Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Sonntag kam, trug er das hölzerne Kreuz in's Innere der vorderen
Höhle, wand einen Kranz Blumen drum, zog die Glocke, die aus
Gottschalk's Zeiten am Eingang hing -- (sie trug das Zeichen Tan-
cho's, des tückischen Glockengießers von Sanct Gallen) und als seine
Sennen mit Buben und Mägdlein beisammen waren, hielt er der
kleinen Gemeinde eine Predigt über das Evangelium von der Verklä-
rung und sprach darüber, daß ein jeder Mensch, der mit rechtem Sinn
zu Bergeshöhen steige, ein verkläreter werde. Und wenn auch Moses
und Elias nicht zu uns herabtreten, rief er, so haben wir den Säntis
und den Kamor bei uns stehen, das sind auch Männer eines alten
Bundes und es ist gut bei ihnen sein!

Seine Worte waren groß und keck und er wunderte sich, daß sie
ihm so entströmten, denn es war schier ketzerisch und er hatte in kei-
nem Kirchenvater solch Gleichniß gelesen. Aber den Sennen war's
recht und den Bergen auch und Niemand that Einsprache.

Des Mittags kam Benedicta das Hirtenkind; ein silbern Kettlein
schmückte das Sonntagsmieder, das wie ein Panzer die Brust um-
schloß. Sie brachte einen saubern eschenholzenen Milchkübel, drauf
war in kunstlosen Linien eine Kuh geschnitzt. Den schickt Euch der
Vater, sagte sie, darum daß Ihr so auferbaulich geprediget und von
den Bergen Gutes gesprochen -- und wenn Euch Einer was Leides
thun will, sollt Ihr wissen, wo die Ebenalp steht.

Sie warf etliche Handvoll Haselnüsse aus ihrer Schurztasche in
das Milchgefäß: die hab' ich für Euch gepflückt, sagte sie, und ich
weiß noch mehr, wenn sie Euch schmecken.

Bevor sich Ekkehard bedanken konnte, war sie in der Höhlentiefe
verschwunden.

Schwarzbraun sind die Haselnüss'
Und schwarzbraun bin auch ich,
Und wenn mich Einer lieben will,
So muß er sein wie ich,
tönte verklingend ihr schalkhafter Gesang durch die Klause.

Ekkehard lächelte wehmüthig.

Aber ganz war der Sturm in seinem Herzen noch nicht geschwich-
tigt; es hallte und tönte in ihm nach wie der Donner des Alpen-

Sonntag kam, trug er das hölzerne Kreuz in's Innere der vorderen
Höhle, wand einen Kranz Blumen drum, zog die Glocke, die aus
Gottſchalk's Zeiten am Eingang hing — (ſie trug das Zeichen Tan-
cho's, des tückiſchen Glockengießers von Sanct Gallen) und als ſeine
Sennen mit Buben und Mägdlein beiſammen waren, hielt er der
kleinen Gemeinde eine Predigt über das Evangelium von der Verklä-
rung und ſprach darüber, daß ein jeder Menſch, der mit rechtem Sinn
zu Bergeshöhen ſteige, ein verkläreter werde. Und wenn auch Moſes
und Elias nicht zu uns herabtreten, rief er, ſo haben wir den Säntis
und den Kamor bei uns ſtehen, das ſind auch Männer eines alten
Bundes und es iſt gut bei ihnen ſein!

Seine Worte waren groß und keck und er wunderte ſich, daß ſie
ihm ſo entſtrömten, denn es war ſchier ketzeriſch und er hatte in kei-
nem Kirchenvater ſolch Gleichniß geleſen. Aber den Sennen war's
recht und den Bergen auch und Niemand that Einſprache.

