger Geruch entſtrömte ihnen; drei weißgebleichte Pferdsſchädel grinsten geſpenſtig von den Pfeilern der Wand herab, ¹²⁶⁾ ein rieſig Hirſch-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/126>, abgerufen am 26.11.2024.