Bey ihrer am 5. Jun. 1807. erfolgten Abreise nach dem Töplitzer Bade hatte sie mir zum Beweise ihres freundschaftlichen Zutrauens ein Paar Bändchen eigenhändig geschriebener Collektaneen aus Büchern und eignen Herzensergießungen zurückgelassen, die mich in der guten Jdee von der Natur ihres Verstandes und Herzens bestärkten, mir aber auch bey der Zurücksendung Ge- legenheit gaben, ihr das Sprüchlein anzu- führen: da ihr solches wisset, selig seyd ihr, so ihr es thut.
Jhr vermuthlich gutes Zeugniß von mir schaffte mir im April 1807. Gelegenheit, der Königin, die aus Liebe zu dieser Schwe- ster nicht auf das Schloß, sondern in die eben nicht geräumige Wohnung der letztern zog, persönlich bekannt zu werden. Eine höchstfreundliche Aufnahme machte mich bey der zweyten Aufwartung so dreust, Jhrer Majestät zu gestehen, daß ich ohne solche trauliche Begegnung mich wohl kaum zur dritten Erscheinung vor ihr würde entschlos- sen haben; worauf sie erwiederte: "und ich "hätt' es ihnen auch nicht verdacht." Viele Stunden hab ich mit dieser, gemüthlich noch mehr als leiblich liebenswürdigen Frau recht
Bey ihrer am 5. Jun. 1807. erfolgten Abreiſe nach dem Toͤplitzer Bade hatte ſie mir zum Beweiſe ihres freundſchaftlichen Zutrauens ein Paar Baͤndchen eigenhaͤndig geſchriebener Collektaneen aus Buͤchern und eignen Herzensergießungen zuruͤckgelaſſen, die mich in der guten Jdee von der Natur ihres Verſtandes und Herzens beſtaͤrkten, mir aber auch bey der Zuruͤckſendung Ge- legenheit gaben, ihr das Spruͤchlein anzu- fuͤhren: da ihr ſolches wiſſet, ſelig ſeyd ihr, ſo ihr es thut.
Jhr vermuthlich gutes Zeugniß von mir ſchaffte mir im April 1807. Gelegenheit, der Koͤnigin, die aus Liebe zu dieſer Schwe- ſter nicht auf das Schloß, ſondern in die eben nicht geraͤumige Wohnung der letztern zog, perſoͤnlich bekannt zu werden. Eine hoͤchſtfreundliche Aufnahme machte mich bey der zweyten Aufwartung ſo dreuſt, Jhrer Majeſtaͤt zu geſtehen, daß ich ohne ſolche trauliche Begegnung mich wohl kaum zur dritten Erſcheinung vor ihr wuͤrde entſchloſ- ſen haben; worauf ſie erwiederte: „und ich „haͤtt’ es ihnen auch nicht verdacht.“ Viele Stunden hab ich mit dieſer, gemuͤthlich noch mehr als leiblich liebenswuͤrdigen Frau recht
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Bey ihrer am 5. Jun. 1807. erfolgten
Abreiſe nach dem Toͤplitzer Bade hatte ſie
mir zum Beweiſe ihres freundſchaftlichen
Zutrauens ein Paar Baͤndchen eigenhaͤndig
geſchriebener Collektaneen aus Buͤchern und
eignen Herzensergießungen zuruͤckgelaſſen,
die mich in der guten Jdee von der Natur
ihres Verſtandes und Herzens beſtaͤrkten,
mir aber auch bey der Zuruͤckſendung Ge-
legenheit gaben, ihr das Spruͤchlein anzu-
fuͤhren: da ihr ſolches wiſſet, ſelig ſeyd
ihr, ſo ihr es thut.
Jhr vermuthlich gutes Zeugniß von mir
ſchaffte mir im April 1807. Gelegenheit,
der Koͤnigin, die aus Liebe zu dieſer Schwe-
ſter nicht auf das Schloß, ſondern in die
eben nicht geraͤumige Wohnung der letztern
zog, perſoͤnlich bekannt zu werden. Eine
hoͤchſtfreundliche Aufnahme machte mich bey
der zweyten Aufwartung ſo dreuſt, Jhrer
Majeſtaͤt zu geſtehen, daß ich ohne ſolche
trauliche Begegnung mich wohl kaum zur
dritten Erſcheinung vor ihr wuͤrde entſchloſ-
ſen haben; worauf ſie erwiederte: „und ich
„haͤtt’ es ihnen auch nicht verdacht.“ Viele
Stunden hab ich mit dieſer, gemuͤthlich noch
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/283>, abgerufen am 27.11.2024.
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