Des Mittags kam Benedicta das Hirtenkind; ein ſilbern Kettlein
ſchmückte das Sonntagsmieder, das wie ein Panzer die Bruſt um-
ſchloß. Sie brachte einen ſaubern eſchenholzenen Milchkübel, drauf
war in kunſtloſen Linien eine Kuh geſchnitzt. Den ſchickt Euch der
Vater, ſagte ſie, darum daß Ihr ſo auferbaulich geprediget und von
den Bergen Gutes geſprochen — und wenn Euch Einer was Leides
thun will, ſollt Ihr wiſſen, wo die Ebenalp ſteht.

Sie warf etliche Handvoll Haſelnüſſe aus ihrer Schurztaſche in
das Milchgefäß: die hab' ich für Euch gepflückt, ſagte ſie, und ich
weiß noch mehr, wenn ſie Euch ſchmecken.

Bevor ſich Ekkehard bedanken konnte, war ſie in der Höhlentiefe
verſchwunden.

Schwarzbraun ſind die Haſelnüſſ'
Und ſchwarzbraun bin auch ich,
Und wenn mich Einer lieben will,
So muß er ſein wie ich,
tönte verklingend ihr ſchalkhafter Geſang durch die Klauſe.

Ekkehard lächelte wehmüthig.

Aber ganz war der Sturm in ſeinem Herzen noch nicht geſchwich-
tigt; es hallte und tönte in ihm nach wie der Donner des Alpen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0348" n="326"/>
Sonntag kam, trug er das hölzerne Kreuz in's Innere der vorderen<lb/>
Höhle, wand einen Kranz Blumen drum, zog die Glocke, die aus<lb/>
Gott&#x017F;chalk's Zeiten am Eingang hing &#x2014; (&#x017F;ie trug das Zeichen Tan-<lb/>
cho's, des tücki&#x017F;chen Glockengießers von Sanct Gallen) und als &#x017F;eine<lb/>
Sennen mit Buben und Mägdlein bei&#x017F;ammen waren, hielt er der<lb/>
kleinen Gemeinde eine Predigt über das Evangelium von der Verklä-<lb/>
rung und &#x017F;prach darüber, daß ein jeder Men&#x017F;ch, der mit rechtem Sinn<lb/>
zu Bergeshöhen &#x017F;teige, ein verkläreter werde. Und wenn auch Mo&#x017F;es<lb/>
und Elias nicht zu uns herabtreten, rief er, &#x017F;o haben wir den Säntis<lb/>
und den Kamor bei uns &#x017F;tehen, das &#x017F;ind auch Männer eines alten<lb/>
Bundes und es i&#x017F;t gut bei ihnen &#x017F;ein!</p><lb/>
        <p>Seine Worte waren groß und keck und er wunderte &#x017F;ich, daß &#x017F;ie<lb/>
ihm &#x017F;o ent&#x017F;trömten, denn es war &#x017F;chier ketzeri&#x017F;ch und er hatte in kei-<lb/>
nem Kirchenvater &#x017F;olch Gleichniß gele&#x017F;en. Aber den Sennen war's<lb/>
recht und den Bergen auch und Niemand that Ein&#x017F;prache.</p><lb/>
        <p>Des Mittags kam Benedicta das Hirtenkind; ein &#x017F;ilbern Kettlein<lb/>
&#x017F;chmückte das Sonntagsmieder, das wie ein Panzer die Bru&#x017F;t um-<lb/>
&#x017F;chloß. Sie brachte einen &#x017F;aubern e&#x017F;chenholzenen Milchkübel, drauf<lb/>
war in kun&#x017F;tlo&#x017F;en Linien eine Kuh ge&#x017F;chnitzt. Den &#x017F;chickt Euch der<lb/>
Vater, &#x017F;agte &#x017F;ie, darum daß Ihr &#x017F;o auferbaulich geprediget und von<lb/>
den Bergen Gutes ge&#x017F;prochen &#x2014; und wenn Euch Einer was Leides<lb/>
thun will, &#x017F;ollt Ihr wi&#x017F;&#x017F;en, wo die Ebenalp &#x017F;teht.</p><lb/>
        <p>Sie warf etliche Handvoll Ha&#x017F;elnü&#x017F;&#x017F;e aus ihrer Schurzta&#x017F;che in<lb/>
