Schützen zog, hat's gesehen wie ihn Einer fing .. Ich muß ihn dort holen, es läßt mir keine Ruh' mehr.
Wo willst ihn holen?
Das weiß ich nicht. Ich will gehn wo die Andern hingeritten sind, die Welt ist groß, am Ende find' ich ihn doch, das weiß ich. Das Goldstück, das du mir schenken sollst, will ich den Hunnen geben und sagen: Laßt mir den Audifax frei, und wenn ich ihn hab', kom- men wir beide heim.
Frau Hadwig hatte ihr Wohlgefallen am Außerordentlichen. Von diesem Kind mögen wir Alle lernen! sprach sie, hob die scheue Hadu- moth zu sich empor und küßte sie auf die Stirn. Mit dir ist Gott, darum sind deine Gedanken groß und kühn und du weißt nicht darum. Wer hat ein Goldstück von euch bei der Hand?
Der von Randegg nestelte eines herfür. 's war ein großer Gold- thaler, und war der Kaiser Karl darauf geprägt, mit einem grimmen Antlitz und groß offenen Schlitzaugen, und auf der Rückseite war ein gekrönt Frauenbild zu schauen und eine Schrift. 's ist mein letzter! sprach der Randegger lachend zu Praxedis. Die Herzogin gab ihn dem Kind: Zeuch aus im Herren, es ist eine Fügung!
Es ward ihnen feierlich zu Muthe und Ekkehard legte seine Hände auf Hadumoth's Haupt wie zum Segen.
Ich dank' Euch! sprach sie und wollte gehen. Noch einmal wandte sie sich um: Wenn sie mir aber den Audifax für das eine Goldstück nicht herausgeben?
Dann schenk ich dir ein zweites, sagte die Herzogin.
Da ging das Kind zuversichtlich von dannen.
Und Hadumoth zog in die unbekannte Welt hinaus, das Goldstück in's Mieder eingenäht, die Hirtentasche mit Brod gefüllt; -- den Stab hatte ihr Audifax einst aus dunkelgrüner Stechpalme geschnitzt. Ob Weg und Steg ihr unbekannt, ob Speise und Obdach zweifelhaft, darum hatte sie nicht Zeit sich zu kümmern. Die Hunnen sind gegen Sonnenuntergang gezogen und haben ihn mitgenommen, das war ihr einzig Denken, der Lauf des Rheins und der Sonne Untergang ihr Wegweiser, Audifax ihr Ziel.
Mälig ward ihr die Gegend fremd. Ferner und schmäler glänzte der Bodensee vor ihrem Blick, neue Bergrücken schoben sich vor und
Schützen zog, hat's geſehen wie ihn Einer fing .. Ich muß ihn dort holen, es läßt mir keine Ruh' mehr.
Wo willſt ihn holen?
Das weiß ich nicht. Ich will gehn wo die Andern hingeritten ſind, die Welt iſt groß, am Ende find' ich ihn doch, das weiß ich. Das Goldſtück, das du mir ſchenken ſollſt, will ich den Hunnen geben und ſagen: Laßt mir den Audifax frei, und wenn ich ihn hab', kom- men wir beide heim.
Frau Hadwig hatte ihr Wohlgefallen am Außerordentlichen. Von dieſem Kind mögen wir Alle lernen! ſprach ſie, hob die ſcheue Hadu- moth zu ſich empor und küßte ſie auf die Stirn. Mit dir iſt Gott, darum ſind deine Gedanken groß und kühn und du weißt nicht darum. Wer hat ein Goldſtück von euch bei der Hand?
Der von Randegg neſtelte eines herfür. 's war ein großer Gold- thaler, und war der Kaiſer Karl darauf geprägt, mit einem grimmen Antlitz und groß offenen Schlitzaugen, und auf der Rückſeite war ein gekrönt Frauenbild zu ſchauen und eine Schrift. 's iſt mein letzter! ſprach der Randegger lachend zu Praxedis. Die Herzogin gab ihn dem Kind: Zeuch aus im Herren, es iſt eine Fügung!
