Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Reichenau, grünendes Eiland, wie bist du vor Andern gesegnet, Reich an Schätzen des Wissens und heiligem Sinn der Bewohner, Reich an des Obstbaums Frucht und schwellender Traube des Weinbergs: Immerdar blüht es auf dir, und spiegelt im See sich die Lilie, Weithin schallet dein Ruhm bis in's neblige Land der Britannen. hatte schon in Ludwig des Deutschen Tagen der gelahrte Mönch Er- Ekkehard beschloß dieser Nebenbuhlerin seines Klosters einen Be- Mönchshabit verlieh damals jeder Aufforderung Nachdruck. Der Warum haben sie Euch gebüßt? Wegen dem Kreuzmann! Wer ist der Kreuzmann? Der Allmann. Auch der ist mir unbekannt, sprach Ekkehard, wie sieht er aus? Aus Erz ist er gegossen, brummte der Fischer, von zweier Span- Da merkte Ekkehard, daß des Fischers Christenglaube noch nicht Reichenau, grünendes Eiland, wie biſt du vor Andern geſegnet, Reich an Schätzen des Wiſſens und heiligem Sinn der Bewohner, Reich an des Obſtbaums Frucht und ſchwellender Traube des Weinbergs: Immerdar blüht es auf dir, und ſpiegelt im See ſich die Lilie, Weithin ſchallet dein Ruhm bis in's neblige Land der Britannen. hatte ſchon in Ludwig des Deutſchen Tagen der gelahrte Mönch Er- Ekkehard beſchloß dieſer Nebenbuhlerin ſeines Kloſters einen Be- Mönchshabit verlieh damals jeder Aufforderung Nachdruck. Der Warum haben ſie Euch gebüßt? Wegen dem Kreuzmann! Wer iſt der Kreuzmann? Der Allmann. Auch der iſt mir unbekannt, ſprach Ekkehard, wie ſieht er aus? Aus Erz iſt er gegoſſen, brummte der Fiſcher, von zweier Span- Da merkte Ekkehard, daß des Fiſchers Chriſtenglaube noch nicht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083" n="61"/> <lg type="poem"> <l>Reichenau, grünendes Eiland, wie biſt du vor Andern geſegnet,</l><lb/> <l>Reich an Schätzen des Wiſſens und heiligem Sinn der Bewohner,</l><lb/> <l>Reich an des Obſtbaums Frucht und ſchwellender Traube des Weinbergs:</l><lb/> <l>Immerdar blüht es auf dir, und ſpiegelt im See ſich die Lilie,</l><lb/> <l>Weithin ſchallet dein Ruhm bis in's neblige Land der Britannen.</l> </lg><lb/> <p>hatte ſchon in Ludwig des Deutſchen Tagen der gelahrte Mönch Er-<lb/> menrich<note xml:id="ed93" next="#edt93" place="end" n="93)"/> geſungen, da ihn auf ſeiner Abtei Ellwangen Heimweh<lb/> nach den ſchimmernden Fluthen des Bodenſee beſchlich.</p><lb/> <p>Ekkehard beſchloß dieſer Nebenbuhlerin ſeines Kloſters einen Be-<lb/> ſuch abzuſtatten. Am weißſandigen Geſtad von Ermatingen ſtand ein<lb/> Fiſcher im Kahn und ſchöpfte das Waſſer aus. Da deutete Ekkehard<lb/> mit ſeinem Stab nach dem Eiland: Führt mich hinüber, guter<lb/> Freund!</p><lb/> <p>Mönchshabit verlieh damals jeder Aufforderung Nachdruck. Der<lb/> Fiſcher aber ſchüttelte verdroſſen das Haupt: Ich fahre Keinen mehr<lb/> von euch, ſeit ihr mich am letzten Ruggericht um einen Schilling ge-<lb/> büßt ...</p><lb/> <p>Warum haben ſie Euch gebüßt?</p><lb/> <p>Wegen dem Kreuzmann!</p><lb/> <p>Wer iſt der Kreuzmann?</p><lb/> <p>Der Allmann.</p><lb/> <p>Auch der iſt mir unbekannt, ſprach Ekkehard, wie ſieht er aus?