Das war der Bischof Salomo, sie hatten ihn kürzlich mit großem Prunk im Münster begraben. Ekkehard war ein schlichter, gerader frommer Mensch. Im Dienst der Kirche stolz und hochfahrend wer- den, schien ihm Unrecht, ihn mit weltlichen Kniffen und Ränken ver- binden, verwerflich, -- trotz aller Herzensverworfenheit ein weitbe- rühmter Mann bleiben: sonderbar. Solcher Art aber war des Bischof Salomo Treiben gewesen. Ekkehard erinnerte sich noch wohl aus den Erzählungen älterer Genossen, mit welcher Zudringlichkeit sich der junge Edelmann in das Kloster eingeschlichen, den Späher gemacht, sich beim Kaiser als unentbehrlichen Mann darzustellen gewußt, bis die Inful eines Abts von Sanct Gallen mit der Mitra eines Bischofs von Konstanz auf seinem Haupte vereinigt war.
Und vom großen Schicksal der Kammerboten sangen die Kinder auf den Straßen. Die hatte der ränkespinnende Prälat gereizt und gekränkt, bis sie in der Fehde Recht suchten und ihn fingen: aber wiewohl Herrn Erchanger's Gemahlin Berchta ihn in der Gefangen- schaft hegte und pflegte wie ihren Herrn, und den Friedenskuß von ihm erbat und aus einer Schüssel mit ihm aß, war sein Gemüth der Rache nicht gesättigt, bis daß des Kaisers Gericht zu Adingen seinen rauhen Feinden die Häupter vor die Füße gelegt.
Und die Tochter, die dem frommen Mann aus lustiger Studenten- zeit erwachsen, war itzt noch Abtissin am Münster zu Zürich.91)
All das wußte Ekkehard; in der Kirche, wo der Mann begraben lag, mocht' er nicht beten.
Es mag ungerecht sein, den Haß, der den Menschen gebührt, auf das Stück Land überzutragen, wo sie gelebt und gestorben, aber es ist erklärlich.
Er schüttelte den Konstanzer Staub von den Füßen und wanderte zum Thor hinaus; dem sich kaum dem See entwindenden jungen Rhein blieb er zur Linken.
Von mächtiger Haselstaude schnitt er sich einen festen Wanderstab: "wie die Ruthe Aaron's, da sie im Tempel Gottes aufgrünte, sein Geschlecht schied von den abtrünnigen Juden, so möge dieser Stab, geweiht mit der Fülle göttlicher Gnade, mir ein Hort sein wider die Ungerechten am Wege," sprach er mit den Worten eines alten Stock- segens.92) Vergnügt schlug ihm das Herz, wie er einsam fürbaß zog.
Das war der Biſchof Salomo, ſie hatten ihn kürzlich mit großem Prunk im Münſter begraben. Ekkehard war ein ſchlichter, gerader frommer Menſch. Im Dienſt der Kirche ſtolz und hochfahrend wer- den, ſchien ihm Unrecht, ihn mit weltlichen Kniffen und Ränken ver- binden, verwerflich, — trotz aller Herzensverworfenheit ein weitbe- rühmter Mann bleiben: ſonderbar. Solcher Art aber war des Biſchof Salomo Treiben geweſen. Ekkehard erinnerte ſich noch wohl aus den Erzählungen älterer Genoſſen, mit welcher Zudringlichkeit ſich der junge Edelmann in das Kloſter eingeſchlichen, den Späher gemacht, ſich beim Kaiſer als unentbehrlichen Mann darzuſtellen gewußt, bis die Inful eines Abts von Sanct Gallen mit der Mitra eines Biſchofs von Konſtanz auf ſeinem Haupte vereinigt war.
Und vom großen Schickſal der Kammerboten ſangen die Kinder auf den Straßen. Die hatte der ränkeſpinnende Prälat gereizt und gekränkt, bis ſie in der Fehde Recht ſuchten und ihn fingen: aber wiewohl Herrn Erchanger's Gemahlin Berchta ihn in der Gefangen- ſchaft hegte und pflegte wie ihren Herrn, und den Friedenskuß von ihm erbat und aus einer Schüſſel mit ihm aß, war ſein Gemüth der Rache nicht geſättigt, bis daß des Kaiſers Gericht zu Adingen ſeinen rauhen Feinden die Häupter vor die Füße gelegt.