das Milchgefäß: die hab' ich für Euch gepflückt, &#x017F;agte &#x017F;ie, und ich<lb/>
weiß noch mehr, wenn &#x017F;ie Euch &#x017F;chmecken.</p><lb/>
        <p>Bevor &#x017F;ich Ekkehard bedanken konnte, war &#x017F;ie in der Höhlentiefe<lb/>
ver&#x017F;chwunden.<lb/><lg type="poem"><l>Schwarzbraun &#x017F;ind die Ha&#x017F;elnü&#x017F;&#x017F;'</l><lb/><l>Und &#x017F;chwarzbraun bin auch ich,</l><lb/><l>Und wenn mich Einer lieben will,</l><lb/><l>So muß er &#x017F;ein wie ich,</l></lg><lb/>
tönte verklingend ihr &#x017F;chalkhafter Ge&#x017F;ang durch die Klau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Ekkehard lächelte wehmüthig.</p><lb/>
        <p>Aber ganz war der Sturm in &#x017F;einem Herzen noch nicht ge&#x017F;chwich-<lb/>
tigt; es hallte und tönte in ihm nach wie der Donner des Alpen-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0348] Sonntag kam, trug er das hölzerne Kreuz in's Innere der vorderen Höhle, wand einen Kranz Blumen drum, zog die Glocke, die aus Gottſchalk's Zeiten am Eingang hing — (ſie trug das Zeichen Tan- cho's, des tückiſchen Glockengießers von Sanct Gallen) und als ſeine Sennen mit Buben und Mägdlein beiſammen waren, hielt er der kleinen Gemeinde eine Predigt über das Evangelium von der Verklä- rung und ſprach darüber, daß ein jeder Menſch, der mit rechtem Sinn zu Bergeshöhen ſteige, ein verkläreter werde. Und wenn auch Moſes und Elias nicht zu uns herabtreten, rief er, ſo haben wir den Säntis und den Kamor bei uns ſtehen, das ſind auch Männer eines alten Bundes und es iſt gut bei ihnen ſein! Seine Worte waren groß und keck und er wunderte ſich, daß ſie ihm ſo entſtrömten, denn es war ſchier ketzeriſch und er hatte in kei- nem Kirchenvater ſolch Gleichniß geleſen. Aber den Sennen war's recht und den Bergen auch und Niemand that Einſprache. Des Mittags kam Benedicta das Hirtenkind; ein ſilbern Kettlein ſchmückte das Sonntagsmieder, das wie ein Panzer die Bruſt um- ſchloß. Sie brachte einen ſaubern eſchenholzenen Milchkübel, drauf war in kunſtloſen Linien eine Kuh geſchnitzt. Den ſchickt Euch der Vater, ſagte ſie, darum daß Ihr ſo auferbaulich geprediget und von den Bergen Gutes geſprochen — und wenn Euch Einer was Leides thun will, ſollt Ihr wiſſen, wo die Ebenalp ſteht. Sie warf etliche Handvoll Haſelnüſſe aus ihrer Schurztaſche in das Milchgefäß: die hab' ich für Euch gepflückt, ſagte ſie, und ich weiß noch mehr, wenn ſie Euch ſchmecken. Bevor ſich Ekkehard bedanken konnte, war ſie in der Höhlentiefe verſchwunden. Schwarzbraun ſind die Haſelnüſſ' Und ſchwarzbraun bin auch ich, Und wenn mich Einer lieben will, So muß er ſein wie ich, tönte verklingend ihr ſchalkhafter Geſang durch die Klauſe. Ekkehard lächelte wehmüthig. Aber ganz war der Sturm in ſeinem Herzen noch nicht geſchwich- tigt; es hallte und tönte in ihm nach wie der Donner des Alpen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/348
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/348>, abgerufen am 21.11.2024.