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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Es lagen ihr noch etliche bittere Worte auf der Zunge. Der
Subprior fiel beschwichtigend ein und gedachte eine Reihe von Fällen
aufzuzählen, wo erleuchtete Herren und Fürsten deßgleichen gethan, --
wie die Könige in Francien drüben dem heiligen Martinus von Tours
reichlichst den Schaden ersetzt, den er durch der Normänner Plünde-
rung erlitten, und wie erklecklich durch solche Schenkung dem Heil der
Seele Vorschub geleistet sei, denn wie das Feuer durch's Wasser gelöscht
werde, so die Sünde durch's Allmosen ...

Die Herzogin wandte ihm den Rücken und ließ ihn sammt seinen
unerzählten Beispielen im Saale stehen. Zu viel Eifer ist vom Uebel!
murmelte der Mönch; langsam gefahren, sicher gefahren! Da wandte
sich Frau Hadwig noch einmal. Es war eine unbeschreibliche Hand-
bewegung, mit der sie sprach: Wollet Ihr mich verlassen, so gehet
auch gleich und ganz!

Er trat seinen Rückzug an.

Den Abt zu ärgern, übersandte sie noch desselben Tages dem
greisen Simon Bardo für glückliche Lenkung der Schlacht eine gül-
dene Kette.

Ein Mann, mit dessen Schicksal sich die Herzogin gern beschäftigte,
war der gefangene Hunne Cappan. Der hatte anfangs böse Tage
durchlebt; es war ihm noch nicht klar, warum man ihn am Leben
gelassen, er lief scheu umher, wie Einer, der kein Recht auf sich selber
mehr hat und wenn er auf seinem Strohlager schlummerte, kamen
schöne Träume über ihn: da sah er weite blumige Gefilde, aus denen
wuchsen Galgen ohne Zahl wie Disteln in die Höhe und an jedem
hing einer seiner Landsleute, und am höchsten hing er selber, und
fand's ganz in der Ordnung, daß er dran hing, denn das war das
Loos Kriegsgefangener in selben Tagen.197) Es ward aber keiner
für ihn errichtet. Noch etliche Zeit schaute er mißtrauisch auf die
Linde im Burghof, die hatte einen stattlichen kahlen Ast und es däuchte
ihm oftmals, als winke ihm der Ast herauf und sage: Hei! wie taug-
test du, mich zu schmücken!

Allmälig fand er jedoch, daß die Linde ein schöner schattiger Baum
sei, und ward zutraulicher. Sein durchstochener Fuß heilte, er trieb
sich in Hof und Küche herum und schaute mit stumpfer Verwunderung
in das Getrieb deutschen Hauswesens. Er vermeinte zwar auf hun-

Es lagen ihr noch etliche bittere Worte auf der Zunge. Der
Subprior fiel beſchwichtigend ein und gedachte eine Reihe von Fällen
aufzuzählen, wo erleuchtete Herren und Fürſten deßgleichen gethan, —
wie die Könige in Francien drüben dem heiligen Martinus von Tours
reichlichſt den Schaden erſetzt, den er durch der Normänner Plünde-
rung erlitten, und wie erklecklich durch ſolche Schenkung dem Heil der
Seele Vorſchub geleiſtet ſei, denn wie das Feuer durch's Waſſer gelöſcht
werde, ſo die Sünde durch's Allmoſen ...

Die Herzogin wandte ihm den Rücken und ließ ihn ſammt ſeinen
unerzählten Beiſpielen im Saale ſtehen. Zu viel Eifer iſt vom Uebel!
murmelte der Mönch; langſam gefahren, ſicher gefahren! Da wandte
ſich Frau Hadwig noch einmal. Es war eine unbeſchreibliche Hand-
bewegung, mit der ſie ſprach: Wollet Ihr mich verlaſſen, ſo gehet
auch gleich und ganz!

Er trat ſeinen Rückzug an.

Den Abt zu ärgern, überſandte ſie noch deſſelben Tages dem
greiſen Simon Bardo für glückliche Lenkung der Schlacht eine gül-
dene Kette.

