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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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stritten mit einand; es sei eine Erscheinung am Himmel, sagten die
Einen, ein feuriger Stern zur Warnung der Christenheit. Es brennt
im Rheinthal, sprachen Andere; ein Bruder der mit feinerer Nase
begabt war, behauptete sogar den Brandgeruch zu spüren. Erst lang
nach Mitternacht erlosch die Röthe.

Auf des Berges südlichem Abhang war eine mäßig weite Halde,
die ersten Frühlingsblumen blühten drauf, in den Thalmulden lag
noch alter Schnee; das sollte der Platz der Musterung sein. Hoch
zu Rosse saß Frau Hadwig, bei ihr hielten wohlgerüstet etliche Edel-
knechte, die zum Aufgebot gestoßen waren, der von Randegg, der vom
Hoewen und der dürre Fridinger; der Reichenauer Abt saß stolz auf
seinem Zelter, ein wohlberittener Mann Gottes;165) Herr Spazzo,
der Kämmerer, bemühte sich, es ihm in Haltung und Bewegung
gleich zu thun, denn sein Gebahren war vornehm und ritterlich. Auch
Ekkehard sollte die Herzogin begleiten, es war ihm ein Roß vorge-
führt worden; allein er hatte es abgelehnt, daß kein Neid entstünde
unter den Mönchen.

Jetzt that sich das äußere Burgthor knarrend auf, und die Schaa-
ren zogen herab. Voraus die Bogen- und Armbrustschützen; lustige
Klänge erschallten, ernsten Antlitzes schritt Audifax als Sackpfeifer
mit den Hornisten, in geschlossenem Zug ging's vorbei. Dann ließ
Simon Bardo ein Signal blasen, da lösten sie ihre Glieder und
schwärmten aus wie ein wilder Wespenschwarm und hielten Busch
und Hecken besetzt.

Dann kam die Cohorte der Mönche, festen Schrittes, in Helm
und Harnisch, die Kutte drüber, den Schild auf dem Rücken, den
Spieß gefällt: eine sturmgewaltige Schaar; hoch flatterte ihr Fähn-
lein, ein rothes Kreuz im weißen Feld. Pünktlich marschirten sie,
als wär' es seit Jahren ihr Handwerk -- bei starken Menschen ist
auch die geistige Zucht gute Vorübung zum Kriegerstand. Nur Einer
am linken Flügel vermochte nicht Schritt zu halten, seine Lanze ragte
uneben aus der geraden Reihe der andern: 's ist nicht seine Schuld,
sprach Abt Wazmann zur Herzogin, er hat in Zeit von sechs Wochen
ein ganz Meßbuch abgeschrieben, da flog ihm der Schreibkrampf in
die Finger.

ſtritten mit einand; es ſei eine Erſcheinung am Himmel, ſagten die
Einen, ein feuriger Stern zur Warnung der Chriſtenheit. Es brennt
im Rheinthal, ſprachen Andere; ein Bruder der mit feinerer Naſe
begabt war, behauptete ſogar den Brandgeruch zu ſpüren. Erſt lang
nach Mitternacht erloſch die Röthe.

Auf des Berges ſüdlichem Abhang war eine mäßig weite Halde,
die erſten Frühlingsblumen blühten drauf, in den Thalmulden lag
noch alter Schnee; das ſollte der Platz der Muſterung ſein. Hoch
zu Roſſe ſaß Frau Hadwig, bei ihr hielten wohlgerüſtet etliche Edel-
knechte, die zum Aufgebot geſtoßen waren, der von Randegg, der vom
Hoewen und der dürre Fridinger; der Reichenauer Abt ſaß ſtolz auf
ſeinem Zelter, ein wohlberittener Mann Gottes;165) Herr Spazzo,
der Kämmerer, bemühte ſich, es ihm in Haltung und Bewegung
gleich zu thun, denn ſein Gebahren war vornehm und ritterlich. Auch
Ekkehard ſollte die Herzogin begleiten, es war ihm ein Roß vorge-
führt worden; allein er hatte es abgelehnt, daß kein Neid entſtünde
unter den Mönchen.

