Der ging züchtiglich über den Hof. Am Fenster erschaute ihn die harrende Kaisertochter, da schlug ihr Herz und die Kemenate ward ihm aufgethan und sie sprach zu ihm: Willkomm', edler Herr! wie seh' ich Euch gerne. Nun sollt Ihr mir die schönen Schuhe selber anziehen.
Mit Freuden! sprach der Held und setzte sich zu ihren Füßen, und sein Gebahren war gar schön und sie stellte ihren Fuß auf sein Knie, der Fuß war zierlich und die Schuhe paßten wohl, da fügte sie Herr Dietrich ihr an.
Nun sage mir, vieledle Jungfrau, begann drauf der Listige, dich hat sicher schon gebeten manch ein Mann, du sollest zu seinem Willen stahn, welcher unter Allen hat dir am besten gefallen?
Da sprach des Kaisers Tochter ernsthaft: Herr! auf die Seele mein, so wahr ich getaufet bin, so man alle Recken der Welt zu- sammenstehen hieße, es möchte Keiner werth sein, dein Genosse zu heißen. Du bist der Tugend ein auserwählter Mann, -- und doch, so die Wahl bei mir stünde, so nähme ich einen Helden, deß muß ich denken mit jedem neuen Tag; seine Boten hat er ausgeschickt, um mich zu werben, die liegen itzt in tiefem Kerker. Er heißet Rother und sitzt über dem Meer' -- wird mir der nicht, so bleib' ich eine Maid immerdar.
Eia, sprach Dietrich, willst du den Rother minnen, den schaff' ich dir zur Stelle. Wir haben als Freunde fröhlich gelebt, er war mir gnädig und gut, wenngleich er dann mich Landes vertrieb.
Da sprach die Kaisertochter: Höre, wie kann dir der Mann lieb sein, wenn er dich vertrieben? Ich merke wohl, du bist ein Bote, her- gesandt von König Rother, nun sprich und verhehle mir Nichts: was du mir heut' auch sagest, ist wohl bei mir vertaget bis an den jüngsten Tag.
Da that der Held einen festen Blick nach ihr und sagte: Nun stell' ich alle meine Dinge Gottes Gnade und der deinen anheim. Wohl denn! es stehen deine Füße in König Rother's Schooß!
Hart erschrack die Vielholde; den Fuß zuckte sie auf und klagte: O weh mir! nun war ich so ungezogen, mich trog der Uebermuth, daß ich den Fuß gesetzt auf deinen Schooß. Hat dich Gott hergesen- det, das wär' mir innig lieb. Doch wie mag ich dir getrauen? So du die Wahrheit probtest, noch heute wollt' ich mit dir meines Vaters
Der ging züchtiglich über den Hof. Am Fenſter erſchaute ihn die harrende Kaiſertochter, da ſchlug ihr Herz und die Kemenate ward ihm aufgethan und ſie ſprach zu ihm: Willkomm', edler Herr! wie ſeh' ich Euch gerne. Nun ſollt Ihr mir die ſchönen Schuhe ſelber anziehen.
Mit Freuden! ſprach der Held und ſetzte ſich zu ihren Füßen, und ſein Gebahren war gar ſchön und ſie ſtellte ihren Fuß auf ſein Knie, der Fuß war zierlich und die Schuhe paßten wohl, da fügte ſie Herr Dietrich ihr an.
Nun ſage mir, vieledle Jungfrau, begann drauf der Liſtige, dich hat ſicher ſchon gebeten manch ein Mann, du ſolleſt zu ſeinem Willen ſtahn, welcher unter Allen hat dir am beſten gefallen?
Da ſprach des Kaiſers Tochter ernſthaft: Herr! auf die Seele mein, ſo wahr ich getaufet bin, ſo man alle Recken der Welt zu- ſammenſtehen hieße, es möchte Keiner werth ſein, dein Genoſſe zu heißen. Du biſt der Tugend ein auserwählter Mann, — und doch, ſo die Wahl bei mir ſtünde, ſo nähme ich einen Helden, deß muß ich denken mit jedem neuen Tag; ſeine Boten hat er ausgeſchickt, um mich zu werben, die liegen itzt in tiefem Kerker. Er heißet Rother und ſitzt über dem Meer' — wird mir der nicht, ſo bleib' ich eine Maid immerdar.
