Beruhigt Euch, es kommt noch besser. Ein entlaufen Schaaf ge- hört in seinen Stall geliefert, dort sind gute Hirten, die besorgen das Weitere: Schaafschur, Jungfräulein, Schaafschur! Dort schneiden sie ihm die Haare ab, das schafft dem Haupte Kühlung, und wenn Ihr einmal in Jahresfrist zum heiligen Gallus wallfahren wollet, so wird Sonn- und Feiertags Einer mit bloßen Füßen vor der Kirchenthür stehen und sein Kopf wird kahl sein wie ein Stoppelfeld und das Bußgewand wird ihn zierlich kleiden. Was meint Ihr? Die Heiden- wirthschaft mit dem Virgilius hat ein Ende.
Er ist unschuldig, sagte Praxedis.
O, sprach der Kellermeister spöttisch, der Unschuld krümmen wir kein Haar. Er braucht sie nur durch's Gottesurtheil zu beweisen; wenn er mit heilem Arm den goldenen Ring aus dem Kessel mit siedendem Wasser herausfängt, gibt ihm unser Abt selber den Segen und ich werd' sagen, es war nur Nebelbild und Teufelsspuck, daß meine Augen in der Capelle seine Heiligkeit den Bruder Ekkehard sahen, wie er Eure Herrin umfangen hielt.
Praxedis weinte. Lieber ehrwürdiger Herr Kellermeister ... sprach sie bittend. Er senkte einen schiefen Blick auf sie, der blieb an der Griechin Busen haften.
So ist es! sagte er mit gekniffenen Lippen. Ich wollte übrigens eine Fürbitte beim Abt einlegen, wenn ...
Wenn? fragte Praxedis gespannt.
Wenn Ihr heut Abend geruhen wolltet, Eure Kammer nicht zu verschließen, daß ich Euch Bericht bringen kann vom Erfolg.
Er zog wie spielend die großen Falten seiner Kutte zusammen, daß die geschnürten Hüften hervortraten,247) und nahm eine selbst- gefällige erwartende Haltung an. Praxedis trat zurück. Ihr Fuß stampfte die blaue Kornblume, die am Boden lag.
Ihr seid ein schlechter Mensch, Herr Kellermeister! sprach sie, und drehte ihm den Rücken. Rudimann verstand sich auf Gesichter. Aus dem Zucken von Praxedis Augenlid und den drei bitterbösen Stirn- falten ward ihm klar, daß ihre Kammer für alle Kellermeister der Christenheit jetzt und immerdar verschlossen bleibe.
Um Gotteswillen! jammerte die Griechin.
Beruhigt Euch, es kommt noch beſſer. Ein entlaufen Schaaf ge- hört in ſeinen Stall geliefert, dort ſind gute Hirten, die beſorgen das Weitere: Schaafſchur, Jungfräulein, Schaafſchur! Dort ſchneiden ſie ihm die Haare ab, das ſchafft dem Haupte Kühlung, und wenn Ihr einmal in Jahresfriſt zum heiligen Gallus wallfahren wollet, ſo wird Sonn- und Feiertags Einer mit bloßen Füßen vor der Kirchenthür ſtehen und ſein Kopf wird kahl ſein wie ein Stoppelfeld und das Bußgewand wird ihn zierlich kleiden. Was meint Ihr? Die Heiden- wirthſchaft mit dem Virgilius hat ein Ende.
Er iſt unſchuldig, ſagte Praxedis.
O, ſprach der Kellermeiſter ſpöttiſch, der Unſchuld krümmen wir kein Haar. Er braucht ſie nur durch's Gottesurtheil zu beweiſen; wenn er mit heilem Arm den goldenen Ring aus dem Keſſel mit ſiedendem Waſſer herausfängt, gibt ihm unſer Abt ſelber den Segen und ich werd' ſagen, es war nur Nebelbild und Teufelsſpuck, daß meine Augen in der Capelle ſeine Heiligkeit den Bruder Ekkehard ſahen, wie er Eure Herrin umfangen hielt.
