aber die Furcht war diesmal größer als die Neugier, die Schnurbärte fremder Reitersmänner zu sehen.
Jetzt zogen die Klosterbrüder heran; es war ein seltsamer Anblick: die meisten in Wehr und Waffen. Litanei betend Andere, den Sarg des heiligen Marcus tragend, der Abt mit Ekkehard und den Zög- lingen der Klosterschule -- betrübt schauten sie noch einmal nach der langjährigen Heimath, dann stiegen sie zu Schiffe.
Wie sie aber in den See ausfuhren, huben alle Glocken an zu tönen, der blödsinnige Heribald läutete ihnen den Abschiedsgruß; dann erschien er auf den Zinnen des Münsterthurmes: dominus vobiscum! rief er mit starker Stimme herab und in gewohnter Weise antwortete da und dort Einer: et cum spiritu tuo!
Ein scharfer Luftzug kräuselte die Wellen des Sees. Erst vor Kurzem war er aufgefroren, noch schwammen viel schwere Eisblöcke drin herum und die Schiffe hatten große Mühe sich durchzuarbeiten.
Geduckt saßen die Mönche, die den Sarg des heiligen Marcus hüteten, etlichemal schlug die Woge zu ihnen herein, aber aufgerichtet und keck stand Abt Wazmann's hohe Gestalt, die Capuze flatterte im Winde.
Der Herr geht vor uns her, sprach er, wie er in der Feuersäule vor dem Volk Israel ging; er ist mit uns auf der Flucht, er wird mit uns sein auf fröhlicher Rückkehr! ..
In heller Mondnacht stieg der Reichenauer Mönche Schaar den Berg von Hohentwiel hinauf. Für Unterkunft war gesorgt. In der Burg Kirchlein stellten sie den Sarg ihres Heiligen ab; sechs der Brüder wurden zu Wacht und Gebet bei ihm befehligt.
Der Hofraum ward in den nächsten Tagen zum fröhlichen Heer- lager. An aufgebotenen Dienstmannen lagen schon etliche hundert oben, der Reichenauer Zuzug brachte einen Zuwachs von neunzig streit- baren Männern. Emsig ward geschafft an Allem, was des baldigen Kampfes Nothdurft heischte. Schon eh' die Sonne aufstieg, weckte der Schmiede Gehämmer die Schläfer. Pfeile und Lanzenspitzen wurden gefertigt; beim Brunnen im Hofe stund der große Schleifstein, d'ran wetzten sie die rostigen Klingen. Der alte Korbmacher von Weiter- dingen war auch herauf geholt worden, der saß mit seinen Buben unter der Linde, die langen zu Schilden zugeschnittenen Bretter über-
aber die Furcht war diesmal größer als die Neugier, die Schnurbärte fremder Reitersmänner zu ſehen.
Jetzt zogen die Kloſterbrüder heran; es war ein ſeltſamer Anblick: die meiſten in Wehr und Waffen. Litanei betend Andere, den Sarg des heiligen Marcus tragend, der Abt mit Ekkehard und den Zög- lingen der Kloſterſchule — betrübt ſchauten ſie noch einmal nach der langjährigen Heimath, dann ſtiegen ſie zu Schiffe.
Wie ſie aber in den See ausfuhren, huben alle Glocken an zu tönen, der blödſinnige Heribald läutete ihnen den Abſchiedsgruß; dann erſchien er auf den Zinnen des Münſterthurmes: dominus vobiscum! rief er mit ſtarker Stimme herab und in gewohnter Weiſe antwortete da und dort Einer: et cum spiritu tuo!
Ein ſcharfer Luftzug kräuſelte die Wellen des Sees. Erſt vor Kurzem war er aufgefroren, noch ſchwammen viel ſchwere Eisblöcke drin herum und die Schiffe hatten große Mühe ſich durchzuarbeiten.
Geduckt ſaßen die Mönche, die den Sarg des heiligen Marcus hüteten, etlichemal ſchlug die Woge zu ihnen herein, aber aufgerichtet und keck ſtand Abt Wazmann's hohe Geſtalt, die Capuze flatterte im Winde.
Der Herr geht vor uns her, ſprach er, wie er in der Feuerſäule vor dem Volk Israel ging; er iſt mit uns auf der Flucht, er wird mit uns ſein auf fröhlicher Rückkehr! ..