Eia, ſprach Dietrich, willſt du den Rother minnen, den ſchaff' ich dir zur Stelle. Wir haben als Freunde fröhlich gelebt, er war mir gnädig und gut, wenngleich er dann mich Landes vertrieb.
Da ſprach die Kaiſertochter: Höre, wie kann dir der Mann lieb ſein, wenn er dich vertrieben? Ich merke wohl, du biſt ein Bote, her- geſandt von König Rother, nun ſprich und verhehle mir Nichts: was du mir heut' auch ſageſt, iſt wohl bei mir vertaget bis an den jüngſten Tag.
Da that der Held einen feſten Blick nach ihr und ſagte: Nun ſtell' ich alle meine Dinge Gottes Gnade und der deinen anheim. Wohl denn! es ſtehen deine Füße in König Rother's Schooß!
Hart erſchrack die Vielholde; den Fuß zuckte ſie auf und klagte: O weh mir! nun war ich ſo ungezogen, mich trog der Uebermuth, daß ich den Fuß geſetzt auf deinen Schooß. Hat dich Gott hergeſen- det, das wär' mir innig lieb. Doch wie mag ich dir getrauen? So du die Wahrheit probteſt, noch heute wollt' ich mit dir meines Vaters
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0319"n="297"/><p>Der ging züchtiglich über den Hof. Am Fenſter erſchaute ihn die<lb/>
harrende Kaiſertochter, da ſchlug ihr Herz und die Kemenate ward ihm<lb/>
aufgethan und ſie ſprach zu ihm: Willkomm', edler Herr! wie ſeh' ich<lb/>
Euch gerne. Nun ſollt Ihr mir die ſchönen Schuhe ſelber anziehen.</p><lb/><p>Mit Freuden! ſprach der Held und ſetzte ſich zu ihren Füßen, und<lb/>ſein Gebahren war gar ſchön und ſie ſtellte ihren Fuß auf ſein Knie,<lb/>
der Fuß war zierlich und die Schuhe paßten wohl, da fügte ſie Herr<lb/>
Dietrich ihr an.</p><lb/><p>Nun ſage mir, vieledle Jungfrau, begann drauf der Liſtige, dich<lb/>
hat ſicher ſchon gebeten manch ein Mann, du ſolleſt zu ſeinem Willen<lb/>ſtahn, welcher unter Allen hat dir am beſten gefallen?</p><lb/><p>Da ſprach des Kaiſers Tochter ernſthaft: Herr! auf die Seele<lb/>
mein, ſo wahr ich getaufet bin, ſo man alle Recken der Welt zu-<lb/>ſammenſtehen hieße, es möchte Keiner werth ſein, dein Genoſſe zu<lb/>
heißen. Du biſt der Tugend ein auserwählter Mann, — und doch,<lb/>ſo die Wahl bei mir ſtünde, ſo nähme ich einen Helden, deß muß ich<lb/>
denken mit jedem neuen Tag; ſeine Boten hat er ausgeſchickt, um<lb/>
mich zu werben, die liegen itzt in tiefem Kerker. Er heißet Rother<lb/>
und ſitzt über dem Meer' — wird mir der nicht, ſo bleib' ich eine<lb/>
Maid immerdar.</p><lb/><p>Eia, ſprach Dietrich, willſt du den Rother minnen, den ſchaff' ich<lb/>
dir zur Stelle. Wir haben als Freunde fröhlich gelebt, er war mir<lb/>
gnädig und gut, wenngleich er dann mich Landes vertrieb.</p><lb/><p>Da ſprach die Kaiſertochter: Höre, wie kann dir der Mann lieb<lb/>ſein, wenn er dich vertrieben? Ich merke wohl, du biſt ein Bote, her-<lb/>
geſandt von König Rother, nun ſprich und verhehle mir Nichts: was<lb/>
du mir heut' auch ſageſt, iſt wohl bei mir vertaget bis an den<lb/>
