schrieb mir: "Wenn er seine Erziehungsre- "geln für Mütter nicht damit anfängt, daß "er ihnen die physische und moralische Noth- "wendigkeit auseinandersetzt, die Kinder, sich "selbst und ihr ganzes Hauswesen so rein, "so einfach als das Gemüth zu erhalten, "und daß auch die Küche und der Tisch mit "dieser Reinheit in Verbindung stehen, weil "der gute Geschmack sich auch auf die Zunge "ausdehnen müsse, wenn er nicht seinen "Gradum ertheilt, je nachdem wie die Da- "me die Versuchsperiode ausgehalten, so "bleibt seine Lehre für die Erziehung das, "was gewöhnliche Predigten für die wahre "Religiosität sind."*) Auch hätte er noch
*) Jn einem ohnlängst (im Nov. 1814.) von einem Frauenzimmer geschriebnen Buche (Natalie, ein Beytrag zur Geschichte des weiblichen Herzens) fand ich S. 133. folgende Stelle: "Wahrlich wir "Weiber tragen selbst die Schuld, wenn wir die "Sphäre weiblicher Wirksamkeit nur mit der Lauig- "keit des prosaischen Pflichtgedankens, oder auch "mit dem Mechanismus einer dazu abgerichteten "Maschine, zu betreiben wissen, und sie nur im "kleinlichen, den Geist einengenden Lichte sehen. "Ein unverschrobener, dem Müßiggang -- der "leider mit einem gewissen ästhetischen Luxus der "Zeit und der Thätigkeit nur zu nah verwandt
ſchrieb mir: „Wenn er ſeine Erziehungsre- „geln fuͤr Muͤtter nicht damit anfaͤngt, daß „er ihnen die phyſiſche und moraliſche Noth- „wendigkeit auseinanderſetzt, die Kinder, ſich „ſelbſt und ihr ganzes Hausweſen ſo rein, „ſo einfach als das Gemuͤth zu erhalten, „und daß auch die Kuͤche und der Tiſch mit „dieſer Reinheit in Verbindung ſtehen, weil „der gute Geſchmack ſich auch auf die Zunge „ausdehnen muͤſſe, wenn er nicht ſeinen „Gradum ertheilt, je nachdem wie die Da- „me die Verſuchsperiode ausgehalten, ſo „bleibt ſeine Lehre fuͤr die Erziehung das, „was gewoͤhnliche Predigten fuͤr die wahre „Religioſitaͤt ſind.“*) Auch haͤtte er noch
*) Jn einem ohnlaͤngſt (im Nov. 1814.) von einem Frauenzimmer geſchriebnen Buche (Natalie, ein Beytrag zur Geſchichte des weiblichen Herzens) fand ich S. 133. folgende Stelle: „Wahrlich wir „Weiber tragen ſelbſt die Schuld, wenn wir die „Sphaͤre weiblicher Wirkſamkeit nur mit der Lauig- „keit des proſaiſchen Pflichtgedankens, oder auch „mit dem Mechanismus einer dazu abgerichteten „Maſchine, zu betreiben wiſſen, und ſie nur im „kleinlichen, den Geiſt einengenden Lichte ſehen. „Ein unverſchrobener, dem Muͤßiggang — der „leider mit einem gewiſſen aͤſthetiſchen Luxus der „Zeit und der Thaͤtigkeit nur zu nah verwandt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0023"n="6"/>ſchrieb mir: <cit><quote>„Wenn er ſeine Erziehungsre-<lb/>„geln fuͤr Muͤtter nicht damit anfaͤngt, daß<lb/>„er ihnen die phyſiſche und moraliſche Noth-<lb/>„wendigkeit auseinanderſetzt, die Kinder, ſich<lb/>„ſelbſt und ihr ganzes Hausweſen ſo rein,<lb/>„ſo einfach als das Gemuͤth zu erhalten,<lb/>„und daß auch die Kuͤche und der Tiſch mit<lb/>„dieſer Reinheit in Verbindung ſtehen, weil<lb/>„der gute Geſchmack ſich auch auf die Zunge<lb/>„ausdehnen muͤſſe, wenn er nicht ſeinen<lb/>„Gradum ertheilt, je nachdem wie die Da-<lb/>„me die Verſuchsperiode ausgehalten, ſo<lb/>„bleibt ſeine Lehre fuͤr die Erziehung das,<lb/>„was gewoͤhnliche Predigten fuͤr die wahre<lb/>„Religioſitaͤt ſind.“</quote></cit><notexml:id="seg2pn_2_1"next="#seg2pn_2_2"place="foot"n="*)">Jn einem ohnlaͤngſt (im Nov. 1814.) von einem<lb/>
Frauenzimmer geſchriebnen Buche (Natalie, ein<lb/>
Beytrag zur Geſchichte des weiblichen Herzens)<lb/>
fand ich S. 133. folgende Stelle: <cit><quote>„Wahrlich wir<lb/>„Weiber tragen ſelbſt die Schuld, wenn wir die<lb/>„Sphaͤre weiblicher Wirkſamkeit nur mit der Lauig-<lb/>„keit des proſaiſchen Pflichtgedankens, oder auch<lb/>„mit dem Mechanismus einer dazu abgerichteten<lb/>„Maſchine, zu betreiben wiſſen, und ſie nur im<lb/>„kleinlichen, den Geiſt einengenden Lichte ſehen.<lb/>„Ein unverſchrobener, dem Muͤßiggang — der<lb/>„leider mit einem gewiſſen aͤſthetiſchen Luxus der<lb/>„Zeit und der Thaͤtigkeit nur zu nah verwandt</quote></cit></note> Auch haͤtte er noch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[6/0023]
ſchrieb mir: „Wenn er ſeine Erziehungsre-
„geln fuͤr Muͤtter nicht damit anfaͤngt, daß
„er ihnen die phyſiſche und moraliſche Noth-
„wendigkeit auseinanderſetzt, die Kinder, ſich
„ſelbſt und ihr ganzes Hausweſen ſo rein,
„ſo einfach als das Gemuͤth zu erhalten,
„und daß auch die Kuͤche und der Tiſch mit
„dieſer Reinheit in Verbindung ſtehen, weil
„der gute Geſchmack ſich auch auf die Zunge
„ausdehnen muͤſſe, wenn er nicht ſeinen
„Gradum ertheilt, je nachdem wie die Da-
„me die Verſuchsperiode ausgehalten, ſo
„bleibt ſeine Lehre fuͤr die Erziehung das,
„was gewoͤhnliche Predigten fuͤr die wahre
„Religioſitaͤt ſind.“ *) Auch haͤtte er noch
*) Jn einem ohnlaͤngſt (im Nov. 1814.) von einem
Frauenzimmer geſchriebnen Buche (Natalie, ein
Beytrag zur Geſchichte des weiblichen Herzens)
fand ich S. 133. folgende Stelle: „Wahrlich wir
„Weiber tragen ſelbſt die Schuld, wenn wir die
„Sphaͤre weiblicher Wirkſamkeit nur mit der Lauig-
„keit des proſaiſchen Pflichtgedankens, oder auch
„mit dem Mechanismus einer dazu abgerichteten
„Maſchine, zu betreiben wiſſen, und ſie nur im
„kleinlichen, den Geiſt einengenden Lichte ſehen.
„Ein unverſchrobener, dem Muͤßiggang — der
„leider mit einem gewiſſen aͤſthetiſchen Luxus der
„Zeit und der Thaͤtigkeit nur zu nah verwandt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/23>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.