Es ward ihnen feierlich zu Muthe und Ekkehard legte ſeine Hände auf Hadumoth's Haupt wie zum Segen.
Ich dank' Euch! ſprach ſie und wollte gehen. Noch einmal wandte ſie ſich um: Wenn ſie mir aber den Audifax für das eine Goldſtück nicht herausgeben?
Dann ſchenk ich dir ein zweites, ſagte die Herzogin.
Da ging das Kind zuverſichtlich von dannen.
Und Hadumoth zog in die unbekannte Welt hinaus, das Goldſtück in's Mieder eingenäht, die Hirtentaſche mit Brod gefüllt; — den Stab hatte ihr Audifax einſt aus dunkelgrüner Stechpalme geſchnitzt. Ob Weg und Steg ihr unbekannt, ob Speiſe und Obdach zweifelhaft, darum hatte ſie nicht Zeit ſich zu kümmern. Die Hunnen ſind gegen Sonnenuntergang gezogen und haben ihn mitgenommen, das war ihr einzig Denken, der Lauf des Rheins und der Sonne Untergang ihr Wegweiſer, Audifax ihr Ziel.
Mälig ward ihr die Gegend fremd. Ferner und ſchmäler glänzte der Bodenſee vor ihrem Blick, neue Bergrücken ſchoben ſich vor und
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Schützen zog, hat's geſehen wie ihn Einer fing .. Ich muß ihn dort
holen, es läßt mir keine Ruh' mehr.
Wo willſt ihn holen?
Das weiß ich nicht. Ich will gehn wo die Andern hingeritten
ſind, die Welt iſt groß, am Ende find' ich ihn doch, das weiß ich.
Das Goldſtück, das du mir ſchenken ſollſt, will ich den Hunnen geben
und ſagen: Laßt mir den Audifax frei, und wenn ich ihn hab', kom-
men wir beide heim.
Frau Hadwig hatte ihr Wohlgefallen am Außerordentlichen. Von
dieſem Kind mögen wir Alle lernen! ſprach ſie, hob die ſcheue Hadu-
moth zu ſich empor und küßte ſie auf die Stirn. Mit dir iſt Gott,
darum ſind deine Gedanken groß und kühn und du weißt nicht darum.
Wer hat ein Goldſtück von euch bei der Hand?
Der von Randegg neſtelte eines herfür. 's war ein großer Gold-
thaler, und war der Kaiſer Karl darauf geprägt, mit einem grimmen
Antlitz und groß offenen Schlitzaugen, und auf der Rückſeite war ein
gekrönt Frauenbild zu ſchauen und eine Schrift. 's iſt mein letzter!
ſprach der Randegger lachend zu Praxedis. Die Herzogin gab ihn
dem Kind: Zeuch aus im Herren, es iſt eine Fügung!
Es ward ihnen feierlich zu Muthe und Ekkehard legte ſeine Hände
auf Hadumoth's Haupt wie zum Segen.
Ich dank' Euch! ſprach ſie und wollte gehen. Noch einmal wandte
ſie ſich um: Wenn ſie mir aber den Audifax für das eine Goldſtück
nicht herausgeben?
Dann ſchenk ich dir ein zweites, ſagte die Herzogin.
Da ging das Kind zuverſichtlich von dannen.
Und Hadumoth zog in die unbekannte Welt hinaus, das Goldſtück
in's Mieder eingenäht, die Hirtentaſche mit Brod gefüllt; — den
Stab hatte ihr Audifax einſt aus dunkelgrüner Stechpalme geſchnitzt.
Ob Weg und Steg ihr unbekannt, ob Speiſe und Obdach zweifelhaft,
darum hatte ſie nicht Zeit ſich zu kümmern. Die Hunnen ſind gegen
Sonnenuntergang gezogen und haben ihn mitgenommen, das war ihr
einzig Denken, der Lauf des Rheins und der Sonne Untergang ihr
Wegweiſer, Audifax ihr Ziel.
Mälig ward ihr die Gegend fremd. Ferner und ſchmäler glänzte
der Bodenſee vor ihrem Blick, neue Bergrücken ſchoben ſich vor und
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/224>, abgerufen am 21.05.2024.
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