jüngſten Tag.</p><lb/><p>Da that der Held einen feſten Blick nach ihr und ſagte: Nun<lb/>ſtell' ich alle meine Dinge Gottes Gnade und der deinen anheim.<lb/>
Wohl denn! es ſtehen deine Füße in König Rother's Schooß!</p><lb/><p>Hart erſchrack die Vielholde; den Fuß zuckte ſie auf und klagte:<lb/>
O weh mir! nun war ich ſo ungezogen, mich trog der Uebermuth,<lb/>
daß ich den Fuß geſetzt auf deinen Schooß. Hat dich Gott hergeſen-<lb/>
det, das wär' mir innig lieb. Doch wie mag ich dir getrauen? So<lb/>
du die Wahrheit probteſt, noch heute wollt' ich mit dir meines Vaters<lb/></p></div></body></text></TEI>
[297/0319]
Der ging züchtiglich über den Hof. Am Fenſter erſchaute ihn die
harrende Kaiſertochter, da ſchlug ihr Herz und die Kemenate ward ihm
aufgethan und ſie ſprach zu ihm: Willkomm', edler Herr! wie ſeh' ich
Euch gerne. Nun ſollt Ihr mir die ſchönen Schuhe ſelber anziehen.
Mit Freuden! ſprach der Held und ſetzte ſich zu ihren Füßen, und
ſein Gebahren war gar ſchön und ſie ſtellte ihren Fuß auf ſein Knie,
der Fuß war zierlich und die Schuhe paßten wohl, da fügte ſie Herr
Dietrich ihr an.
Nun ſage mir, vieledle Jungfrau, begann drauf der Liſtige, dich
hat ſicher ſchon gebeten manch ein Mann, du ſolleſt zu ſeinem Willen
ſtahn, welcher unter Allen hat dir am beſten gefallen?
Da ſprach des Kaiſers Tochter ernſthaft: Herr! auf die Seele
mein, ſo wahr ich getaufet bin, ſo man alle Recken der Welt zu-
ſammenſtehen hieße, es möchte Keiner werth ſein, dein Genoſſe zu
heißen. Du biſt der Tugend ein auserwählter Mann, — und doch,
ſo die Wahl bei mir ſtünde, ſo nähme ich einen Helden, deß muß ich
denken mit jedem neuen Tag; ſeine Boten hat er ausgeſchickt, um
mich zu werben, die liegen itzt in tiefem Kerker. Er heißet Rother
und ſitzt über dem Meer' — wird mir der nicht, ſo bleib' ich eine
Maid immerdar.
Eia, ſprach Dietrich, willſt du den Rother minnen, den ſchaff' ich
dir zur Stelle. Wir haben als Freunde fröhlich gelebt, er war mir
gnädig und gut, wenngleich er dann mich Landes vertrieb.
Da ſprach die Kaiſertochter: Höre, wie kann dir der Mann lieb
ſein, wenn er dich vertrieben? Ich merke wohl, du biſt ein Bote, her-
geſandt von König Rother, nun ſprich und verhehle mir Nichts: was
du mir heut' auch ſageſt, iſt wohl bei mir vertaget bis an den
jüngſten Tag.
Da that der Held einen feſten Blick nach ihr und ſagte: Nun
ſtell' ich alle meine Dinge Gottes Gnade und der deinen anheim.
Wohl denn! es ſtehen deine Füße in König Rother's Schooß!
Hart erſchrack die Vielholde; den Fuß zuckte ſie auf und klagte:
O weh mir! nun war ich ſo ungezogen, mich trog der Uebermuth,
daß ich den Fuß geſetzt auf deinen Schooß. Hat dich Gott hergeſen-
det, das wär' mir innig lieb. Doch wie mag ich dir getrauen? So
du die Wahrheit probteſt, noch heute wollt' ich mit dir meines Vaters
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/319>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.