Und die Tochter, die dem frommen Mann aus luſtiger Studenten- zeit erwachſen, war itzt noch Abtiſſin am Münſter zu Zürich.91)
All das wußte Ekkehard; in der Kirche, wo der Mann begraben lag, mocht' er nicht beten.
Es mag ungerecht ſein, den Haß, der den Menſchen gebührt, auf das Stück Land überzutragen, wo ſie gelebt und geſtorben, aber es iſt erklärlich.
Er ſchüttelte den Konſtanzer Staub von den Füßen und wanderte zum Thor hinaus; dem ſich kaum dem See entwindenden jungen Rhein blieb er zur Linken.
Von mächtiger Haſelſtaude ſchnitt er ſich einen feſten Wanderſtab: „wie die Ruthe Aaron's, da ſie im Tempel Gottes aufgrünte, ſein Geſchlecht ſchied von den abtrünnigen Juden, ſo möge dieſer Stab, geweiht mit der Fülle göttlicher Gnade, mir ein Hort ſein wider die Ungerechten am Wege,“ ſprach er mit den Worten eines alten Stock- ſegens.92) Vergnügt ſchlug ihm das Herz, wie er einſam fürbaß zog.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0081"n="59"/><p>Das war der Biſchof Salomo, ſie hatten ihn kürzlich mit großem<lb/>
Prunk im Münſter begraben. Ekkehard war ein ſchlichter, gerader<lb/>
frommer Menſch. Im Dienſt der Kirche ſtolz und hochfahrend wer-<lb/>
den, ſchien ihm Unrecht, ihn mit weltlichen Kniffen und Ränken ver-<lb/>
binden, verwerflich, — trotz aller Herzensverworfenheit ein weitbe-<lb/>
rühmter Mann bleiben: ſonderbar. Solcher Art aber war des Biſchof<lb/>
Salomo Treiben geweſen. Ekkehard erinnerte ſich noch wohl aus den<lb/>
Erzählungen älterer Genoſſen, mit welcher Zudringlichkeit ſich der<lb/>
junge Edelmann in das Kloſter eingeſchlichen, den Späher gemacht,<lb/>ſich beim Kaiſer als unentbehrlichen Mann darzuſtellen gewußt, bis<lb/>
die Inful eines Abts von Sanct Gallen mit der Mitra eines Biſchofs<lb/>
von Konſtanz auf ſeinem Haupte vereinigt war.</p><lb/><p>Und vom großen Schickſal der Kammerboten ſangen die Kinder<lb/>
auf den Straßen. Die hatte der ränkeſpinnende Prälat gereizt und<lb/>
gekränkt, bis ſie in der Fehde Recht ſuchten und ihn fingen: aber<lb/>
wiewohl Herrn Erchanger's Gemahlin Berchta ihn in der Gefangen-<lb/>ſchaft hegte und pflegte wie ihren Herrn, und den Friedenskuß von<lb/>
ihm erbat und aus einer Schüſſel mit ihm aß, war ſein Gemüth der<lb/>
Rache nicht geſättigt, bis daß des Kaiſers Gericht zu Adingen ſeinen<lb/>
rauhen Feinden die Häupter vor die Füße gelegt.</p><lb/><p>Und die Tochter, die dem frommen Mann aus luſtiger Studenten-<lb/>
zeit erwachſen, war itzt noch Abtiſſin am Münſter zu Zürich.<notexml:id="ed91"next="#edt91"place="end"n="91)"/></p><lb/><p>All das wußte Ekkehard; in der Kirche, wo der Mann begraben<lb/>
lag, mocht' er nicht beten.</p><lb/><p>Es mag ungerecht ſein, den Haß, der den Menſchen gebührt, auf<lb/>
das Stück Land überzutragen, wo ſie gelebt und geſtorben, aber es<lb/>
iſt erklärlich.</p><lb/><p>Er ſchüttelte den Konſtanzer Staub von den Füßen und wanderte<lb/>