</p><lb/> <p>Aus Erz iſt er gegoſſen, brummte der Fiſcher, von zweier Span-<lb/> nen Höhe, und hält drei Seeroſen in der Hand. Der ſtund im alten<lb/> Weidenbaum zu Allmannsdorf, und 's war gut, daß er dort ſtund,<lb/> aber ſeit dem letzten Ruggericht haben ſie ihn aus dem Baum gehauen<lb/> und in's Kloſter verſchleppt. Jetzt ſteht er auf des welſchen Biſchofs<lb/> Grab in Niederzell, was ſoll er dort? Todten Heiligen Fiſche fangen<lb/> helfen?! ...<note xml:id="ed94" next="#edt94" place="end" n="94)"/></p><lb/> <p>Da merkte Ekkehard, daß des Fiſchers Chriſtenglaube noch nicht<lb/> felſenfeſt ſtand und mochte ſich erklären, warum das eherne Götzenbild<lb/> ihm die Schillingsbuße eingetragen — er hatte ihm ein Zicklein nächt-<lb/> lich als Opfer geſchlachtet, damit ſeine Fiſchzüge mit Felchen, Forellen<lb/> und Braxmannen geſegnet würden, und die Rugmänner hatten nach<lb/> kaiſerlicher Verordnung ſolch heidniſch Rückerinnern geahndet.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [61/0083]
Reichenau, grünendes Eiland, wie biſt du vor Andern geſegnet,
Reich an Schätzen des Wiſſens und heiligem Sinn der Bewohner,
Reich an des Obſtbaums Frucht und ſchwellender Traube des Weinbergs:
Immerdar blüht es auf dir, und ſpiegelt im See ſich die Lilie,
Weithin ſchallet dein Ruhm bis in's neblige Land der Britannen.
hatte ſchon in Ludwig des Deutſchen Tagen der gelahrte Mönch Er-
menrich
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geſungen, da ihn auf ſeiner Abtei Ellwangen Heimweh
nach den ſchimmernden Fluthen des Bodenſee beſchlich.
Ekkehard beſchloß dieſer Nebenbuhlerin ſeines Kloſters einen Be-
ſuch abzuſtatten. Am weißſandigen Geſtad von Ermatingen ſtand ein
Fiſcher im Kahn und ſchöpfte das Waſſer aus. Da deutete Ekkehard
mit ſeinem Stab nach dem Eiland: Führt mich hinüber, guter
Freund!
Mönchshabit verlieh damals jeder Aufforderung Nachdruck. Der
Fiſcher aber ſchüttelte verdroſſen das Haupt: Ich fahre Keinen mehr
von euch, ſeit ihr mich am letzten Ruggericht um einen Schilling ge-
büßt ...
Warum haben ſie Euch gebüßt?
Wegen dem Kreuzmann!
Wer iſt der Kreuzmann?
Der Allmann.
Auch der iſt mir unbekannt, ſprach Ekkehard, wie ſieht er aus?
Aus Erz iſt er gegoſſen, brummte der Fiſcher, von zweier Span-
nen Höhe, und hält drei Seeroſen in der Hand. Der ſtund im alten
Weidenbaum zu Allmannsdorf, und 's war gut, daß er dort ſtund,
aber ſeit dem letzten Ruggericht haben ſie ihn aus dem Baum gehauen
und in's Kloſter verſchleppt. Jetzt ſteht er auf des welſchen Biſchofs
Grab in Niederzell, was ſoll er dort? Todten Heiligen Fiſche fangen
helfen?! ...
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Da merkte Ekkehard, daß des Fiſchers Chriſtenglaube noch nicht
felſenfeſt ſtand und mochte ſich erklären, warum das eherne Götzenbild
ihm die Schillingsbuße eingetragen — er hatte ihm ein Zicklein nächt-
lich als Opfer geſchlachtet, damit ſeine Fiſchzüge mit Felchen, Forellen
und Braxmannen geſegnet würden, und die Rugmänner hatten nach
kaiſerlicher Verordnung ſolch heidniſch Rückerinnern geahndet.
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