In heller Mondnacht ſtieg der Reichenauer Mönche Schaar den Berg von Hohentwiel hinauf. Für Unterkunft war geſorgt. In der Burg Kirchlein ſtellten ſie den Sarg ihres Heiligen ab; ſechs der Brüder wurden zu Wacht und Gebet bei ihm befehligt.
Der Hofraum ward in den nächſten Tagen zum fröhlichen Heer- lager. An aufgebotenen Dienſtmannen lagen ſchon etliche hundert oben, der Reichenauer Zuzug brachte einen Zuwachs von neunzig ſtreit- baren Männern. Emſig ward geſchafft an Allem, was des baldigen Kampfes Nothdurft heiſchte. Schon eh' die Sonne aufſtieg, weckte der Schmiede Gehämmer die Schläfer. Pfeile und Lanzenſpitzen wurden gefertigt; beim Brunnen im Hofe ſtund der große Schleifſtein, d'ran wetzten ſie die roſtigen Klingen. Der alte Korbmacher von Weiter- dingen war auch herauf geholt worden, der ſaß mit ſeinen Buben unter der Linde, die langen zu Schilden zugeſchnittenen Bretter über-
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[152/0174]
aber die Furcht war diesmal größer als die Neugier, die Schnurbärte
fremder Reitersmänner zu ſehen.
Jetzt zogen die Kloſterbrüder heran; es war ein ſeltſamer Anblick:
die meiſten in Wehr und Waffen. Litanei betend Andere, den Sarg
des heiligen Marcus tragend, der Abt mit Ekkehard und den Zög-
lingen der Kloſterſchule — betrübt ſchauten ſie noch einmal nach der
langjährigen Heimath, dann ſtiegen ſie zu Schiffe.
Wie ſie aber in den See ausfuhren, huben alle Glocken an zu
tönen, der blödſinnige Heribald läutete ihnen den Abſchiedsgruß; dann
erſchien er auf den Zinnen des Münſterthurmes: dominus vobiscum!
rief er mit ſtarker Stimme herab und in gewohnter Weiſe antwortete
da und dort Einer: et cum spiritu tuo!
Ein ſcharfer Luftzug kräuſelte die Wellen des Sees. Erſt vor
Kurzem war er aufgefroren, noch ſchwammen viel ſchwere Eisblöcke
drin herum und die Schiffe hatten große Mühe ſich durchzuarbeiten.
Geduckt ſaßen die Mönche, die den Sarg des heiligen Marcus
hüteten, etlichemal ſchlug die Woge zu ihnen herein, aber aufgerichtet
und keck ſtand Abt Wazmann's hohe Geſtalt, die Capuze flatterte im
Winde.
Der Herr geht vor uns her, ſprach er, wie er in der Feuerſäule
vor dem Volk Israel ging; er iſt mit uns auf der Flucht, er wird
mit uns ſein auf fröhlicher Rückkehr! ..
In heller Mondnacht ſtieg der Reichenauer Mönche Schaar den
Berg von Hohentwiel hinauf. Für Unterkunft war geſorgt. In der
Burg Kirchlein ſtellten ſie den Sarg ihres Heiligen ab; ſechs der
Brüder wurden zu Wacht und Gebet bei ihm befehligt.
Der Hofraum ward in den nächſten Tagen zum fröhlichen Heer-
lager. An aufgebotenen Dienſtmannen lagen ſchon etliche hundert
oben, der Reichenauer Zuzug brachte einen Zuwachs von neunzig ſtreit-
baren Männern. Emſig ward geſchafft an Allem, was des baldigen
Kampfes Nothdurft heiſchte. Schon eh' die Sonne aufſtieg, weckte der
Schmiede Gehämmer die Schläfer. Pfeile und Lanzenſpitzen wurden
gefertigt; beim Brunnen im Hofe ſtund der große Schleifſtein, d'ran
wetzten ſie die roſtigen Klingen. Der alte Korbmacher von Weiter-
dingen war auch herauf geholt worden, der ſaß mit ſeinen Buben
unter der Linde, die langen zu Schilden zugeſchnittenen Bretter über-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/174>, abgerufen am 21.11.2024.
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