Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

und auf Spaziergängen waren äußerst an-
genehm für mich. Schade, daß dieser vor-
züglich angenehme Erzähler minder schreib-
fleißig war, wie der von ihm hochverehrte
Garve, dessen Werke ich zwar mit Ver-
gnügen gelesen habe, obgleich in ihnen manch-
mal philosophische Drathzieherey getrieben
und ganz gewöhnliches Eisenblech nur ver-
goldet wird. *) Jn des letztern Werk über

*) Ein ähnliches Urtheil hab ich in Vrandes treff-
lichem Werk über den Einfluß des Zeitgeistes auf
die höhern Stände Deutschlands gefunden, wo er
im 1. V. S. 19. No. 24. 25. sagt. "Verlangt
"ihr ein Beyspiel von einem Schriftsteller, der,
"weil er seine Materie erschopfen wollte, bey den
"Lesern wenige Gedanken erzeugte, und wenige
"der seinen tief einprägte? so nehmt das Beyspiel
"eines wahrlich sehr achtungswerthen Denkers
"und Schriftstellers, das Beyspiel von Garve --
"hätte Garve nicht alles so ausführlich sagen
"wollen, er hätte euch mehr zu Denken gegeben,
"mehrere seiner Gedanken eingeprägt, wenn er
"gleich nicht sehr reich an Bemerkungen aus
"eigner äußern Anschauung war, allein fähig, oft
"behandelten Gegenständen neuen Reiz, ein neues
"Leben zu ertheilen -- Mißverständnisse hat aber
"Garve, ungeachtet seiner zu großen Ausführlich-
"keit und seiner schönen, obgleich viel zu einför-
"migen Klarheit, doch nicht vermeiden können."

und auf Spaziergaͤngen waren aͤußerſt an-
genehm fuͤr mich. Schade, daß dieſer vor-
zuͤglich angenehme Erzaͤhler minder ſchreib-
fleißig war, wie der von ihm hochverehrte
Garve, deſſen Werke ich zwar mit Ver-
gnuͤgen geleſen habe, obgleich in ihnen manch-
mal philoſophiſche Drathzieherey getrieben
und ganz gewoͤhnliches Eiſenblech nur ver-
goldet wird. *) Jn des letztern Werk uͤber