Ein Mann, mit deſſen Schickſal ſich die Herzogin gern beſchäftigte,
war der gefangene Hunne Cappan. Der hatte anfangs böſe Tage
durchlebt; es war ihm noch nicht klar, warum man ihn am Leben
gelaſſen, er lief ſcheu umher, wie Einer, der kein Recht auf ſich ſelber
mehr hat und wenn er auf ſeinem Strohlager ſchlummerte, kamen
ſchöne Träume über ihn: da ſah er weite blumige Gefilde, aus denen
wuchſen Galgen ohne Zahl wie Diſteln in die Höhe und an jedem
hing einer ſeiner Landsleute, und am höchſten hing er ſelber, und
fand's ganz in der Ordnung, daß er dran hing, denn das war das
Loos Kriegsgefangener in ſelben Tagen.197) Es ward aber keiner
für ihn errichtet. Noch etliche Zeit ſchaute er mißtrauiſch auf die
Linde im Burghof, die hatte einen ſtattlichen kahlen Aſt und es däuchte
ihm oftmals, als winke ihm der Aſt herauf und ſage: Hei! wie taug-
teſt du, mich zu ſchmücken!

Allmälig fand er jedoch, daß die Linde ein ſchöner ſchattiger Baum
ſei, und ward zutraulicher. Sein durchſtochener Fuß heilte, er trieb
ſich in Hof und Küche herum und ſchaute mit ſtumpfer Verwunderung
in das Getrieb deutſchen Hausweſens. Er vermeinte zwar auf hun-

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[215/0237] Es lagen ihr noch etliche bittere Worte auf der Zunge. Der Subprior fiel beſchwichtigend ein und gedachte eine Reihe von Fällen aufzuzählen, wo erleuchtete Herren und Fürſten deßgleichen gethan, — wie die Könige in Francien drüben dem heiligen Martinus von Tours reichlichſt den Schaden erſetzt, den er durch der Normänner Plünde- rung erlitten, und wie erklecklich durch ſolche Schenkung dem Heil der Seele Vorſchub geleiſtet ſei, denn wie das Feuer durch's Waſſer gelöſcht werde, ſo die Sünde durch's Allmoſen ... Die Herzogin wandte ihm den Rücken und ließ ihn ſammt ſeinen unerzählten Beiſpielen im Saale ſtehen. Zu viel Eifer iſt vom Uebel! murmelte der Mönch; langſam gefahren, ſicher gefahren! Da wandte ſich Frau Hadwig noch einmal. Es war eine unbeſchreibliche Hand- bewegung, mit der ſie ſprach: Wollet Ihr mich verlaſſen, ſo gehet auch gleich und ganz! Er trat ſeinen Rückzug an. Den Abt zu ärgern, überſandte ſie noch deſſelben Tages dem greiſen Simon Bardo für glückliche Lenkung der Schlacht eine gül- dene Kette. Ein Mann, mit deſſen Schickſal ſich die Herzogin gern beſchäftigte, war der gefangene Hunne Cappan. Der hatte anfangs böſe Tage durchlebt; es war ihm noch nicht klar, warum man ihn am Leben gelaſſen, er lief ſcheu umher, wie Einer, der kein Recht auf ſich ſelber mehr hat und wenn er auf ſeinem Strohlager ſchlummerte, kamen ſchöne Träume über ihn: da ſah er weite blumige Gefilde, aus denen wuchſen Galgen ohne Zahl wie Diſteln in die Höhe und an jedem hing einer ſeiner Landsleute, und am höchſten hing er ſelber, und fand's ganz in der Ordnung, daß er dran hing, denn das war das Loos Kriegsgefangener in ſelben Tagen. ¹⁹⁷⁾ Es ward aber keiner für ihn errichtet. Noch etliche Zeit ſchaute er mißtrauiſch auf die Linde im Burghof, die hatte einen ſtattlichen kahlen Aſt und es däuchte ihm oftmals, als winke ihm der Aſt herauf und ſage: Hei! wie taug- teſt du, mich zu ſchmücken! Allmälig fand er jedoch, daß die Linde ein ſchöner ſchattiger Baum ſei, und ward zutraulicher. Sein durchſtochener Fuß heilte, er trieb ſich in Hof und Küche herum und ſchaute mit ſtumpfer Verwunderung in das Getrieb deutſchen Hausweſens. Er vermeinte zwar auf hun-

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/237>, abgerufen am 04.12.2024.