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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Verwickelt! murmelte der Abt, Hauptstück siebenzig: kein Bruder
nehme sich heraus den Mitbruder sonder Ermächtigung des Abts zu
schlagen, Hauptstück zwei und siebenzig: von demjenigen Eifer, der
einem Mönch wohl ansteht und zum ewigen Leben führt ... Wie viel
Jahre zählt Ihr?

Drei und zwanzig!

Da sprach der Abt ernsthaft: Der Streit ist aus. Ihr, Bruder
Kellermeister, habt Eure Streiche als wohlverdient Entgelt Eurer Zer-
streutheit aufzunehmen; -- Euch, Fremdling des heiligen Gallus,
vermöchte ich füglich anzuweisen, Eures Weges weiter zu ziehen, denn
es steht geschrieben: Wenn ein fremder Mönch aus anderweiten Pro-
vinzen ankommt, soll er zufrieden sein mit dem was er im Kloster
vorfindet, sich nur einen demüthigen Tadel erlauben und sich in keiner
Weise überflüssig machen. In Erwägung Eurer Jugend und unta-
deligen Beweggrundes aber mögt Ihr zur Sühnung am Hauptaltar
unserer Kirche eine einstündige Abendandacht verrichten: dann seid
als Gastfreund willkommen!

Dem Abte erging es mit seinem Schiedsspruch wie manchem ge-
rechten Richter. Keiner der Betheiligten war zufrieden; sie gehorch-
ten, aber unversöhnt. Wie Ekkehard in der Kirche sein Sühngebet
that, mochten ihm allerlei Gedanken durch die Sinne ziehen vom
guten Herzen, vom rechtzeitigen Eifer und von andrer Leute Urtheil
drüber. Es war eine der ersten Lehren, die er im Zusammenstoß
mit Menschen erlitt. Durch eine Seitenpforte ging er ins Kloster
zurück.

Was Kerhildis die Obermagd an jenem Abend den dienstbaren
Frauen im Nähsaal zu Oberzell erzählte, allwo sie beim flackernden
Scheine des Kienspahns ein Dutzend neue Mönchsgewänder zu ferti-
gen hatten, war mit so beleidigenden Ausfällen gegen die Jünger des
heiligen Gallus untermischt, daß es besser verschwiegen bleibt ...



Verwickelt! murmelte der Abt, Hauptſtück ſiebenzig: kein Bruder
nehme ſich heraus den Mitbruder ſonder Ermächtigung des Abts zu
ſchlagen, Hauptſtück zwei und ſiebenzig: von demjenigen Eifer, der
einem Mönch wohl anſteht und zum ewigen Leben führt ... Wie viel
Jahre zählt Ihr?

Drei und zwanzig!

Da ſprach der Abt ernſthaft: Der Streit iſt aus. Ihr, Bruder
Kellermeiſter, habt Eure Streiche als wohlverdient Entgelt Eurer Zer-
ſtreutheit aufzunehmen; — Euch, Fremdling des heiligen Gallus,
vermöchte ich füglich anzuweiſen, Eures Weges weiter zu ziehen, denn
es ſteht geſchrieben: Wenn ein fremder Mönch aus anderweiten Pro-
vinzen ankommt, ſoll er zufrieden ſein mit dem was er im Kloſter
vorfindet, ſich nur einen demüthigen Tadel erlauben und ſich in keiner
Weiſe überflüſſig machen. In Erwägung Eurer Jugend und unta-
deligen Beweggrundes aber mögt Ihr zur Sühnung am Hauptaltar
unſerer Kirche eine einſtündige Abendandacht verrichten: dann ſeid
als Gaſtfreund willkommen!

Dem Abte erging es mit ſeinem Schiedsſpruch wie manchem ge-
rechten Richter. Keiner der Betheiligten war zufrieden; ſie gehorch-
ten, aber unverſöhnt. Wie Ekkehard in der Kirche ſein Sühngebet
that, mochten ihm allerlei Gedanken durch die Sinne ziehen vom
guten Herzen, vom rechtzeitigen Eifer und von andrer Leute Urtheil
drüber. Es war eine der erſten Lehren, die er im Zuſammenſtoß
mit Menſchen erlitt. Durch eine Seitenpforte ging er ins Kloſter
zurück.

Was Kerhildis die Obermagd an jenem Abend den dienſtbaren
Frauen im Nähſaal zu Oberzell erzählte, allwo ſie beim flackernden
Scheine des Kienſpahns ein Dutzend neue Mönchsgewänder zu ferti-
gen hatten, war mit ſo beleidigenden Ausfällen gegen die Jünger des
heiligen Gallus untermiſcht, daß es beſſer verſchwiegen bleibt ...



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[66/0088] Verwickelt! murmelte der Abt, Hauptſtück ſiebenzig: kein Bruder nehme ſich heraus den Mitbruder ſonder Ermächtigung des Abts zu ſchlagen, Hauptſtück zwei und ſiebenzig: von demjenigen Eifer, der einem Mönch wohl anſteht und zum ewigen Leben führt ... Wie viel Jahre zählt Ihr? Drei und zwanzig! Da ſprach der Abt ernſthaft: Der Streit iſt aus. Ihr, Bruder Kellermeiſter, habt Eure Streiche als wohlverdient Entgelt Eurer Zer- ſtreutheit aufzunehmen; — Euch, Fremdling des heiligen Gallus, vermöchte ich füglich anzuweiſen, Eures Weges weiter zu ziehen, denn es ſteht geſchrieben: Wenn ein fremder Mönch aus anderweiten Pro- vinzen ankommt, ſoll er zufrieden ſein mit dem was er im Kloſter vorfindet, ſich nur einen demüthigen Tadel erlauben und ſich in keiner Weiſe überflüſſig machen. In Erwägung Eurer Jugend und unta- deligen Beweggrundes aber mögt Ihr zur Sühnung am Hauptaltar unſerer Kirche eine einſtündige Abendandacht verrichten: dann ſeid als Gaſtfreund willkommen! Dem Abte erging es mit ſeinem Schiedsſpruch wie manchem ge- rechten Richter. Keiner der Betheiligten war zufrieden; ſie gehorch- ten, aber unverſöhnt. Wie Ekkehard in der Kirche ſein Sühngebet that, mochten ihm allerlei Gedanken durch die Sinne ziehen vom guten Herzen, vom rechtzeitigen Eifer und von andrer Leute Urtheil drüber. Es war eine der erſten Lehren, die er im Zuſammenſtoß mit Menſchen erlitt. Durch eine Seitenpforte ging er ins Kloſter zurück. Was Kerhildis die Obermagd an jenem Abend den dienſtbaren Frauen im Nähſaal zu Oberzell erzählte, allwo ſie beim flackernden Scheine des Kienſpahns ein Dutzend neue Mönchsgewänder zu ferti- gen hatten, war mit ſo beleidigenden Ausfällen gegen die Jünger des heiligen Gallus untermiſcht, daß es beſſer verſchwiegen bleibt ...

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/88>, abgerufen am 23.11.2024.