Jetzt that ſich das äußere Burgthor knarrend auf, und die Schaa-
ren zogen herab. Voraus die Bogen- und Armbruſtſchützen; luſtige
Klänge erſchallten, ernſten Antlitzes ſchritt Audifax als Sackpfeifer
mit den Horniſten, in geſchloſſenem Zug ging's vorbei. Dann ließ
Simon Bardo ein Signal blaſen, da lösten ſie ihre Glieder und
ſchwärmten aus wie ein wilder Wespenſchwarm und hielten Buſch
und Hecken beſetzt.

Dann kam die Cohorte der Mönche, feſten Schrittes, in Helm
und Harniſch, die Kutte drüber, den Schild auf dem Rücken, den
Spieß gefällt: eine ſturmgewaltige Schaar; hoch flatterte ihr Fähn-
lein, ein rothes Kreuz im weißen Feld. Pünktlich marſchirten ſie,
als wär' es ſeit Jahren ihr Handwerk — bei ſtarken Menſchen iſt
auch die geiſtige Zucht gute Vorübung zum Kriegerſtand. Nur Einer
am linken Flügel vermochte nicht Schritt zu halten, ſeine Lanze ragte
uneben aus der geraden Reihe der andern: 's iſt nicht ſeine Schuld,
ſprach Abt Wazmann zur Herzogin, er hat in Zeit von ſechs Wochen
ein ganz Meßbuch abgeſchrieben, da flog ihm der Schreibkrampf in
die Finger.

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[155/0177] ſtritten mit einand; es ſei eine Erſcheinung am Himmel, ſagten die Einen, ein feuriger Stern zur Warnung der Chriſtenheit. Es brennt im Rheinthal, ſprachen Andere; ein Bruder der mit feinerer Naſe begabt war, behauptete ſogar den Brandgeruch zu ſpüren. Erſt lang nach Mitternacht erloſch die Röthe. Auf des Berges ſüdlichem Abhang war eine mäßig weite Halde, die erſten Frühlingsblumen blühten drauf, in den Thalmulden lag noch alter Schnee; das ſollte der Platz der Muſterung ſein. Hoch zu Roſſe ſaß Frau Hadwig, bei ihr hielten wohlgerüſtet etliche Edel- knechte, die zum Aufgebot geſtoßen waren, der von Randegg, der vom Hoewen und der dürre Fridinger; der Reichenauer Abt ſaß ſtolz auf ſeinem Zelter, ein wohlberittener Mann Gottes; ¹⁶⁵⁾ Herr Spazzo, der Kämmerer, bemühte ſich, es ihm in Haltung und Bewegung gleich zu thun, denn ſein Gebahren war vornehm und ritterlich. Auch Ekkehard ſollte die Herzogin begleiten, es war ihm ein Roß vorge- führt worden; allein er hatte es abgelehnt, daß kein Neid entſtünde unter den Mönchen. Jetzt that ſich das äußere Burgthor knarrend auf, und die Schaa- ren zogen herab. Voraus die Bogen- und Armbruſtſchützen; luſtige Klänge erſchallten, ernſten Antlitzes ſchritt Audifax als Sackpfeifer mit den Horniſten, in geſchloſſenem Zug ging's vorbei. Dann ließ Simon Bardo ein Signal blaſen, da lösten ſie ihre Glieder und ſchwärmten aus wie ein wilder Wespenſchwarm und hielten Buſch und Hecken beſetzt. Dann kam die Cohorte der Mönche, feſten Schrittes, in Helm und Harniſch, die Kutte drüber, den Schild auf dem Rücken, den Spieß gefällt: eine ſturmgewaltige Schaar; hoch flatterte ihr Fähn- lein, ein rothes Kreuz im weißen Feld. Pünktlich marſchirten ſie, als wär' es ſeit Jahren ihr Handwerk — bei ſtarken Menſchen iſt auch die geiſtige Zucht gute Vorübung zum Kriegerſtand. Nur Einer am linken Flügel vermochte nicht Schritt zu halten, ſeine Lanze ragte uneben aus der geraden Reihe der andern: 's iſt nicht ſeine Schuld, ſprach Abt Wazmann zur Herzogin, er hat in Zeit von ſechs Wochen ein ganz Meßbuch abgeſchrieben, da flog ihm der Schreibkrampf in die Finger.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/177>, abgerufen am 24.11.2024.