zum Thor hinaus; dem ſich kaum dem See entwindenden jungen<lb/>
Rhein blieb er zur Linken.</p><lb/><p>Von mächtiger Haſelſtaude ſchnitt er ſich einen feſten Wanderſtab:<lb/>„wie die Ruthe Aaron's, da ſie im Tempel Gottes aufgrünte, ſein<lb/>
Geſchlecht ſchied von den abtrünnigen Juden, ſo möge dieſer Stab,<lb/>
geweiht mit der Fülle göttlicher Gnade, mir ein Hort ſein wider die<lb/>
Ungerechten am Wege,“ſprach er mit den Worten eines alten Stock-<lb/>ſegens.<notexml:id="ed92"next="#edt92"place="end"n="92)"/> Vergnügt ſchlug ihm das Herz, wie er einſam fürbaß zog.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[59/0081]
Das war der Biſchof Salomo, ſie hatten ihn kürzlich mit großem
Prunk im Münſter begraben. Ekkehard war ein ſchlichter, gerader
frommer Menſch. Im Dienſt der Kirche ſtolz und hochfahrend wer-
den, ſchien ihm Unrecht, ihn mit weltlichen Kniffen und Ränken ver-
binden, verwerflich, — trotz aller Herzensverworfenheit ein weitbe-
rühmter Mann bleiben: ſonderbar. Solcher Art aber war des Biſchof
Salomo Treiben geweſen. Ekkehard erinnerte ſich noch wohl aus den
Erzählungen älterer Genoſſen, mit welcher Zudringlichkeit ſich der
junge Edelmann in das Kloſter eingeſchlichen, den Späher gemacht,
ſich beim Kaiſer als unentbehrlichen Mann darzuſtellen gewußt, bis
die Inful eines Abts von Sanct Gallen mit der Mitra eines Biſchofs
von Konſtanz auf ſeinem Haupte vereinigt war.
Und vom großen Schickſal der Kammerboten ſangen die Kinder
auf den Straßen. Die hatte der ränkeſpinnende Prälat gereizt und
gekränkt, bis ſie in der Fehde Recht ſuchten und ihn fingen: aber
wiewohl Herrn Erchanger's Gemahlin Berchta ihn in der Gefangen-
ſchaft hegte und pflegte wie ihren Herrn, und den Friedenskuß von
ihm erbat und aus einer Schüſſel mit ihm aß, war ſein Gemüth der
Rache nicht geſättigt, bis daß des Kaiſers Gericht zu Adingen ſeinen
rauhen Feinden die Häupter vor die Füße gelegt.
Und die Tochter, die dem frommen Mann aus luſtiger Studenten-
zeit erwachſen, war itzt noch Abtiſſin am Münſter zu Zürich.
⁹¹⁾
All das wußte Ekkehard; in der Kirche, wo der Mann begraben
lag, mocht' er nicht beten.
Es mag ungerecht ſein, den Haß, der den Menſchen gebührt, auf
das Stück Land überzutragen, wo ſie gelebt und geſtorben, aber es
iſt erklärlich.
Er ſchüttelte den Konſtanzer Staub von den Füßen und wanderte
zum Thor hinaus; dem ſich kaum dem See entwindenden jungen
Rhein blieb er zur Linken.
Von mächtiger Haſelſtaude ſchnitt er ſich einen feſten Wanderſtab:
„wie die Ruthe Aaron's, da ſie im Tempel Gottes aufgrünte, ſein
Geſchlecht ſchied von den abtrünnigen Juden, ſo möge dieſer Stab,
geweiht mit der Fülle göttlicher Gnade, mir ein Hort ſein wider die
Ungerechten am Wege,“ ſprach er mit den Worten eines alten Stock-
ſegens.
⁹²⁾
Vergnügt ſchlug ihm das Herz, wie er einſam fürbaß zog.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/81>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.