Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkessel fegen! rief der hunnische Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß er der Alten vor die Füße flog in den strohumflochtenen Korb des Wagens.
Willkommen, du giftiges Krötlein, rief sie grimmig, du sollst den Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge- wiesen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu sich und band ihn an des Wagens Gestell.
Audifax schwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte, nicht ob seiner Gefangenschaft, er weinte ob abermals getäuschter Hoff- nung. O Hadumoth! seufzte er abermals. -- Verwichene Mitternacht war er bei der jungen Hirtin gesessen, versteckt am glimmenden Heerd- feuer: Du sollst fest werden, hatte Hadumoth gesagt, gefeyt gegen Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm mit dem Fette Stirn und Schulter und Brust bestrichen: Morgen Abend erwart ich dich hier am selben Plätzlein, du kommst mir heil zurück. Kein Eisen ist wider Schlangenfett!
Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war so wohlgemuth mit seiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf -- und jetzt!..
Noch wogte der Feldstreit draußen im Thalgrund. Schier wankten die schwäbischen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich schaute Simon Bardo drüber hin und schüttelte das Haupt: Die schönste Stragetie, brummte er, ist vergeudet an diese Centauren, -- das sprengt ab und zu und schießt aus der Ferne, als wär' meine dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß man des Kaiser Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom Hunnenangriff zufügte!
Er ritt zu den Mönchen und schied sie wieder in zwei Heerhaufen; die von Sanct Gallen sollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken des Heerbanntreffens vorrücken, dann schwenken, daß der Feind, den Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeschlossen sei. So wir sie nicht einklemmen, halten sie nicht Stand, rief er und schwang sein breites Schlachtschwert; auf und drauf denn!
Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marschbereit standen die Reihen. Jetzt warf sich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine Scholle vom Boden auf und streute sie rückwärts über sein Haupt,
Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkeſſel fegen! rief der hunniſche Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß er der Alten vor die Füße flog in den ſtrohumflochtenen Korb des Wagens.
Willkommen, du giftiges Krötlein, rief ſie grimmig, du ſollſt den Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge- wieſen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu ſich und band ihn an des Wagens Geſtell.
Audifax ſchwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte, nicht ob ſeiner Gefangenſchaft, er weinte ob abermals getäuſchter Hoff- nung. O Hadumoth! ſeufzte er abermals. — Verwichene Mitternacht war er bei der jungen Hirtin geſeſſen, verſteckt am glimmenden Heerd- feuer: Du ſollſt feſt werden, hatte Hadumoth geſagt, gefeyt gegen Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm mit dem Fette Stirn und Schulter und Bruſt beſtrichen: Morgen Abend erwart ich dich hier am ſelben Plätzlein, du kommſt mir heil zurück. Kein Eiſen iſt wider Schlangenfett!
Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war ſo wohlgemuth mit ſeiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf — und jetzt!..
Noch wogte der Feldſtreit draußen im Thalgrund. Schier wankten die ſchwäbiſchen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich ſchaute Simon Bardo drüber hin und ſchüttelte das Haupt: Die ſchönſte Stragetie, brummte er, iſt vergeudet an dieſe Centauren, — das ſprengt ab und zu und ſchießt aus der Ferne, als wär' meine dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß man des Kaiſer Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom Hunnenangriff zufügte!
Er ritt zu den Mönchen und ſchied ſie wieder in zwei Heerhaufen; die von Sanct Gallen ſollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken des Heerbanntreffens vorrücken, dann ſchwenken, daß der Feind, den Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeſchloſſen ſei. So wir ſie nicht einklemmen, halten ſie nicht Stand, rief er und ſchwang ſein breites Schlachtſchwert; auf und drauf denn!
Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marſchbereit ſtanden die Reihen. Jetzt warf ſich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine Scholle vom Boden auf und ſtreute ſie rückwärts über ſein Haupt,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0210"n="188"/><p>Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkeſſel fegen! rief der<lb/>
hunniſche Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß<lb/>
er der Alten vor die Füße flog in den ſtrohumflochtenen Korb des<lb/>
Wagens.</p><lb/><p>Willkommen, du giftiges Krötlein, rief ſie grimmig, du ſollſt den<lb/>
Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge-<lb/>
wieſen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu ſich<lb/>
und band ihn an des Wagens Geſtell.</p><lb/><p>Audifax ſchwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte,<lb/>
nicht ob ſeiner Gefangenſchaft, er weinte ob abermals getäuſchter Hoff-<lb/>
nung. O Hadumoth! ſeufzte er abermals. — Verwichene Mitternacht<lb/>
war er bei der jungen Hirtin geſeſſen, verſteckt am glimmenden Heerd-<lb/>
feuer: Du ſollſt feſt werden, hatte Hadumoth geſagt, gefeyt gegen<lb/>
Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm<lb/>
mit dem Fette Stirn und Schulter und Bruſt beſtrichen: Morgen<lb/>
Abend erwart ich dich hier am ſelben Plätzlein, du kommſt mir heil<lb/>
zurück. Kein Eiſen iſt wider Schlangenfett!</p><lb/><p>Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war ſo wohlgemuth<lb/>
mit ſeiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf — und jetzt!..</p><lb/><p>Noch wogte der Feldſtreit draußen im Thalgrund. Schier wankten<lb/>
die ſchwäbiſchen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich<lb/>ſchaute Simon Bardo drüber hin und ſchüttelte das Haupt: Die<lb/>ſchönſte Stragetie, brummte er, iſt vergeudet an dieſe Centauren, —<lb/>
das ſprengt ab und zu und ſchießt aus der Ferne, als wär' meine<lb/>
dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß<lb/>
man des Kaiſer Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom<lb/>
Hunnenangriff zufügte!</p><lb/><p>Er ritt zu den Mönchen und ſchied ſie wieder in zwei Heerhaufen;<lb/>
die von Sanct Gallen ſollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken<lb/>
des Heerbanntreffens vorrücken, dann ſchwenken, daß der Feind, den<lb/>
Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeſchloſſen ſei. So wir ſie<lb/>
nicht einklemmen, halten ſie nicht Stand, rief er und ſchwang ſein<lb/>
breites Schlachtſchwert; auf und drauf denn!</p><lb/><p>Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marſchbereit ſtanden<lb/>
die Reihen. Jetzt warf ſich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine<lb/>
Scholle vom Boden auf und ſtreute ſie rückwärts über ſein Haupt,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[188/0210]
Ich bring' Euch Einen, der kann die Feldkeſſel fegen! rief der
hunniſche Reiter und warf den Hirtenknaben vom Roß hinüber, daß
er der Alten vor die Füße flog in den ſtrohumflochtenen Korb des
Wagens.
Willkommen, du giftiges Krötlein, rief ſie grimmig, du ſollſt den
Lohn empfahen dafür, daß du den Kuttenmann auf meinen Fels ge-
wieſen! Sie hatte ihn erkannt, zerrte ihn an der Schlinge zu ſich
und band ihn an des Wagens Geſtell.
Audifax ſchwieg. Aber bittere Thränen perlten im Auge, er weinte,
nicht ob ſeiner Gefangenſchaft, er weinte ob abermals getäuſchter Hoff-
nung. O Hadumoth! ſeufzte er abermals. — Verwichene Mitternacht
war er bei der jungen Hirtin geſeſſen, verſteckt am glimmenden Heerd-
feuer: Du ſollſt feſt werden, hatte Hadumoth geſagt, gefeyt gegen
Hieb und Stich! Sie hatte eine braune Schlange zerkocht und ihm
mit dem Fette Stirn und Schulter und Bruſt beſtrichen: Morgen
Abend erwart ich dich hier am ſelben Plätzlein, du kommſt mir heil
zurück. Kein Eiſen iſt wider Schlangenfett!
Und Audifax hatte ihr die Hand gegeben und war ſo wohlgemuth
mit ſeiner Sackpfeife ausgerückt in den Kampf — und jetzt!..
Noch wogte der Feldſtreit draußen im Thalgrund. Schier wankten
die ſchwäbiſchen Reihen, ermüdet des ungewohnten Fechtens. Bedenklich
ſchaute Simon Bardo drüber hin und ſchüttelte das Haupt: Die
ſchönſte Stragetie, brummte er, iſt vergeudet an dieſe Centauren, —
das ſprengt ab und zu und ſchießt aus der Ferne, als wär' meine
dreifache Schlachtordnung für nichts da; es thäte wahrhaft Noth, daß
man des Kaiſer Leo Buch über die Tactik ein eigen Kapitel vom
Hunnenangriff zufügte!
Er ritt zu den Mönchen und ſchied ſie wieder in zwei Heerhaufen;
die von Sanct Gallen ſollten zur Rechten, die Reichenauer zur Linken
des Heerbanntreffens vorrücken, dann ſchwenken, daß der Feind, den
Wald im Rücken, in weitem Halbkreis eingeſchloſſen ſei. So wir ſie
nicht einklemmen, halten ſie nicht Stand, rief er und ſchwang ſein
breites Schlachtſchwert; auf und drauf denn!
Wildes Feuer leuchtete aus Aller Augen. Marſchbereit ſtanden
die Reihen. Jetzt warf ſich noch ein Jeglicher in's Knie, griff eine
Scholle vom Boden auf und ſtreute ſie rückwärts über ſein Haupt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/210>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.