Praxedis weinte. Lieber ehrwürdiger Herr Kellermeiſter ... ſprach ſie bittend. Er ſenkte einen ſchiefen Blick auf ſie, der blieb an der Griechin Buſen haften.
So iſt es! ſagte er mit gekniffenen Lippen. Ich wollte übrigens eine Fürbitte beim Abt einlegen, wenn ...
Wenn? fragte Praxedis geſpannt.
Wenn Ihr heut Abend geruhen wolltet, Eure Kammer nicht zu verſchließen, daß ich Euch Bericht bringen kann vom Erfolg.
Er zog wie ſpielend die großen Falten ſeiner Kutte zuſammen, daß die geſchnürten Hüften hervortraten,247) und nahm eine ſelbſt- gefällige erwartende Haltung an. Praxedis trat zurück. Ihr Fuß ſtampfte die blaue Kornblume, die am Boden lag.
Ihr ſeid ein ſchlechter Menſch, Herr Kellermeiſter! ſprach ſie, und drehte ihm den Rücken. Rudimann verſtand ſich auf Geſichter. Aus dem Zucken von Praxedis Augenlid und den drei bitterböſen Stirn- falten ward ihm klar, daß ihre Kammer für alle Kellermeiſter der Chriſtenheit jetzt und immerdar verſchloſſen bleibe.
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Um Gotteswillen! jammerte die Griechin.
Beruhigt Euch, es kommt noch beſſer. Ein entlaufen Schaaf ge-
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Weitere: Schaafſchur, Jungfräulein, Schaafſchur! Dort ſchneiden ſie
ihm die Haare ab, das ſchafft dem Haupte Kühlung, und wenn Ihr
einmal in Jahresfriſt zum heiligen Gallus wallfahren wollet, ſo wird
Sonn- und Feiertags Einer mit bloßen Füßen vor der Kirchenthür
ſtehen und ſein Kopf wird kahl ſein wie ein Stoppelfeld und das
Bußgewand wird ihn zierlich kleiden. Was meint Ihr? Die Heiden-
wirthſchaft mit dem Virgilius hat ein Ende.
Er iſt unſchuldig, ſagte Praxedis.
O, ſprach der Kellermeiſter ſpöttiſch, der Unſchuld krümmen wir
kein Haar. Er braucht ſie nur durch's Gottesurtheil zu beweiſen;
wenn er mit heilem Arm den goldenen Ring aus dem Keſſel mit
ſiedendem Waſſer herausfängt, gibt ihm unſer Abt ſelber den Segen
und ich werd' ſagen, es war nur Nebelbild und Teufelsſpuck, daß
meine Augen in der Capelle ſeine Heiligkeit den Bruder Ekkehard
ſahen, wie er Eure Herrin umfangen hielt.
Praxedis weinte. Lieber ehrwürdiger Herr Kellermeiſter ... ſprach
ſie bittend. Er ſenkte einen ſchiefen Blick auf ſie, der blieb an der
Griechin Buſen haften.
So iſt es! ſagte er mit gekniffenen Lippen. Ich wollte übrigens
eine Fürbitte beim Abt einlegen, wenn ...
Wenn? fragte Praxedis geſpannt.
Wenn Ihr heut Abend geruhen wolltet, Eure Kammer nicht zu
verſchließen, daß ich Euch Bericht bringen kann vom Erfolg.
Er zog wie ſpielend die großen Falten ſeiner Kutte zuſammen,
daß die geſchnürten Hüften hervortraten,
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und nahm eine ſelbſt-
gefällige erwartende Haltung an. Praxedis trat zurück. Ihr Fuß
ſtampfte die blaue Kornblume, die am Boden lag.
Ihr ſeid ein ſchlechter Menſch, Herr Kellermeiſter! ſprach ſie, und
drehte ihm den Rücken. Rudimann verſtand ſich auf Geſichter. Aus
dem Zucken von Praxedis Augenlid und den drei bitterböſen Stirn-
falten ward ihm klar, daß ihre Kammer für alle Kellermeiſter der
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/333>, abgerufen am 21.11.2024.
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