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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Fürwahr den Schimpf wird nimmer das Frankenland verwinden,
Schon hör' ich unsre Feinde zischend die Mähr verkünden:
"Es kam ein fremder Mann, man wußte nicht woher,
Der tilgte ungestraft der Franken ganzes Heer."
Noch wollte Hagen zaudern. Er saß und übersann
Wie ihm Waltari einst in Treuen zugethan.
Doch als sein Herr und König mit aufgehobnen Armen
Kniefällig zu ihm bat, -- da faßt' ihn ein Erbarmen,
Da brach das Eis im Herzen, sein Antlitz färbt' sich roth --
So er noch länger säumte, die Ehre litte Noth.
Wohin du auch mich rufest -- o Fürst, ich werde gehn,
Was nimmer sonst geschah, die Treue heißt's geschehn!
Doch wer war je so thöricht, daß er in's offne Grab
So wie es hier aufgähnet, freiwillig sprang hinab?
So lang Waltari dort die Felsburg innehält
Zieht auch ein Heer vergebens wider ihn zu Feld
Und wenn die Franken all, Fußvolk und Reiterei
An jenem Platze stünden, es käm' ihm Keiner bei.
Doch weil Beschämung dich und Schmerz danieder drücken,
Ersinn' ich einen Weg, auf dem wird's besser glücken.
Fürwahr, ich ginge nimmer, beschworene Treu zu brechen,
Selbst nicht, -- ich sag' es frank -- des Neffen Tod zu rächen,
Für dich nur, Herr und Fürst, will der Gefahr ich stehn!
Drum auf und laß uns erst von dieser Wahlstatt gehn.
Es mögen unsre Rosse dort auf der Warte weiden,
Dann wähnt er uns gegangen -- und wird von dannen reiten.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 25
Fürwahr den Schimpf wird nimmer das Frankenland verwinden,
Schon hör' ich unſre Feinde ziſchend die Mähr verkünden:
„Es kam ein fremder Mann, man wußte nicht woher,
Der tilgte ungeſtraft der Franken ganzes Heer.“
Noch wollte Hagen zaudern. Er ſaß und überſann
Wie ihm Waltari einſt in Treuen zugethan.
Doch als ſein Herr und König mit aufgehobnen Armen
Kniefällig zu ihm bat, — da faßt' ihn ein Erbarmen,
Da brach das Eis im Herzen, ſein Antlitz färbt' ſich roth —
So er noch länger ſäumte, die Ehre litte Noth.
Wohin du auch mich rufeſt — o Fürſt, ich werde gehn,
Was nimmer ſonſt geſchah, die Treue heißt's geſchehn!
Doch wer war je ſo thöricht, daß er in's offne Grab
So wie es hier aufgähnet, freiwillig ſprang hinab?
So lang Waltari dort die Felsburg innehält
Zieht auch ein Heer vergebens wider ihn zu Feld
Und wenn die Franken all, Fußvolk und Reiterei
An jenem Platze ſtünden, es käm' ihm Keiner bei.
Doch weil Beſchämung dich und Schmerz danieder drücken,
Erſinn' ich einen Weg, auf dem wird's beſſer glücken.
Fürwahr, ich ginge nimmer, beſchworene Treu zu brechen,
Selbſt nicht, — ich ſag' es frank — des Neffen Tod zu rächen,
Für dich nur, Herr und Fürſt, will der Gefahr ich ſtehn!
Drum auf und laß uns erſt von dieſer Wahlſtatt gehn.
Es mögen unſre Roſſe dort auf der Warte weiden,
Dann wähnt er uns gegangen — und wird von dannen reiten.
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 25
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[385/0407] Fürwahr den Schimpf wird nimmer das Frankenland verwinden, Schon hör' ich unſre Feinde ziſchend die Mähr verkünden: „Es kam ein fremder Mann, man wußte nicht woher, Der tilgte ungeſtraft der Franken ganzes Heer.“ Noch wollte Hagen zaudern. Er ſaß und überſann Wie ihm Waltari einſt in Treuen zugethan. Doch als ſein Herr und König mit aufgehobnen Armen Kniefällig zu ihm bat, — da faßt' ihn ein Erbarmen, Da brach das Eis im Herzen, ſein Antlitz färbt' ſich roth — So er noch länger ſäumte, die Ehre litte Noth. Wohin du auch mich rufeſt — o Fürſt, ich werde gehn, Was nimmer ſonſt geſchah, die Treue heißt's geſchehn! Doch wer war je ſo thöricht, daß er in's offne Grab So wie es hier aufgähnet, freiwillig ſprang hinab? So lang Waltari dort die Felsburg innehält Zieht auch ein Heer vergebens wider ihn zu Feld Und wenn die Franken all, Fußvolk und Reiterei An jenem Platze ſtünden, es käm' ihm Keiner bei. Doch weil Beſchämung dich und Schmerz danieder drücken, Erſinn' ich einen Weg, auf dem wird's beſſer glücken. Fürwahr, ich ginge nimmer, beſchworene Treu zu brechen, Selbſt nicht, — ich ſag' es frank — des Neffen Tod zu rächen, Für dich nur, Herr und Fürſt, will der Gefahr ich ſtehn! Drum auf und laß uns erſt von dieſer Wahlſtatt gehn. Es mögen unſre Roſſe dort auf der Warte weiden, Dann wähnt er uns gegangen — und wird von dannen reiten. D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 25

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/407>, abgerufen am 22.11.2024.