*) Ein aͤhnliches Urtheil hab ich in Vrandes treff-
lichem Werk uͤber den Einfluß des Zeitgeiſtes auf
die hoͤhern Staͤnde Deutſchlands gefunden, wo er
im 1. V. S. 19. No. 24. 25. ſagt. „Verlangt
„ihr ein Beyſpiel von einem Schriftſteller, der,
„weil er ſeine Materie erſchopfen wollte, bey den
„Leſern wenige Gedanken erzeugte, und wenige
„der ſeinen tief einpraͤgte? ſo nehmt das Beyſpiel
„eines wahrlich ſehr achtungswerthen Denkers
„und Schriftſtellers, das Beyſpiel von Garve —
„haͤtte Garve nicht alles ſo ausfuͤhrlich ſagen
„wollen, er haͤtte euch mehr zu Denken gegeben,
„mehrere ſeiner Gedanken eingepraͤgt, wenn er
„gleich nicht ſehr reich an Bemerkungen aus
„eigner aͤußern Anſchauung war, allein faͤhig, oft
„behandelten Gegenſtaͤnden neuen Reiz, ein neues
„Leben zu ertheilen — Mißverſtaͤndniſſe hat aber
„Garve, ungeachtet ſeiner zu großen Ausfuͤhrlich-
„keit und ſeiner ſchoͤnen, obgleich viel zu einfoͤr-
„migen Klarheit, doch nicht vermeiden koͤnnen.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0197" n="180"/>
und auf Spazierga&#x0364;ngen waren a&#x0364;ußer&#x017F;t an-<lb/>
genehm fu&#x0364;r mich. Schade, daß die&#x017F;er vor-<lb/>
zu&#x0364;glich angenehme Erza&#x0364;hler minder &#x017F;chreib-<lb/>
fleißig war, wie der von ihm hochverehrte<lb/><hi rendition="#g">Garve,</hi> de&#x017F;&#x017F;en Werke ich zwar mit Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen gele&#x017F;en habe, obgleich in ihnen manch-<lb/>
mal philo&#x017F;ophi&#x017F;che Drathzieherey getrieben<lb/>
und ganz gewo&#x0364;hnliches Ei&#x017F;enblech nur ver-<lb/>
goldet wird. <note place="foot" n="*)">Ein a&#x0364;hnliches Urtheil hab ich in Vrandes treff-<lb/>
lichem Werk u&#x0364;ber den Einfluß des Zeitgei&#x017F;tes auf<lb/>
die ho&#x0364;hern Sta&#x0364;nde Deut&#x017F;chlands gefunden, wo er<lb/><cit><quote>im 1. V. S. 19. No. 24. 25. &#x017F;agt. &#x201E;Verlangt<lb/>
&#x201E;ihr ein Bey&#x017F;piel von einem Schrift&#x017F;teller, der,<lb/>
&#x201E;weil er &#x017F;eine Materie er&#x017F;chopfen wollte, bey den<lb/>
&#x201E;Le&#x017F;ern wenige Gedanken erzeugte, und wenige<lb/>
&#x201E;der &#x017F;einen tief einpra&#x0364;gte? &#x017F;o nehmt das Bey&#x017F;piel<lb/>
&#x201E;eines wahrlich &#x017F;ehr achtungswerthen Denkers<lb/>
&#x201E;und Schrift&#x017F;tellers, das Bey&#x017F;piel von Garve &#x2014;<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tte Garve nicht alles &#x017F;o ausfu&#x0364;hrlich &#x017F;agen<lb/>
&#x201E;wollen, er ha&#x0364;tte euch mehr zu Denken gegeben,<lb/>
&#x201E;mehrere &#x017F;einer Gedanken eingepra&#x0364;gt, wenn er<lb/>
&#x201E;gleich nicht &#x017F;ehr reich an Bemerkungen aus<lb/>
&#x201E;eigner a&#x0364;ußern An&#x017F;chauung war, allein fa&#x0364;hig, oft<lb/>
&#x201E;behandelten Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden neuen Reiz, ein neues<lb/>
&#x201E;Leben zu ertheilen &#x2014; Mißver&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;e hat aber<lb/>
&#x201E;Garve, ungeachtet &#x017F;einer zu großen Ausfu&#x0364;hrlich-<lb/>
&#x201E;keit und &#x017F;einer &#x017F;cho&#x0364;nen, obgleich viel zu einfo&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;migen Klarheit, doch nicht vermeiden ko&#x0364;nnen.&#x201C;</quote></cit></note> Jn des letztern Werk u&#x0364;ber<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0197] und auf Spaziergaͤngen waren aͤußerſt an- genehm fuͤr mich. Schade, daß dieſer vor- zuͤglich angenehme Erzaͤhler minder ſchreib- fleißig war, wie der von ihm hochverehrte Garve, deſſen Werke ich zwar mit Ver- gnuͤgen geleſen habe, obgleich in ihnen manch- mal philoſophiſche Drathzieherey getrieben und ganz gewoͤhnliches Eiſenblech nur ver- goldet wird. *) Jn des letztern Werk uͤber *) Ein aͤhnliches Urtheil hab ich in Vrandes treff- lichem Werk uͤber den Einfluß des Zeitgeiſtes auf die hoͤhern Staͤnde Deutſchlands gefunden, wo er im 1. V. S. 19. No. 24. 25. ſagt. „Verlangt „ihr ein Beyſpiel von einem Schriftſteller, der, „weil er ſeine Materie erſchopfen wollte, bey den „Leſern wenige Gedanken erzeugte, und wenige „der ſeinen tief einpraͤgte? ſo nehmt das Beyſpiel „eines wahrlich ſehr achtungswerthen Denkers „und Schriftſtellers, das Beyſpiel von Garve — „haͤtte Garve nicht alles ſo ausfuͤhrlich ſagen „wollen, er haͤtte euch mehr zu Denken gegeben, „mehrere ſeiner Gedanken eingepraͤgt, wenn er „gleich nicht ſehr reich an Bemerkungen aus „eigner aͤußern Anſchauung war, allein faͤhig, oft „behandelten Gegenſtaͤnden neuen Reiz, ein neues „Leben zu ertheilen — Mißverſtaͤndniſſe hat aber „Garve, ungeachtet ſeiner zu großen Ausfuͤhrlich- „keit und ſeiner ſchoͤnen, obgleich viel zu einfoͤr- „migen Klarheit, doch nicht vermeiden koͤnnen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/197
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/197>, abgerufen am 22.11.2024.