Geistesgegenwart waren ganz vorzüglich, vielleicht verleiteten sie ihn bisweilen zum Absprechen, das aber zum Glück nichts von der Arroganz an sich hatte, die ich bey jedem, besonders bey einem hochstehenden Staatsdiener, für einen äußerst bedeutenden Fehler halte. Wenn einem solchen Ver- standübermüthigen der Eifer das, was er für wahr hält, nicht erlaubt den Ausdruck zu mäßigen, so wird durch solche Roheit, die oft weit mindere der Sache oder der Jdee selbst, unnöthig vermehrt. Die gewissesten Folgen solcher Arroganzäußerungen sind:
1) unnütze Furchterregung und Abschrek- kung der Schwachen;
2) stille, aber oft auch laut werdende, Oppositionsparthien unter den klugen und sanften, aber zum Gehorchen angewiesenen Menschen;
3) heimlicher Widerwille, der in Haß übergeht und Gelegenheit sucht, sein Müth- lein am Ueberdiebrustsprecher zu kühlen;
4) Herabwürdigung oft ehrlich gesinnter Diener zu der abscheulichen Miethlingschaft, die, so schädlich sie ist, immer mehr einzu- reißen scheint.
Geiſtesgegenwart waren ganz vorzuͤglich, vielleicht verleiteten ſie ihn bisweilen zum Abſprechen, das aber zum Gluͤck nichts von der Arroganz an ſich hatte, die ich bey jedem, beſonders bey einem hochſtehenden Staatsdiener, fuͤr einen aͤußerſt bedeutenden Fehler halte. Wenn einem ſolchen Ver- ſtanduͤbermuͤthigen der Eifer das, was er fuͤr wahr haͤlt, nicht erlaubt den Ausdruck zu maͤßigen, ſo wird durch ſolche Roheit, die oft weit mindere der Sache oder der Jdee ſelbſt, unnoͤthig vermehrt. Die gewiſſeſten Folgen ſolcher Arroganzaͤußerungen ſind:
1) unnuͤtze Furchterregung und Abſchrek- kung der Schwachen;
2) ſtille, aber oft auch laut werdende, Oppoſitionsparthien unter den klugen und ſanften, aber zum Gehorchen angewieſenen Menſchen;
3) heimlicher Widerwille, der in Haß uͤbergeht und Gelegenheit ſucht, ſein Muͤth- lein am Ueberdiebruſtſprecher zu kuͤhlen;
4) Herabwuͤrdigung oft ehrlich geſinnter Diener zu der abſcheulichen Miethlingſchaft, die, ſo ſchaͤdlich ſie iſt, immer mehr einzu- reißen ſcheint.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0232"n="215"/>
Geiſtesgegenwart waren ganz vorzuͤglich,<lb/>
vielleicht verleiteten ſie ihn bisweilen zum<lb/>
Abſprechen, das aber zum Gluͤck nichts von<lb/>
der Arroganz an ſich hatte, die ich bey<lb/>
jedem, beſonders bey einem hochſtehenden<lb/>
Staatsdiener, fuͤr einen aͤußerſt bedeutenden<lb/>
Fehler halte. Wenn einem ſolchen Ver-<lb/>ſtanduͤbermuͤthigen der Eifer das, was <hirendition="#g">er</hi><lb/>
fuͤr wahr haͤlt, nicht erlaubt den Ausdruck<lb/>
zu maͤßigen, ſo wird durch ſolche Roheit,<lb/>
die oft weit mindere der Sache oder der Jdee<lb/>ſelbſt, unnoͤthig vermehrt. Die gewiſſeſten<lb/>
Folgen ſolcher Arroganzaͤußerungen ſind:</p><lb/><list><item>1) unnuͤtze Furchterregung und Abſchrek-<lb/>
kung der Schwachen;</item><lb/><item>2) ſtille, aber oft auch laut werdende,<lb/>
Oppoſitionsparthien unter den klugen und<lb/>ſanften, aber zum Gehorchen angewieſenen<lb/>
Menſchen;</item><lb/><item>3) heimlicher Widerwille, der in Haß<lb/>
uͤbergeht und Gelegenheit ſucht, ſein Muͤth-<lb/>
lein am Ueberdiebruſtſprecher zu kuͤhlen;</item><lb/><item>4) Herabwuͤrdigung oft ehrlich geſinnter<lb/>
Diener zu der abſcheulichen Miethlingſchaft,<lb/>
die, ſo ſchaͤdlich ſie iſt, immer mehr einzu-<lb/>
reißen ſcheint.</item></list><lb/></div></body></text></TEI>
[215/0232]
Geiſtesgegenwart waren ganz vorzuͤglich,
vielleicht verleiteten ſie ihn bisweilen zum
Abſprechen, das aber zum Gluͤck nichts von
der Arroganz an ſich hatte, die ich bey
jedem, beſonders bey einem hochſtehenden
Staatsdiener, fuͤr einen aͤußerſt bedeutenden
Fehler halte. Wenn einem ſolchen Ver-
ſtanduͤbermuͤthigen der Eifer das, was er
fuͤr wahr haͤlt, nicht erlaubt den Ausdruck
zu maͤßigen, ſo wird durch ſolche Roheit,
die oft weit mindere der Sache oder der Jdee
ſelbſt, unnoͤthig vermehrt. Die gewiſſeſten
Folgen ſolcher Arroganzaͤußerungen ſind:
1) unnuͤtze Furchterregung und Abſchrek-
kung der Schwachen;
2) ſtille, aber oft auch laut werdende,
Oppoſitionsparthien unter den klugen und
ſanften, aber zum Gehorchen angewieſenen
Menſchen;
3) heimlicher Widerwille, der in Haß
uͤbergeht und Gelegenheit ſucht, ſein Muͤth-
lein am Ueberdiebruſtſprecher zu kuͤhlen;
4) Herabwuͤrdigung oft ehrlich geſinnter
Diener zu der abſcheulichen Miethlingſchaft,
die, ſo ſchaͤdlich ſie iſt, immer mehr einzu-
reißen ſcheint.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/232>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.